Keine brennbaren Abfälle mehr auf Deponien nach dem 1. Januar 2000

Bern, 29.01.1999 - Referat von Philippe Roch, Direktor des BUWAL

Sehr geehrte Regierungsrätinnen und Regierungsräte
Sehr geehrte Damen und Herren

Wir haben Sie eingeladen, um gemeinsam die Entsorgung der brennbaren Abfälle in den nächsten Jahren zu planen. Wie Sie wissen stösst diese Planung auf grosses Interesse. Wir sind überzeugt, dass wir die 1992 eingeleitete Koordination bei der Planung von Abfallanlagen erfolgreich weiterführen können. In der Vergangenheit erlaubte unsere Zusammenarbeit auf sechs KVA-Projekte zu verzichten. Wir haben also gemeinsam 1,5 Milliarden Franken gespart. Dieses Resultat ist besonders erfreulich, weil wir es in einer konstruktiven Zusammenarbeit zwischen den Kantonen und dem Bund erreichten. Die Gesetzgebung überträgt die Verantwortung für die Entsorgung der Siedlungsabfälle den Kantonen. Die Koordinationsrolle des Bundes beruht denn auch in erster Linie auf der Vermittlung und der Überzeugungsarbeit. Ein zentralistisches Diktat würde weder der gesetzlichen Aufgabenteilung noch unserem Stil entsprechen. Es liegt mir viel daran, dass unsere Zusammenarbeit auch in Zukunft von gut eidgenössischer Zusammenarbeit geprägt ist.

Was wollen wir? Wir haben drei Ziele:

  1. Wir wollen, das Ablagerungsverbot von brennbaren Abfällen durchsetzen. Wenn wir das nicht tun, schaffen sich Bund und Kantone grosse Probleme.
  2. Wir wollen keine Ausnahmen bewilligen. Wenn wir anfangen, Ausnahmen zu bewilligen, verlangt ein Kanton ein Jahr und der zweite Kanton zwei Jahre. So geraten wir in des Teufels Küche.
  3. Wir wollen keine Türen zuschlagen. Wir haben nichts gegen die Fortsetzung der Planung bei einzelnen Projekten von KVA. Ich spreche nur von den Planungen und nicht vom Bau. Projekte können bis zur Baureife vorangetrieben werden. Aber bevor gebaut wird, muss die Lage genau beurteilt werden. Massgebend sind dann die Menge des Abfalls, die Preise verschiedener Entsorgungsvarianten, das Alter der bestehenden Anlagen. Wir wollen keine unüberlegten Investitionen auf Vorrat aber auch keine Abfallberge, die wir nicht verbrennen können.

Vor knapp 3 Jahren hat der Schweizerische Bundesrat mit einer Änderung der Technischen Verordnung über Abfälle (TVA) die Ablagerung brennbarer Abfälle ab dem 1. Januar 2000 verboten. Wie unsere Statistiken und Abklärungen zeigen, ist die Verbrennung von Siedlungsabfällen und anderen brennbaren, nicht verwertbaren Abfällen ab dem 1. Januar 2000 praktisch durchführbar. Allerdings sind – vor allem in einer Übergangszeit bis zur Betriebsaufnahme der umgebauten Anlagen in Niederurnen und der neuen Anlage in Freiburg - möglicherweise Engpässe zu erwarten.

Wir wollen den Abfall mit drei Strategien ökologisch in den Griff bekommen:

  • Am besten sorgen wir dafür, dass wir sowenig Abfall wie möglich produzieren. Die Stichworte sind Ihnen bekannt: Vorsorge, Vermeidung von Abfällen an der Quelle, z.B. durch langlebige Güter und abfallarme Produktion,
  • die Verwertung von Abfällen stellt die erfolgreiche zweite Strategie dar, die dritte ist
  • die umweltverträgliche Behandlung der verbleibenden Abfälle.

Warum wollen wir in der Schweiz keine brennbaren Abfälle mehr ablagern?

