Erste Erkenntnisse zu den Übergängen in den Sozialversicherungssystemen

Bern, 27.03.2009 - Arbeitslosenversicherung, Invalidenversicherung und Sozialhilfe bieten ein soziales Auffangnetz für eine sehr breite Bevölkerungsschicht: In einem Beobachtungszeitraum von drei Jahren bezogen nicht weniger als 20 Prozent der Wohnbevölkerung im erwerbsfähigen Alter eine Leistung eines dieser Sozialwerke. Die Behauptung, viele Hilfesuchende würden zwischen diesen Sozialwerken hin und her geschoben, ist falsch. Das zeigt eine Studie im Rahmen des Forschungsprogramms zur Invalidenversicherung (FoP-IV), mit der erstmals die Wechselbeziehungen zwischen IV, ALV und Sozialhilfe beschrieben und gemessen wurden.

Die Studie „Quantifizierung der Übergänge zwischen Systemen der Sozialen Sicherheit (IV, ALV und Sozialhilfe)“ untersucht erstmals die Schnittstellen zwischen den zentralen Leistungssystemen der Sozialen Sicherheit für Personen im erwerbsfähigen Alter und quantifiziert die Zugänge, Abgänge und Übergänge dieser Systeme in den Jahren 2004 bis 2006. Sie wurde von der Berner Fachhochschule, Fachbereich Soziale Arbeit, durchgeführt, vom Bundesamt für Sozialversicherungen BSV und vom Staatssekretariat für Wirtschaft seco finanziert sowie von Vertretern der Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren SODK, des Bundesamts für Statistik BFS und der IV-Stellen begleitet.

In den Jahren 2004-2006 haben in der Schweiz rund 930'000 Personen oder fast 20% der Wohnbevölkerung im erwerbsfähigen Alter eine IV-Rente, ein IV-Taggeld, eine Arbeitslosenentschädigung oder Sozialhilfe bezogen. Die Zahl der Personen, die Leistungen dieses sogenannten IAS-Systems (IV, ALV, Sozialhilfe) erhielten, blieb im Untersuchungszeitraum weitgehend konstant – 460'057 kamen hinzu, 459'575 gingen weg. Die einzelnen Leistungssysteme hingegen wiesen eine unterschiedliche Entwicklungsdynamik auf. Die Zahl der Personen, die von der Sozialhilfe unterstützt wurden, stieg sehr deutlich an (um knapp 15%).

Etwa 13 Prozent aller Bezügerinnen und Bezüger (ca. 125'000 Personen), haben in diesen drei Jahren Leistungen aus mehr als einem System bezogen, teilweise gleichzeitig (9.5 Prozent). Beispielsweise erhielten 21'300 oder 7.4 Prozent der Personen, die eine IV-Rente hatten, gleichzeitig auch eine Leistung der Sozialhilfe. Gründe für einen gleichzeitigen Leistungsbezug liegen vor, wenn die Höhe einer Sozialversicherungsleistung das Existenzminimum nicht abdeckt und deshalb ergänzende Leistungen der Sozialhilfe notwendig sind, beispielsweise bei einer IV-Teilrente oder bei einem tiefen Lohn vor dem Verlust der Arbeitsstelle.

Von allen Personen, die während der Untersuchungsperiode eine Leistung aus dem IAS-System bezogen haben, wechselten rund 8 Prozent mindestens einmal von einem Leistungssystem in ein anderes, aber nur 0.9 Prozent mehr als einmal (Drehtüreffekt). Weitaus am häufigsten waren Übergänge in die Sozialhilfe (knapp 40’000 Personen oder 47% aller Übergänge), zum grössten Teil aus der Arbeitslosenversicherung (rund 38'300 Personen). Ebenfalls häufig kam es umgekehrt zu Wechseln von Sozialhilfe zu Arbeitslosenversicherung (ca. 17'300 Personen) und zu IV-Rente (knapp 12'000 Personen). Nur 548 Personen wechselten von der IV-Rente in die Sozialhilfe.

Die Studie erfasst auch rund 35'000 Personen, deren Gesuch um eine IV-Rente innerhalb der untersuchten Zeitspanne abgelehnt wurde. Rund 10'000 dieser Personen bezogen nach dem negativen IV-Entscheid Sozialhilfe, das sind 4.5 Prozent der erfassten Sozialhilfebezüger. Die Frage, ob die strengere Bewilligungspraxis der Invalidenversicherung Auswirkungen auf andere IAS-Teilsysteme hatte, kann mit dieser rein quantitativen Analyse nicht beantwortet werden. Dazu sind qualitative Vertiefungsstudien und ein längerfristiges Monitoring notwendig.


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