Die Forschung kommt den Bienen zu Hilfe

Liebefeld (BE), 31.03.2009 - Die Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP präsentierte im Rahmen einer Pressekonferenz die Problematik der Bienensterblichkeit und Völkerverluste der letzten Jahre. Ein starker Rückgang der Bienenpopulationen, die bei der Bestäubung eine sehr wichtige Rolle spielen, könnte bedeutende wirtschaftliche und ökologische Folgen haben. Beim Angriff auf die Honigbiene sind mehrere Faktoren im Spiel, doch es ist die Varroamilbe, auf die der erste Verdacht fällt. Um diese Milbe wirksam und nachhaltig zu bekämpfen, startete das Zentrum für Bienenforschung der ALP eine neue Forschungsoffensive.

Im Verlaufe der letzten Winter verzeichneten die Schweizer Imkerinnen und Imker grössere Völkerverluste mit Maxima in den Jahren 2003 und 2008. Dieser Anstieg ist nicht nur auf die Schweiz begrenzt. Dasselbe Phänomen wurde in den übrigen Ländern Europas, in China und den Vereinigten Staaten festgestellt. Verschiedene Symptome wie das Colony Collapse Disorder (CDD) manifestieren sich, wobei die Arbeiterinnen auf geheimnisvolle Weise verschwinden und die Königin, Brut und Nahrung zurück lassen.

Monitoring-Programm
Um das Ausmass des Problems zu erkennen und Lösungen zu finden, wurde in der Schweiz ein nationales Monitoring-Programm zur Erfassung der Bienenpopulationen lanciert. Internationale Standards müssen festgelegt werden, damit die erhobenen Daten verglichen werden können und um gemeinsame Benennungen zu finden, die über die Ursachen dieser Verluste Auskunft geben. Mit diesem Ziel leitet das Zentrum für Bienenforschung von ALP das Netzwerk COLOSS, welches 130 Mitglieder aus 35 Ländern in Europa, Asien und den Vereinigten Staaten umfasst. Dieses Netzwerk wendet Mittel auf, um die Folgen der Völkerverluste für die Imkerei, die Landwirtschaft und die Umwelt einzudämmen.

Bekämpfung von Varroa destructor
Unter den Faktoren, die beim Phänomen der Völkerverluste eine Rolle spielen, wie insbesondere Krankheiten oder Umweltfaktoren, dominiert die Milbe Varroa destructor. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs ist die Ausbreitung von Varroa destructor international zur Realität geworden und deren Bekämpfung unerlässlich geworden. Die ersten Mittel, die eingesetzt wurden stellten synthetische Akarizide dar. Mitte der 90er Jahre aufkommende Resistenzen machten diese Methoden unwirksam. Um diesem Problem entgegenzutreten, entwickelte das Zentrum für Bienenforschung der ALP in Zusammenarbeit mit internationalen Experten eine alternative Methode, die sich auf organische Säuren und ätherische Öle stützt. Heute strebt das Zentrum mehrere Ziele an: kurzfristig eine Optimierung der alternativen Methoden durch die Entwicklung neuer Komponenten aus ätherischen Ölen; langfristig die Entwicklung einer nachhaltigen biologischen Bekämpfung, sei es mit pathogenen Organismen, Bienen mit höherer Varroatoleranz oder mit Hilfe von Pheromonen.

Bedrohung durch den Winter
Die seit mehr als 30 Millionen Jahren existierende Honigbiene hat sich an zahlreiche Veränderungen ihrer Umwelt angepasst. Je nachdem, ob es sich um Sommer- oder Winterbienen handelt, beträgt deren Lebensdauer einige Wochen bis mehrere Monate. Im Sommer schlüpfen pro Tag mehr als 1000 Bienen und ebenso viele sterben täglich. Im Winter bringt das Volk keine jungen Bienen mehr hervor und die natürliche Sterblichkeit ist gering. Die Winterbienen schlüpfen von August bis Oktober und sichern den Übergang in die kommende Saison. Die Weiterführung der Aufzucht im Frühjahr hängt von den fünf bis sieben Monate alten Winterbienen ab. Ist ihre Lebensdauer auch nur minimal verkürzt, ist der Neustart im kommenden Frühjahr ebenso wie das Überleben des Volkes in Gefahr. Die in Europa registrierten Völkerverluste treten in erster Linie während der Winterruhe auf. Deshalb konzentriert die Forschung ihre Arbeiten auf diejenigen Faktoren, welche die Lebensdauer der überwinternden Bienen beeinflussen könnten.

Pestizide unter Verdacht?
Im Frühling und im Sommer werden ab und zu mehr oder weniger ausgeprägte Schwächungen der Bienenvölker beobachtet, wie es im Frühjahr 2008 in Süddeutschland der Fall war. Dort wurde dieses Phänomen mit der Verwendung von Pestiziden in Zusammenhang gebracht. Es ist zu unterscheiden zwischen diesen klaren und örtlich begrenzten Vergiftungsfällen einerseits und den bedeutenden Völkerverlusten, zu denen es aus bisher ungeklärten Gründen auf mehreren Kontinenten vornehmlich während der Winterruhe der Völker kommt,  andererseits.

Wirtschaftliche und ökologische Tragweite
Käme es zu einem starken Rückgang der Bienenvölker, so könnte dies entscheidende wirtschaftliche und ökologische Folgen verursachen. Gemäss einer Schätzung der Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP aus dem Jahre 2002 beträgt der Gesamtwert der Frucht- und Beerenernte in der Schweiz 335 Millionen Franken. 80% davon gehen auf das Konto der Bestäubung durch Honigbienen. In der Schweiz liegt der volkswirtschaftlichen Nutzen eines Bienenvolkes bei 1500 Franken pro Jahr (Produkte aus dem Bienenstock und Bestäubung für die Erzeugung von Früchten und Beeren). Bezieht man Feldkulturen (Ackerbohne, Raps, Sonnenblume), Saatgut (Luzerne, Rotklee, Gemüse) und Gemüsekulturen (Bohnen, Tomaten, Kürbis, Gurken) mit ein, so ist dieser Wert noch höher anzusetzen.

Die Schätzungen des wirtschaftlichen Werts der Insektenbestäubung berücksichtigen nur die Kulturpflanzen. Der Beitrag, den die Biene bei der Bestäubung von Wildpflanzen leistet, lässt sich nur schwer beurteilen und schlecht als monetären Wert ausdrücken. In diesem Zusammenhang sind die Vielfalt der Flora und Fauna einer Region, die Schönheit der Landschaft und die Bodenqualität zu bedenken.


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