Eröffnungsfeier zur 66. OLMA Schweizer Messe für Landwirtschaft und Ernährung

St. Gallen, 09.10.2008 - Ansprache des Bundespräsidenten Pascal Couchepin

Sehr geehrter Herr Präsident,
Sehr geehrte Ehrengäste,
Sehr geehrte Damen und Herren,

Es ist mir eine Freude, Sie heute im Namen der Landesregierung zur Eröffnung der 66. OLMA begrüssen zu dürfen.

Die OLMA ist ein Fixpunkt, - nicht nur in der Agenda eines Bundespräsidenten.

Für die Ostschweizer Bevölkerung ist ein Oktober ohne OLMA undenkbar. Das ist so, weil es der Messe immer wieder gelingt, eine faszinierende Gesamtschau über die Entwicklungen in der Schweizer Land- und Ernährungswirtschaft zu bieten. Sie setzt jedes Jahr gesellschaftliche, kulturelle und politische Akzente.

OLMA, das heisst probieren, schmecken, degustieren, testen, sich informieren und geniessen.

OLMA, das bedeutet Brücken bauen zwischen Landwirtschaft und Konsumenten, zwischen Tradition und Moderne. Die OLMA verbindet Menschen und Regionen vom Bodensee bis zum Genfersee.

Ganz herzlich begrüssen möchte ich bei dieser Gelegenheit die diesjährigen Ehrengäste aus dem Kanton Waadt, der sich hier mit einer eindrücklichen Sonderschau präsentierten wird.

Wenn sich zwei solche Regionen, wie die Ostschweiz und das Waadtland begegnen; Regionen in denen so zu sagen Milch und Honig fliessen (aber natürlich auch ein bisschen Wein), dann ist das ein Ereignis von schon fast biblischer Tragweite…

Traditionen sind ein wichtiger Bestandteil der Olma. Mit der Messe leben das Brauchtum, die Kultur und die Spezialitäten der Ostschweizer Kantone immer wieder voll auf und werden weiterentwickelt.

So wissen wir heute, dass die berühmteste OLMA -Botschafterin, die Sankt Galler Bratwurst, schon in der Satzung der Sankt Galler Metzgerzunft von 1438 erwähnt wurde.

Seit damals legen die Ostschweizer Metzger grossen Wert auf die Rezeptur. Sie verfügen aber auch über ein „Savoir faire“, das sie von einer Generation zur nächsten weitergegeben haben.

Damit die Sankt Galler Bratwurst auch in Zukunft einzigartig bleibt, kann ich Ihnen heute offiziell ankündigen, dass sie definitiv als geschützte geographische Angabe (GGA) im Bundesregister eingetragen wird (die Beschwerdefrist gegen den Einsprache-Entscheid des Bundesamtes für Landwirtschaft ist vor einigen Tagen ungenützt verstrichen).


Landwirtschaft: Tradition und Weiterentwicklung
Nicht nur die OLMA, auch die Landwirtschaft lebt in grosser Traditionsverbundenheit. Die Herausforderung besteht nun darin, diese Tradition mit zeitgemässen Aspekten zu verbinden und weiterzuentwickeln.

"Tradition ist die Weitergabe des Feuers - nicht die Anbetung der Asche", sagte schon der österreichische Komponist Gustav Mahler.

Agrarfreihandel, weltumspannende Warenströme, globale Märkte – das sind Begriffe, die bei den hiesigen Landwirten verständlicherweise auf Besorgnis, Argwohn und Ablehnung stossen.

Unüberhörbar sind auch die kritischen Töne der landwirtschaftlichen Organisationen, die dem Bundesrat vorwerfen, er würde mit seiner Politik leichtfertig die Existenz unzähliger Schweizer Landwirtschaftsbetriebe aufs Spiel setzen.

Ich versichere Ihnen aber, dass das Ziel des Bundesrates mit der eingeschlagenen Reformpolitik und der weiteren Öffnung der Agrarmärkte nicht ist, die Schweizer Landwirtschaft „ans Metzgermesser“ zu liefern.

Im Gegenteil, der Bundesrat möchte der Landwirtschaft durch seine Politik zu einer nachhaltigen und gesunden Basis verhelfen.

Die Entwicklung der letzten zehn Jahre seit dem Beginn der Umsetzung der neuen Agrarpolitik haben dies bewiesen. Lassen Sie mich einen kurzen Blick darauf werfen, was wir in dieser Zeit erreicht haben.


"Neue" Agrarpolitik: das wurde erreicht
Der Verfassungsauftrag, auf dessen Grundlage das neue Landwirtschaftsgesetz in den neunziger Jahren ausgearbeitet wurde, ist heute unbestritten.

Wir alle, Städter und Landbevölkerung, wollen auch in Zukunft eine sichere Versorgung mit Nahrungsmitteln. Wir wollen unsere natürlichen Lebensgrundlagen erhalten und die Kulturlandschaft gepflegt wissen. Wir wollen, dass auch das Berggebiet und die ländlichen Regionen besiedelt bleiben.

