Die Schweiz beteiligt sich an der 11. Internationalen Architekturausstellung in Venedig mit vier Fallstudien zur Architekturforschung

Bern, 04.09.2008 - 11. Internationale Architekturausstellung in Venedig, 14. September bis 23. November 2008: Auf Vorschlag der Eidgenössischen Kunstkommission vertreten vier Professuren der Architekturfakultäten der Eidgenössischen Technischen Hochschulen in Lausanne und Zürich die Schweiz an der 11. Internationalen Architekturausstellung in Venedig. In der vom Architekten Reto Geiser kuratierten Ausstellung EXPLORATIONS: Teaching, Design, Research liefert der Schweizer Pavillon auf dem Gelände der Biennale in Venedig vielfältige Einblicke in das Spannungsfeld zwischen Entwurfslehre und Forschung.

EXPLORATIONS – DIE AUSSTELLUNG

Das Ziel der Ausstellung im Schweizer Pavillon ist eine nachhaltige Auseinandersetzung mit der Bedeutung von Forschung in der gestalterisch-technischen und angewandten Disziplin des architektonischen Entwurfs. Für einen Begriff, der nach wie vor unscharf definiert ist, sollen mögliche Definitionen und Interpretationen präsentiert und zur Diskussion gestellt werden. Der Schweizer Pavillon zeigt zunächst, wie wenig produktiv die übliche Unterscheidung in Grundlagenforschung und angewandte Forschung im Zusammenhang mit dem architektonischen Entwurf steht. Er setzt an ihre Stelle die Begriffe Methodik, Netzwerke, Didaktik und Technologie. Architekturforschung bezieht ihr Potenzial nicht aus der Begrenzung auf konzise Problemstellungen, sondern aus der Assoziation von Wissensfeldern, die keinen akademischen Konventionen folgt. Technik und Geisteswissenschaften begegnen dabei praxisbezogenen, heuristisch-gestalterischen Herangehensweisen. Sie erfahren ihre Verdichtungen und Erweiterungen im Entwurf. Dieser wird so zum Forschungsutensil, das amalgamiert, was normalerweise voneinander getrennt bleibt.

Der Schweizer Pavillon thematisiert essenzielle Brennpunkte architektonischer Reflektion, indem er auf die Auseinandersetzung und Komplexität räumlicher, organisatorischer sowie produktionstechnischer Dynamiken fokussiert, die den Diskurs der Disziplin charakterisieren. Anhand von ausgewählten Fallstudien aus den beiden Eidgenössischen Technischen Hochschulen in Lausanne und Zürich beschreibt die Ausstellung vier unterschiedliche Konzepte der angewandten Entwurfsforschung und zeigt auf, was erreicht werden kann, wenn Unterricht als Forschungsanlage verstanden wird. Die ausgestellten Inhalte erlauben es, Eigenheiten und Potenziale der Architekturforschung kritisch zu befragen und so Positionen zu formen oder zu akzentuieren. Sie laden dazu ein, Diskussionsräume zu eröffnen und Perspektiven zu weiten. Die in Zusammenarbeit mit Angelus Eisinger entwickelte Video-Installation „Stop Making Sense" zeigt anhand von thematisch organisierten Sequenzen, wie die verantwortlichen Professoren die Arbeiten ihrer Forschungsteams charakterisieren, die Potenziale von Forschung durch Entwurf erörtern und im Kontext der zeitgenössischen Architektursituation verorten.

Das lapa (Laboratoire de la production d’architecture) von Harry Gugger in Lausanne beschäftigt sich anhand konkreter städtischer Situationen mit den Determinanten und Optionen der architektonischen Produktion. So umfasst es alle Phasen architektonischen Arbeitens: vom umfassenden Verstehen des urbanen Alltags bis zum Entwurf und seiner baulichen Umsetzung. Forschung besteht also in der Integration der systematisch erworbenen Kenntnisse in das entwerferische Arbeiten und seine bauliche Konkretisierung.

Das Labor ALICE (Atelier de la conception de l’espace) um Dieter Dietz situiert sich im Feld der Interaktionen zwischen digitalen und analogen Manifestationen des architektonischen Entwurfs. Die Gruppe fokussiert dabei auf das Moment des Lernens als Konsequenz des Machens. Die wiederholte Konfrontation der so generierten Modelle mit alternativen Raumverständnissen erweitert über die Zeit die architektonische Expressivität und konfrontiert sie gleichzeitig mit ihrem Kontext.

Das MAS UD (Master of Advanced Studies in Urban Design) unter der Leitung von Marc Angélil beschäftigt sich mit dem urbanen Alltag der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba. Ausgehend von einem heuristischen Verständnis von Städtebau legt es in mehreren Iterationen die lokalen Produktionsprozesse urbaner Raumwirklichkeiten frei. Die vor Ort gewonnenen Einsichten verdichteten sich zu einem Verständnis für kontextuelle Bedingtheiten von Planung, die eine Reichweite weit über den konkreten Untersuchungsort hinaus besitzen.

Das Studio von Gramazio & Kohler, Architektur und Digitale Fabrikation schliesslich befasst sich mit den Auswirkungen digitaler Technologien auf den architektonischen Entwurf. Im Zentrum der Untersuchung steht eine durch ein Wechselspiel von digitalen und materiellen Prozessen in Veränderung begriffene Materialität von Architektur. Digitale Technologien verkürzen die Distanz zwischen Entwerfen und Bauen und verankern dadurch Technik und Produktion im unmittelbaren Einflussbereich des entwerfenden Architekten.