Wir wissen, dass die Ablagerung von Siedlungsabfällen eine beträchtliche Umweltbelastung verursachen kann. Eine Reaktordeponie produziert während Jahrzehnten Gas, das es aufzufangen und zu behandeln gilt. Zudem entstehen Sickerwasser, welche wohl über viele Jahrzehnte, wenn nicht über Jahrhunderte eine Behandlung verlangen. Nicht zu vergessen ist auch die sehr schlechte Nutzung der Energie bei der Ablagerung von Abfällen.

Der Bund verfolgt das Ziel keine brennbaren Abfälle abzulagern seit 12 Jahren. 1986 publizierte das BUWAL das Leitbild für die schweizerische Abfallwirtschaft. Es forderte: Abfällen müssen entweder verwertet, oder in umweltverträgliche Stoffe umgewandelt werden. 1990 schrieb der Bundesrat in der Technischen Verordnung über Abfälle (TVA) die Verbrennung der nicht verwertbaren brennbaren Abfälle vor. Allerdings erlaubte die damalige Fassung der TVA in gewissen Ausnahmefällen noch die Ablagerung. 1996 hat der Bundesrat diese Ausnahmebestimmungen aufgehoben und auf den 1. Januar 2000 die Ablagerung brennbarer Abfälle auf Deponien untersagt.

Der Bundesrat hat in der Zwischenzeit in verschiedenen Antworten auf parlamentarische Vorstösse das Ablagerungsverbot bekräftigt. Auch das Bundesgericht hat in einem kürzlichen Entscheid gegen eine Gemeinde (Köniz) welche eine Verlängerung über das Jahr 2000 hinaus verlangte, die Haltung des Bundesrates bestätigt.

Das Ablagerungsverbot kann nach unserer Ansicht ab dem 1.1. Januar 2000 umgesetzt werden.

  • 1997 gab es gut 2.9 Millionen Tonnen brennbare Abfälle. Sie wurden damals entweder in KVA verbrannt oder auf kontrollierten Reaktordeponien abgelagert und dort statistisch erfasst.
  • Am 1.1. 2000 steht nach unseren Berechnungen eine bewilligte Verbrennungskapazität von rund 3.1 Millionen Tonnen bereit.

Die zur Verfügung stehende Kapazität reicht somit durchaus, um die 1997 kontrolliert entsorgte Abfallmenge zu verbrennen. Das BUWAL befürchtet allerdings, dass – neben den kontrolliert entsorgten Abfällen - noch rund 200‘000 Tonnen brennbare Abfälle wild verbrannt oder unkontrolliert abgelagert werden. Sollte sich diese Schätzung bestätigen, müsste schon ab dem Jahr 2000 zusätzliche Kapazitäten, z.B. in den nicht zur Nutzung freigegebenen Anlagen des Kantons Zürich, beansprucht werden. Kurzfristig haben wir nämlich kaum Reserven.

Wir wollen keine Ausnahmen vom Ablagerungsverbot

Was würde geschehen, wenn wir anfangen, Ausnahmen zu bewilligen?

  • Erstens bekommen wir politische Schwierigkeiten: Eine Verlängerungsfrist für einen Kanton würde ein ähnliches Begehren eines anderen Kantons auslösen und schliesslich zu einer Kettenreaktion führen. Für die Bevölkerung in Regionen, welche sich seit langem auf die Umsetzung der bundesrätlichen Strategien eingestellt haben, wäre eine solche Politik unverständlich.
  • Viele Kantone und Regionen haben bereits auf die neue Situation eingerichtet. Sie haben mit Verträgen die Zusammenarbeit in gut eidgenössischer Tradition geregelt. Dies gilt etwa für den Kanton Jura oder für Regionen des Kantons Graubünden. Solche Regionen fühlen sich für dumm verkauft, wenn der Bund plötzlich die Regeln ändern würde.
  • Eine Verlängerung der Frist bringt ökologische und ökonomische Probleme. Die ökologischen Probleme sind bereits eingangs dargestellt. Aber auch aus ökonomischer Sicht lässt sich ein Verzicht auf die Nutzung bestehender Anlagen nicht rechtfertigen. Wir müssen uns aber noch über die konkrete Verteilung der Abfälle auf die einzelnen Anlagen einigen.