Und wir wollen souverän, also eigenständig darüber entscheiden, mit welchen Mitteln wir diese Ziele erreichen.

Wenn ich mit den Experten spreche, stelle ich fest, dass die Landwirtschaft, dank der neuen Agrarpolitik heute effizienter, näher am Markt und ökologischer ist.

Ich bin mir bewusst dass, dieser Wandel nur dank des grossen Engagements - und manchmal aufgrund von schmerzlichen Opfern - aller Bauernfamilien möglich war.

Wie wichtig eine lokale, naturnahe und ökologische Landwirtschaft unseren Konsumenten ist, zeigt sich am wachsenden Erfolg solcher Produkte auf den Märkten, in den Läden und insbesondere auch bei den Grossverteilern.

Nachhaltige Produktion und hohe Tierschutzstandards haben ihren Preis. Das ist unbestreitbar. Landwirte beklagen sich oft, dass die Produktionsbedingungen hierzulande viel strenger sind, als in der europäischen Union; dass es deshalb für sie unmöglich ist, mit ihren europäischen Kollegen zu konkurrieren.


Qualität als Standortvorteil
Sie dürfen aber nicht vergessen, wie wichtig unsere hohen Produktionsstandards als Qualitätsgarantie und damit als Standortvorteil sind.

Nehmen Sie als Beispiel die Uhrenindustrie. Vor 30 Jahren hat auch sie über die billige Konkurrenz aus dem Ausland geklagt. Die vorherrschende Meinung war damals, dass es unmöglich sei, aufgrund der hohen Produktionskosten in der Schweiz zu bestehen.

Was ist geschehen? Einige sagen, es war ein Wunder... Nein, es war kein Wunder! Es war die Rückbesinnung auf drei Stärken, die unser Land stets charakterisiert haben. Tradition, Innovationskraft und insbesondere Qualität.

Auch heute noch sind Schweizer Uhren viel teurer als ausländische. Sogar eine Swatch kostet fünf- oder gar zehnmal mehr als eine Plastikuhr aus Asien.

Trotzdem blüht die Uhrenindustrie hierzulande, wie nie zuvor. Die Swatch ist auch nach 25 Jahren ein Verkaufsrenner. Sie ist sogar zum Inbegriff von „Swissness“ geworden.

Sie werden mir sagen, aber was hat die Uhrmacherei mit der Milch-, der Getreidewirtschaft oder gar mit dem Gemüseanbau zu tun?

Die gleichen Elemente, Tradition, Qualität und Innovationskraft können auch unserer Landwirtschaft helfen, sich in Zukunft gegenüber anderen Ländern abzuheben und durchzusetzen.

Denken Sie nur an den Skandal um die verseuchte Milch in China. Dieser hat die Nachfrage nach Schweizer Milchpulver im Ausland sprunghaft ansteigen lassen.

Konsumenten wollen sicher sein, dass die Nahrungsmittel, welche sie verspeisen, keine Risiken bergen und gesund sind. Sie wollen wissen unter welchen Bedingungen sie produziert wurden. Dies ist nicht nur der Fall in der Schweiz. Wenn die Schweizer Landwirtschaft sich frühzeitig darauf einstellt, werden sich ihr ganz neue Märkte öffnen, davon bin ich überzeugt.

Das können wir aber nur erreichen, wenn die Qualitätsstandards in unserem Land hoch bleiben. Wenn der Konsument genau weiss, wo, wann, von wem und wie ein Nahrungsmittel hergestellt wurde.


Innovation und Wiederentdeckung
Qualität ist ein Aspekt - Innovation und Traditionsverbundenheit sind die beiden anderen.

Unter Innovation verstehen wir oft nur die Suche nach Neuem. Auch in der Landwirtschaft ist diese Form der Innovation allgegenwärtig. Besseres Saatgut, moderne Anbau- und Tierhaltungsmethoden sowie neue Produkte, erlauben es ihr, notwendige Effizienz-Steigerungen zu erzielen.

Innovation kann – ja soll – aber auch in der Wiederentdeckung liegen. Wiederentdeckung von Verschwundenem oder längst Vergessenem.

Letzten Monat habe ich in Bern an der Eröffnung der Genusswoche (la semaine du goût) teilgenommen. Dabei ist mir aufgefallen, wie sehr die saisonale Küche, regionale Spezialitäten und Nischenprodukte wieder gefragt sind.

Mein Heimatkanton, das Wallis, hat mit dem Wiederanbau von urtümlichen aber hochstehenden Rebsorten einen einschlagenden Erfolg. Tomatenbauern im Mitteland haben die „Berner Rose“ wiederentdeckt. Und in der Ostschweiz hat z.B. der Rheintaler Ribelmais als kulinarische Spezialität viele neue Freunde gewonnen. Er hat sogar als erstes landwirtschaftliches Erzeugnis in der Deutschschweiz eine geschützte Ursprungsbezeichnung (AOC) erworben. Dies jedoch, nachdem er bis zum Anfang der neunziger Jahre fast ganz in Vergessenheit geraten war.