Die Ausstellungsarchitektur

Eine über 100 Meter lange, Raum bildende Backsteinwand strukturiert die vier thematischen Bereiche der Ausstellung EXPLORATIONS. Die Installation Structural Oscillations lag in den Händen von Fabio Gramazio und Matthias Kohler und ihrer Professur für Architektur und Digitale Fabrikation an der ETH Zürich. Dieses Bauelement, das durch seine Materialität und räumliche Konfiguration in direkte Beziehung zum bestehenden Pavillon tritt, macht die unmittelbar physische Facette aktueller Architekturforschung greifbar. Der vollständig am Computer programmierte Entwurf wurde durch die mobile Roboteranlage R-O-B vor Ort in Venedig errichtet.

EXPLORATIONS IN ARCHITECTURE – DAS BUCH

Aus Anlass der Teilnahme der Schweiz an der diesjährigen Internationalen Architekturausstellung in Venedig bringt das Bundesamt für Kultur das Buch EXPLORATIONS IN ARCHITECTURE Teaching, Design Research im Birkhäuser Verlag heraus. Es erscheint in englischer Sprache. Die wichtigsten Beiträge sind in deutscher, französischer, italienischer und rätoromanischer Sprache auf der Webpräsenz www.explorationsinarchitecture.ch abrufbar. Die Publikation vereinigt Aufsätze von Bruno Latour, Sanford Kwinter, Rolf Pfeifer, Georges Teyssot, Angelus Eisinger und anderen. Zwölf Fallstudien zur Architekturforschung im 20. Jahrhundert berichten über den historischen Hintergrund des Ausstellungsthemas. Die vier in der Ausstellung vertretenen Entwurfsstudios der Eidgenössischen Technischen Hochschulen in Lausanne und Zürich stellen ihre wichtigsten aktuellen Arbeiten detailliert in Wort und Bild vor.

Ein Bildessay des Fotografen Maris Mezulis liefert Einblicke in die Forschungslabors der ETH-Standorte Lausanne und Zürich und zeigt die Ausstellungsarchitektur im Schweizer Pavillon.

EXPLORATIONS IN ARCHITECTURE: Teaching, Design, Research

Herausgegeben vom Bundesamt für Kultur/Reto Geiser, 216 Seiten, 32,4 x21,6 cm, ca. 370 meist farbige Abbildungen, Birkhäuser Verlag Basel/Boston/Berlin, ISBN 978–3–7643–8921–5, € 29,90/SFr 49,90

EXPLORATIONS IN ARCHITECTURE – DIE SYMPOSIEN

Begleitend zur Ausstellung finden in Zusammenarbeit mit den beteiligten Hochschulen und weiteren Partnerinstitutionen Symposien in Venedig, Lausanne, Delft, Basel, Zürich, Bern und Hamburg statt. Eine weiterführende Debatte zu Fragen der Forschung im architektonischen Entwurf soll damit einerseits zurück an die beiden Hochschulen gebunden und andererseits im Dialog mit anderen Universitäten und einer breiteren Öffentlichkeit diskutiert werden. Detaillierte Informationen zum Begleitprogramm finden sich sind auf der Webpräsenz des Projekts: www.explorationsinarchitecture.ch

EXPLORATIONS – Venedig 2008

Die 11. Internationale Architekturausstellung findet von Sonntag, 14. September 2008 bis Sonntag, 23. November 2008 in Venedig statt. Vertreterinnen und Vertreter der internationalen Medien sind am Donnerstag, 11., Freitag, 12. und Samstag, 13. September 2008 zu einer Vorbesichtigung eingeladen.

Das Bundesamt für Kultur zeichnet für Organisation, Durchführung und Finanzierung des offiziellen Beitrags der Schweiz verantwortlich. Es beauftragte den Basler Architekten Reto Geiser, die Ausstellung zu kuratieren und umzusetzen. Reto Geiser (*1976) beschäftigt sich schwerpunktmässig mit moderner Architektur und dem zeitgenössischen Diskurs über Architektur und Städtebau. Er studierte an der ETH Zürich und der Columbia University in New York. Als William Muschenheim Fellow unterrichtete er Architektur und Entwurf an der University of Michigan (USA). Reto Geiser ist Mitbegründer des Büros Research and Development, das sich mit Designstrategien im Spannungsfeld von Architektur, Installation und visueller Kultur beschäftigt, und schuf das Diskussionsforum STANDPUNKTE für den kritischen Austausch zwischen jungen Vertretern aus Architektur, Theorie und Kunst.

Verantwortlicher Kommissär für den Schweizer Beitrag an der 11. Internationalen Architekturausstellung in Venedig ist Urs Staub, Chef der Sektion Kunst und Design im Bundesamt für Kultur.


Adresse für Rückfragen

Urs Staub, Chef der Sektion Kunst und Design, BAK
T. +41 31 322 92 790
T. für die Medien +41 79 746 33 37
E-Mail: urs.staub@bak.admin.ch

Reto Geiser, Kurator
T. für die Medien +41 77 467 12 00
E-Mail: media@explorationsinarchitecture.ch


Herausgeber

Bundesamt für Kultur
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https://www.admin.ch/content/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-21150.html