Film 2008 im Kino

(Letzte Änderung 25.11.2008)

Bern, 25.11.2008 - 2008 wird der Marktanteil des Schweizer Films vier Prozent nicht übersteigen, wie die vom Bundesamt für Kultur (BAK) ausgewerteten Zahlen des Schweizerischen Verbands für Kino und Filmverleih ProCinema zeigen. Damit hat der Schweizer Film die Erwartungen des BAK nicht erfüllt. Im Vergleich zu anderen Jahren hat sich das Publikum aber eine breitere Palette Schweizerischer Produktionen angesehen: 14 Produktionen verbuchten je mehr als 10’000 Eintritte. Eine gute Bilanz weist der Dokumentarfilm auf, und in der Westschweiz stiess der Schweizer Film auf grosse Beachtung.

1. 2008 und Schweizer Film: Schwaches Box-Office, gute Sichtbarkeit und Rekord in der französischen Schweiz

Im Box-Office wird 2008 für den Schweizer Film kein grosses Jahr sein. Nach dem letzten grösseren Filmstart dieses Jahres, der Tragikomödie «Happy New Year» von Christoph Schaub zieht das BAK aufgrund von Schätzungen der provisorischen Zahlen von ProCinema eine erste Jahresbilanz des Schweizer Films in den Kinos.

Der Marktanteil von vermutlich kaum mehr als 4% zeigt, dass dieses Jahr die Schweizer Blockbuster gefehlt haben, die 2006 zu einem höchst erfolgreichen Marktanteil von 9% geführt hatten. Mit rund 400'000 Zuschauerinnen und Zuschauern, die sich dieses Jahr einen Schweizer Film im Kino angesehen haben, weist das Jahr 2008 zwar einen Rückgang der «nationalen» Kinobesuche auf, bleibt aber im Schnitt der vergangenen 10 Jahre ein guter Jahrgang.

Trotz fehlendem Zugpferd erlangte der Schweizer Film insbesondere in der französischen Schweiz eine gute Sichtbarkeit. Zu verdanken ist dies einer Rekordzahl von 14 Filmen mit je über 10'000 Eintritten, Spiel- und Dokumentarfilme zusammengenommen. Im Vergleich dazu hatten 2006 nur zehn Filme diese Grenze überschritten. Diese Eintrittszahlen bringen immer auch eine mediale und gesellschaftliche Wirkung einher, was trotz der geringeren Gesamtzahlen die gute Sichtbarkeit unseres diesjährigen Filmschaffens erklärt. Mit beinahe der Hälfte aller «nationalen» Eintritte dieses Jahres haben die Dokumentarfilme stark zu dieser Sichtbarkeit beigetragen. Als Beispiel genannt sei hier der Heimat-Dokumentarfilm «Bergauf, bergab» von Hans Haldimann mit seinen rund 45'000 Eintritten. Die Dokumentarfilmtradition zeigt somit einmal mehr ihre Publikumswirksamkeit.

Ausser mit dem Erfolg dieses Heimat-Dokumentarfilms und der bittersüssen Komödie «Der Freund» von Micha Lewinsky mit 30'000 Eintritten war das Box-Office dieses Jahr vor allem in der Deutschschweiz schwächer. Hingegen ist es in der französischen Schweiz auf einem historischen Hoch. Der Marktanteil hat sich in der Westschweiz in vier Jahren vervierfacht, was zeigt, dass es dem Westschweizer Kino sehr gut geht. Mit seinen rund 140'000 Eintritten in Schweizer Filme wurden in der Romandie zum ersten Mal wieder gleiche Rekordzahlen wie Ende der 1970er-Jahre erreicht. Getragen wird dieser Rekord namentlich von der Tragikomödie «Home» von Ursula Meier und ihren 40'000 Eintritten, flankiert von zwei Dokumentarfilmen «La forteresse» von Fernand Melgar und «Nomad’s land» von Gaël Métroz, die beide über 20'000 Eintritte verzeichnet haben. Damit hat der Westschweizer Film dieses Jahr nicht nur seine Kreativität und Vielfalt unter Beweis gestellt, sondern auch seine Kapazität, sich auf dem Markt zu behaupten.

Trotz des guten Resultats in der Romandie stellt das BAK fest, dass sein Fördersystem verbessert werden muss. Um den aktuellen Defiziten entgegenzuwirken, fehlen dem Schweizer Film jedoch die finanziellen Mittel. Neben der Erhöhung des Filmkredits für das BAK sind auch strukturelle Anpassungen nötig. Bis zum Inkrafttreten der neuen Förderinstrumente 2011 wird das BAK die Unterstützung der Projektentwicklung verstärken, damit die Filmprojekte ausgereift in die Produktion gehen können.


2. 2008 und das Kino im Allgemeinen: Alte Rezepte als Gewinner und einige hübsche Überraschungen

Seit dem Beginn der statistischen Erhebungen des Schweizerischen Verbands für Kino und Filmverleih ProCinema im Jahr 1995 können die Eintrittszahlen als konstant betrachtet werden (seit 1995 zwischen 15 und 16 Mio. pro Jahr). Die stetige Steigerung der Neustarts (von 351 im Jahr 2000 auf über 500 im aktuellen Kalenderjahr) bei konstant steigender Leinwandanzahl (500 im Jahr 2000 / 570 im Jahr 2008) und konstanter Besucherzahl erhöht die Konkurrenz zwischen den Filmen. Im Schnitt kommen wöchentlich neun neue Filme in die Kinos, welche sich behaupten müssen und in Konkurrenz zu den bereits laufenden Filmen stehen. Es wird also zunehmend schwieriger, in der kurzen Dauer, in der die einzelnen Filme gezeigt werden, die Produktionskosten in den Kinos einzuspielen. Folge davon ist eine Verlagerung des Umsatzes hin zur Zweitauswertung über die DVD.