Es gibt viele andere solche Erfolgsbeispiele….

Die kulinarische Globalisierung, war eine treibende Kraft der letzten Jahrzehnte. Sie hat zwar zur grossen Vielfalt an europäischen und exotischen Produkten beigetragen, die heute für uns selbstverständlich ist. Sie hat aber manchmal auch zur Verwischung von lokalen Eigenheiten und kulinarischen Traditionen geführt.

Zum Glück findet heute eine Wiederentdeckung dieser Traditionen statt, nicht zuletzt aufgrund des verstärkten Wettbewerbs, der die hiesigen Produzenten gezwungen hat, nach neuen Nischen zu suchen. Eine Wiederentdeckung, die oft auch mit einer Weiterentwicklung verbunden ist.

Jahrhundertealte Traditionen werden mit neusten wissenschaftlichen Erkenntnissen und Technologien qualitativ noch verbessert.

Wir verdanken diese Entwicklung insbesondere dem grossen Engagement von innovativen und hartnäckigen Pionieren.

Pionieren, die frühzeitig erkannt haben, dass die Zukunft der Schweizer Landwirtschaft nicht im subventionierten Massenanbau liegen kann, sondern in der Weiterentwicklung von traditionsreichen Qualitätsprodukten.

Sie sehen, was ich vorhin mit der „Weitergabe des Feuers“, gemeint habe.

Ich möchte mich an dieser Stelle, bei all den Pionieren dafür bedanken, dass sie namhaft zum Wiedererstarken von kulinarischer Tradition und Innovation in diesem Land beigetragen haben.

Zum Erfolg gehört aber immer auch die Vermarktung. Die Einführung der geschützten Ursprungsbezeichnungen und geographischen Angaben hat viel dazu beigetragen, dass die Traditionsprodukte unserer Landwirtschaft für die Konsumenten im Inland und im Ausland sichtbar und erkennbar geworden sind.

Diese Qualitätsbezeichnungen haben sich bewährt. Ihre strengen Standards erhöhen den Marktwert der Produkte. In gewissen Bereichen kann das Angebot die Nachfrage kaum decken.

Trotzdem sind Ursprungsbezeichnungen und geografische Angaben noch nicht so weit verbreitet, wie man sich das wünschen könnte. Deshalb hoffe ich, dass sich in Zukunft noch viele weitere Produkte für diese „Labels“ bewerben werden.


Neue Herausforderungen
Sie sehen, ich bin optimistisch für unsere Landwirtschaft. Ich bin optimistisch, weil ich grosses Vertrauen, in unsere Bauern und Bäuerinnen habe, dass sie bereit sind, sich den zukünftigen Herausforderungen zu stellen.

Diese Herausforderungen dürfen natürlich nicht unterschätzt werden. Eine weitere Marktöffnung wird in den nächsten Jahren kaum zu umgehen sein, - ob aufgrund eines Freihandelsabkommens mit der EU oder im Rahmen der WTO.

Mit seinem Entscheid, Verhandlungen mit der EU aufzunehmen, möchte der Bundesrat den Entwicklungen zuvorkommen und diese steuern.

Wenn wir stehen bleiben, dann werden wir vom Lauf der Dinge überrannt! - Wir können uns am besten positionieren, wenn wir das Tempo selber bestimmen, - nicht unter Zug- oder Zeitzwang entscheiden müssen!

Der Käsefreihandel mit der EU ist dafür ein gutes Beispiel. Trotz den Befürchtungen, die diese Marktöffnung vor ein paar Jahren hervor gerufen hat, haben sich die Schweizer Käseproduzenten behaupten können. Sie haben sich sogar neue Märkte in Europa erobert und damit ihren Absatz erhöht.

Dieses Beispiel ist ermutigend. Zeigt es doch, dass ein Wandel - wenn er schrittweise vollzogen und mit den entsprechenden Begleitmassnahmen abgefedert wird - den hiesigen Produzenten neue und ungeahnte Perspektiven eröffnen kann.

Dass Sie den notwenigen Mut, die Offenheit und das Unternehmertum besitzen, haben Sie in den letzten Jahren bereits bewiesen.

Ich fordere Sie somit auf, den eingeschlagenen Weg weiterzugehen. Sie brauchen sich nicht zu verstecken, solange Sie sich auf Ihre ureigenen Stärken besinnen. Ich bin überzeugt, dass eine innovative, konsumentennahe und qualitativ hochstehende Landwirtschaft auch in Zukunft in diesem Land Erfolg haben kann.

Ich möchte Ihnen allen nochmals für Ihr grosses Engagement danken und wünsche Ihnen eine erfolgreiche und genussvolle OLMA.


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Eidgenössisches Departement des Innern
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