Der Bombenanschlag gegen Regierungsrat Stucki im Jahre 1975 war kein Polizeikomplott

Bern, 27.10.2000 - Alt Bundesgerichtspräsident Jean-François Egli hat seine Administrativuntersuchung über den Bombenanschlag im Jahre 1975 gegen den damaligen Zürcher Regierungsrat Jakob Stucki abgeschlossen. Er kommt zum Schluss, dass keinerlei Hinweise auf einen Polizeikomplott oder eine eingeschleuste Agentin vorliegen. Es sind allerdings Ermittlungsfehler vorgekommen und der Untersuchungsbeauftragte findet, dass aus heutiger Sicht gewisse Informationen den Angeschuldigten nicht hätten vorenthalten werden dürfen.

Am 30. März 1999 beauftragte Bundesrat Arnold Koller alt Bundesgerichtspräsident Jean-François Egli mit einer Administrativuntersuchung zur Klärung verschiedener Vermutungen, die von einem Journalisten aufgrund ihm zugespielter Akten geäussert worden waren. Im Vordergrund stand die Vermutung, dass die am 8. Oktober 1975 beim Haus des damaligen Regierungsrats Jakob Stucki detonierte Bombe mit Hilfe oder Duldung der Polizei gelegt worden sei. Zudem sei eine am Anschlag mitbeteiligte Anhängerin des Divine Light Zentrum (DLZ) in Winterthur eine Agentin der Polizei gewesen sei.

Vorgeschichte
Das DLZ besass seit Anfang der Siebzigerjahre zahlreiche Häuser in einem Winterthurer Quartier. Mit vielen Privaten und Behörden war es in Rechtsstreitigkeiten verwickelt, die zu Straftaten eskalierten und mit dem Bombenanschlag gegen Regierungsrat Stucki endeten. Dabei explodierte nur eine von mehreren Bomben . Aufgrund einer Meldung der belgischen Polizei, welche die Übergabe der Bomben in Brüssel überwacht hatte, konnten rasch Anhänger des DLZ als Verdächtige festgenommen werden. Eine Mittäterin wurde anlässlich der Hausdurchsuchung kontrolliert, aber nicht festgenommen. Sie verschwand einige Tage später und ist seither nie mehr aufgetaucht. Das DLZ beschuldigte schon damals die Behörden, sie wollten mit einem Komplott das DLZ zerstören. Am 22. Mai 1979 verurteilte das Bundesstrafgericht mehrere Angeklagte zu Freiheitsstrafen. Seit 1998 wird in einer Artikelserie des erwähnten Journalisten, die sich auf anonym zugespielte Polizeiakten stützt, der Fall wieder aufgegriffen. Dabei sind erhebliche Verdächtigungen auf Unregelmässigkeiten bei den damaligen Ermittlungen erhoben worden.

Administrativuntersuchung und Ergebnisse
Weil Sprengstoffdelikte der Bundesgerichtsbarkeit unterstehen, ermittelte die Zürcher Kantonspolizei im Auftrag der Bundesanwaltschaft. Aus diesem Grund erfolgt die Klärung der aufgeworfenen Fragen in einer Administrativuntersuchung des Bundes. Jean-François Egli hat zahlreiche Personen befragt, darunter die beteiligten belgischen Beamten, und in den Archiven des Bundes und des Kantons Zürich die Akten gesichtet.

Die Administrativuntersuchung hat keine Beweise oder gewichtigen Indizien zutage gebracht, wonach die aufgestellten Thesen von einer Mitwirkung der Polizei am An- schlag oder von der eingeschleusten Agentin wahr sein könnten. Dadurch, dass sich die Lückenlosigkeit der Akten wiederherstellen liess, kann dieses Ergebnis als schlüssig gelten.

Die Untersuchung erstellt als Tatsachen, dass:

  • die Anhänger des DLZ aus eigenem Antrieb die Bomben zu beschaffen suchten, aber dabei in Belgien an einen Informanten der Polizei gerieten, der diese auf die Fährte der übernommenen Bomben setzte;
  • die Zürcher Kantonspolizei über einen geplanten Anschlag informiert wurde, aber aufgrund der erhaltenen Informationen glaubte, er werde erst später erfolgen;
  • die verschwundene DLZ-Anhängerin kein Polizeispitzel sein konnte und dass die unterbliebene Festnahme eine Fahndungspanne war, worauf lange Zeit ernsthaft vergeblich nach ihr gesucht wurde;
  • es keine Hinweise auf Manipulation von Akten gibt; eine Ausnahme bildet , dass der Hinweis auf einen Peilsender nicht in die Verfahrensakten aufgenommen wurde;
  • jedoch Hinweise auf die Aktion der belgischen Beamten nicht zur Kenntnis der Parteien und wahrscheinlich auch nicht des eidgenössischen Untersuchungsrichters und des Bundesstrafgerichts gelangten.

Rechtliche Würdigung
Der Untersuchungsbeauftragte kommt zum Schluss, dass unter Berücksichtigung der heute geltenden Bundesgerichtspraxis, die allerdings seit 1975 einen erheblichen Ausbau der Parteirechte herbeigeführt hat, die Angeschuldigten damals über das einer verdeckten Ermittlung entsprechende Verhalten der belgischen Beamten hätten informiert werden müssen. Das gilt auch für den Umstand, dass nicht alle Bomben in tauglichem Zustand übergeben wurden. Er hält dafür, dass den Angeschuldigten die Möglichkeit hätte geboten werden müssen, diese Tatsachen als zu ihrer Entlastung geeignete Elemente anzurufen.


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