Hormone im Wasser: Was bewirken sie bei Mensch und Tier?

Bern, 07.04.1999 - Zahllose Chemikalien werden täglich verbraucht und gelangen mehrheitlich in die Kläranlage. Dort werden sie nur teilweise eliminiert; der Rest gelangt in die Gewässer. Untersuchungen von Schweizer Flüssen belegen, dass alltäglich benutzte Substanzen heimtückische hormonaktive Wirkungen haben können. Diese Stoffe können bei einigen Tierarten zu Geschlechtsveränderungen und Unfruchtbarkeit führen. Das BUWAL und die EAWAG stellen heute in Bern an einer Medienorientierung einen Bericht über den neusten Stand des Wissens vor. Er zeigt Effekte auf die Umwelt auf und beinhaltet eine Beurteilung sowie geplante Forschungsaktivitäten. Das Wissen über die komplexen Wirkungen hormonaktiver Stoffe soll es ermöglichen, die nötigen Schutzmassnahmen auszuarbeiten.

Hormone steuern wichtige Prozesse im Körper und wirken im Gegensatz zu vielen Schadstoffen bereits in kleinsten Mengen. Bei Untersuchungen an Fischen unterhalb der Kläranlagen konnten Verweiblichungseffekte beobachtet werden. So bilden zum Beispiel männliche Bachforellen in ihren Hoden Eizellen aus. Gegenteilige Phänomene zeigen Wellhornschnecken in Küstenbereichen auf der ganzen Welt, sowie rund 100 andere marine Arten: Deren Weibchen entwickeln einen Penis und werden fortpflanzungsunfähig.

Während die Ergebnisse der Untersuchungen von hormonwirksamen Chemikalien im Tierreich weitgehend unumstritten sind, stellt sich die Frage: Droht auch dem Menschen Gefahr oder hat er bereits Schaden genommen? Die Untersuchungen sind noch unvollständig und bisher konnten keine eindeutigen Wirkungszusammenhänge nachgewiesen werden. Allerdings kann – mit grossen regionalen Unterschieden – eine Abnahme der Spermienzahlen festgestellt werden.
Schadstoffe wirken hormonaktiv.

Das Bootsanstrichmittel Tributylzinn (TBT), welches das Muschel- und Algenwachstum an Schiffswänden hemmt, ist verantwortlich für die Geschlechtsveränderungen der Wellhornschnecken. Andere bekannte Schadstoffe in den Gewässern stammen aus Kunststoffen. Mit der Zeit werden diese aus dem Plastikmaterial ausgewaschen. Bei der Benützung von Kunststoffen (Flaschen und Schläuche) können diese Schadstoffe direkt in den menschlichen Organismus gelangen.

Ein weiteres Beispiel ist Nonylphenol, eine Chemikalie, die als Nonylphenolethoxylat in Industriereinigern enthalten ist. Seine schädlichen Wirkungen sind seit Jahren ein Thema; trotzdem werden in Westeuropa jährlich immer noch 75'000 Tonnen eingesetzt. In der Schweiz wurde ein Verbot dieses Stoffes in Textilreinigungsmitteln beschlossen, verschiedene Firmen verzichteten zudem freiwillig auf seine Verwendung. Nach neusten Messungen sind einige Flüsse immer noch mit beträchtlichen Mengen belastet.

Das BUWAL führt zur Zeit Verhandlungen mit Vertretenden der Industrie über einen freiwilligen Verzicht auf Nonylphenolethoxylat in Industriereinigungsmitteln. Sofern keine Einigung zustande kommt, soll ein generelles Verbot dieses Stoffes beantragt werden.

Vorsorgeprinzip anwenden

Über 50 Chemikalien sind heute bekannt, die ähnlich wie Oestrogen, das weibliche Geschlechtshormon, wirken. Auch in gut funktionierenden Kläranlagen gelingt es nicht, die Stoffe zu eliminieren. Bei vielen weiteren Stoffen gibt es Hinweise auf ihre hormonaktive Wirkung, eindeutige Wirkungsketten stehen aber noch aus. Die Forschung muss also in Zukunft intensiviert und international koordiniert werden. Es müssen Messmethoden entwickelt werden, die schnell eingesetzt werden können, um problematische Stoffe zu identifizieren. Wenn begründeter Verdacht besteht, muss es im Sinne der Vorsorge möglich werden, auf den Einsatz hormonaktiver Stoffen zu verzichten, auch wenn deren schädigende Wirkung auf Mensch und Umwelt noch nicht mit letzter Sicherheit nachgewiesen ist. An solchen Entscheidungen sind alle betroffenen Partner – Chemieindustrie, Behörden, Landwirtschaft, Wissenschaft, Umweltverbände – zu beteiligen.


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Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation
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