Ausser Konkurrenz scheinen amerikanische Erfolgsmodelle zu laufen, welche die Vormachtstellung im Box-Office unterstreichen: Animationsfilme wie die diesjährigen Filme «Kung-Fu Panda» oder «Wall-E» bestätigen den Trend der letzten vier Jahre, in denen immer ein Animationsfilm die Nummer 1 des Box-Office stellte (2005 «Madagascar», 2006 «Ice Age 2», 2007 «Ratatouille») oder zumindest unter den Top 5 zu finden war. Sequels wie «Indiana Jones 4» (2008), Komödien mit grossen Darstellernamen «Mama Mia» (2008), «Asterix bei den Olympischen Spielen» (2008), stehen in einer Erfolgslinie mit Filmen wie «Pirates of the Caribbean 3», «Harry Potter 5» (2007). Neben den grossen Blockbustern behauptet sich aber auch das innovative amerikanische Independent Kino, welches mit grossen Namen in der Regie sowie unter den Darstellern glänzt. Filme wie «Into the Wild» von Sean Penn, «No Country for Old Men» von den Brüdern Coen finden auch in der Schweiz eine treue Anhängerschaft.

Die grosse Aussnahme unter den Top 5 stellt dieses Jahr die kleine französische Komödie «Bienvenue chez les Ch’tis» dar, welche ohne Stars und grosse Medienkampagne, nur durch Mundpropaganda über 660'000 Zuschauerinnen und Zuschauer in die Kinos lockte. Aktuelle Nummer 1 im nationalen Box-Office, konnte dieser Film die Schweizerinnen und Schweizer über die Sprachgrenzen hinweg begeistern. Gemeinsam mit dem aktuellen James Bond Film «Quantum of Solace» und dem französischen Blockbuster «Asterix bei den Olympischen Spielen» befindet sich «Bienvenue chez les Ch’tis» als einziger Filme aus Europa unter den Top 10. Auch falls «Madagascar 2» diesen Dezember den Trend der beliebten Animationsfilme bestätigt und Platz eins übernehmen wird, bleibt dieser Film aus Frankreich die grosse Überraschung des Box-Office 2008.Einen weiteren Überraschungserfolg konnte die kleine, unabhängig produzierte Komödie «Juno» feiern, die über 120’000 Zuschauer in die Kinos lockte.

Aber nicht nur Komödien oder klassische Filmformate finden in der Schweiz Ihr entsprechendes Publikum. Die hohe Angebotsvielfalt in den Schweizer Kinos fördert die Entdeckung von filmischen Perlen wie den israelischen Animationsfilm «Waltz with Bashir» von Ari Folman, welcher in der Romandie über 17'000 Besucher und wohl auch in der Deutschen Schweiz ab Dezember zahlreiche Zuschauer ins Kino locken wird. Auch der zweite aussergewöhnliche Film, «Gomorra» von Matteo Garrone, konnte 57'000 Zuschauer in seinen Bann ziehen. Der düstere Film nach dem gleichnamigen Bestseller von Roberto Saviano verwischt die Grenzen zwischen Fiktion und Realität.


3. Perspektiven 2009

Die Resultate des Jahres 2008 zeigen, dass es neben den grossen Produktionen der amerikanischen oder französischen Studios im Kino Platz hat für den kreativen und intelligenten Film, auch wenn das Leben der Filme auf den Leinwänden die Tendenz hat, sich für die «anspruchsvolleren» Filme zu verkürzen. Die Angebotsvielfalt des Kinos ist ein Wert, der in der Schweiz hochgehalten wird, was zweifellos eine Chance ist für den Schweizer Film. Wir freuen uns jetzt schon auf 2009 (oder 2010), wenn wir im Kino die neuen Filme unserer Filmemacher sehen können, beispielsweise den Thriller «Sennentunschi» von Michael Steiner, die romantische Komödie «Tandoori love» von Oliver Paulus, den Science Fiction «Cargo» von Ivan Engler, den Krimi «Verso» von Xavier Ruiz, die romantische Komödie «Der grosse Kater» und das sentimentale Drama «Baba’s song» von Wolfgang Panzer, den Krimi «L’infiltré» von Dominique Othenin-Girard, die Komödie «Räuberinnen» von Carla Lia Monti, den Thriller «Das Verhör des Harry Wind» von Pascal Verdosci, den Kunstblockbuster «Pepperminta» von Pipilotti Rist, die romantische Komödie «Tamilische Hochzeit» von Anna Luif, das Psychodrama «Rapport aux bêtes» von Séverine Cornamusaz, die Komödie «Champions» von Riccardi Signorell, den Dokumentarfilm «Get ready to rocksteady» von Staacha Bader, den Dokumentarfilm «Space tourists» von Christian Frei, den Dokumentarfilm «Auf dem Mars leben» von Richard Dindo, den Dokumentarfilm «Bericht einer Mumie» von Peter Liechti, den Krimi von Frédéric Mermoud «Complices», den fantastischen Thriller von Alexandre Iodachescu «L’enfance d’Icare», den Thriller von Lutz Konermann «Der Fürsorger» und den Dokumentarfilm von Dominique Margot «Kel Tamashek».


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Nicolas Bideau, Chef de la Section cinéma OFC, tél. 079 667 69 15


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