Der Erfolg unserer Strategie hängt davon ab, ob wir zweckmässige Übergangslösungen finden: In der ersten Phase rechnen wir mit einem Engpass: bis zum Bereitstehen der erneuerten Anlage in Niederurnen im September 2000 und bis zur Inbetriebnahme der Verbrennungsanlage im Kanton Freiburg im Jahr 2001. Anschliessend dürfte sich die Situation zumindest für die folgenden 2-3 Jahre insgesamt wohl etwas entspannen, wie auch aus der Studie der Preisüberwachung zu entnehmen ist. Die Übergangslösungen müssen den berechtigten Interessen der einzelnen Regionen Rechnung tragen. So sollten etwa Regionen, welche ihre Abfälle exportieren, von relativ günstigen Verbrennungskosten profitieren können. Sonst bezahlen sie nämlich zusammen mit den Transportkosten wesentlich mehr, als wenn sie sich eine eigene Anlage aufbauen würden.

Eine überzeugende Lösung konnte bereits vor einiger Zeit in der Romandie erzielt werden. Der Kanton Genf stellt freie Kapazität einer Ofenlinie, welche länger als ursprünglich erwartet betrieben werden kann, zu günstigen Preisen dem Kanton Waadt zur Verfügung. Dies erlaubt eine gestaffelte Realisierung von Anlagen in der Romandie. Mit dem Ersatz einer alten Anlage in Lausanne kann bis zum Wegfall der Nutzungsmöglichkeit der alten Ofenlinie in Genf zugewartet werden.

Weil heute noch mehr als 550'000 Tonnen brennbare Abfälle auf Deponien gelangen, sind bestehende KVA nicht ausgelastet. Dies hat zu einer gewissen Konkurrenz zwischen den Anlagen und auch zu günstigeren Offerten für die Übernahme fremder Abfälle geführt. Regionen die nicht über eigene KVA verfügen blieben in den letzten Jahren vor ungerechtfertigten Preiserhöhungen verschont. Hoffen wir, dass dies auch den nächsten Jahren so bleibt, wenn sich die freie Kapazität drastisch reduzieren wird.

Wir wollen die Türen für die Planung offen lassen

Angesichts der langen Dauer zwischen Planung und Inbetriebnahme von Anlagen gilt es schon heute an die Zukunft zu denken. In diesem Zusammenhang sind folgende Punkte zu erwähnen:

  • Erstens wird der Park der bestehenden Verbrennungsanlage in der Schweiz immer älter. Schon heute findet sich mehr als 20 Prozent der gesamten Verbrennungskapazität in Ofenlinien, die mehr als zwanzigjährig sind. Für diese Anlagen steigen die Unterhaltskosten mit der Zeit. Schon kurzfristig könnte sich dabei die Frage stellen, ob es noch sinnvoll ist, Millionen in eine alte Ofenlinie zu investieren, nur damit diese Linie noch vier oder fünf Jahre weiter läuft. Die Stadt Zürich befindet sich offenbar vor einem solchen Investitionsentscheid. Die Planung muss also dem Ersatz und der Ausserbetriebnahme alter Ofenlinien Rechnung tragen.
  • Zweitens sind die Anlagen und die Verbrennungskapazitäten heute sehr ungleich in der Schweiz verteilt. Wenn es auch kurzfristig sinnvoll ist, bestehende Anlagen zu nutzen, und die sich aus dem Transport ergebenden Kosten und Umweltbelastungen in Kauf zu nehmen, so rechtfertigen diese Nachteile nicht unbedingt einen Weiterbestand der heute zufällig über das Land verteilten Anlagen. Längerfristig ist deshalb eine bessere Verteilung der Verbrennungskapazität auf die verschiedenen Regionen anzustreben. Damit können grosse Kosten für den Transport und beträchtliche Belastungen vermieden werden. Wenn eine alte Anlage ausgedient hat, dann stellt sich die Frage, wo eine neue Anlage als Ersatz gebaut werden soll.
  • Aus der Sicht des BUWAL ist der Bau der Anlage in Freiburg nötig. Nur diese Anlage wird es uns erlauben, Engpässe zu vermeiden und damit einen neuerlichen Anstieg der Verbrennungskosten zu verhindern, wie er in der Vergangenheit bei Engpässen häufig zu verzeichnen war.
  • Das BUWAL hält es auch für sinnvoll, die Planung für die Projekte im Berner Oberland und im Tessin und für den Ersatz der alten Anlage in Lausanne weiterzuführen. Schliesslich erlaubt die Planung einer Region auch, sich ein Bild darüber zu machen, welche Kosten eine eigene Anlage verursachen würde, und dies den Bedingungen eines Exportes gegenüberzustellen. Im Übrigen wird eine Fortsetzung der Planung für die Anlage im Berner Oberland und im Tessin den Regionen auch ermöglichen, allenfalls vor dem 1. November 1999 eine erstinstanzliche Baubewilligung zu erteilen. Diese Bewilligung stellt die wichtigste formelle Voraussetzung für Bundessubventionen dar. Der Subventionsentscheid wird aber in beiden Fällen vom Bundesrat zu fällen sein, der dabei sowohl die finanziellen Interessen der gesamten Schweiz als auch die Konsequenzen für die einzelnen Regionen berücksichtigen muss.

Ich wiederhole: Es geht uns nicht darum, weitere Anlagen auf Vorrat zu bauen. Wir wollen die Projekte, und nur die Projekte, soweit vorantreiben, dass wir nicht eines Tages wie der Esel vor dem Abfallberg stehen.

Schlussfolgerungen

Seit 1992 setzt sich das BUWAL energisch für eine bessere Koordination der Verbrennungsanlagen ein. Dies mit den Zielen:

  • Genügend Kapazität für die umweltverträgliche Behandlung der nicht verwertbaren Abfälle bereitzustellen,
  • Teure Überkapazitäten zu vermeiden und
  • Längerfristig eine ausgewogenere geographische Verteilung der Anlagen zu erzielen

Dank einer sehr intensiven Zusammenarbeit mit den Kantonen und den betroffenen Zweckverbänden sowie einer erfreulichen Bereitschaft zur Mitarbeit und zur Suche nach guten Lösungen konnten bei dieser Koordination bis heute wichtige Erfolge erzielt werden. Dies gilt etwa für folgende Punkte:

  • 1994: Verzicht auf sechs Projekte von Verbrennungsanlagen, welche Investitionen in der Gegend von sFr. 1,5 Mrd. bedeutet hätten
  • 1996: Staffelung der Realisation der Verbrennungsanlagen in Freiburg und Lausanne und Nutzung der länger zur Verfügung stehenden freien Kapazität der Anlage im Kanton Genf
  • 1998 Überprüfen und Verkleinern der Auslegung der Verbrennungsanlagen in Basel und des Projektes in Freiburg

Das BUWAL wird sich mit Ihnen zusammen auch weiterhin aktiv für gute Lösungen einsetzen. Dies gilt auch dann, wenn es darum geht, die letzten Anträge für Subventionen vor den Bundesrat zu bringen.

Ich bin überzeugt, dass aus einer guten, freundschaftlichen Zusammenarbeit für alle Partner letztlich Gewinne resultieren. Längerfristig werden die Kantone über die notwendigen Anlagen verfügen, die ökonomischen Interessen der verschiedenen Regionen bleiben gewahrt und die Bürger, Bürgerinnen werden ihrer Abfälle zu günstigen Konditionen los.


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Bundesamt für Umwelt BAFU
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