Gentech-Freisetzung: BUWAL lehnt Gesuch der ETH ab: Schadenpotenzial nicht abschätzbar

Bern, 20.11.2001 - Das Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) lehnt das Gesuch der ETH Zürich für einen Freisetzungsversuch mit gentechnisch verändertem Weizen ab. Der geplante Versuch in Lindau (ZH) entspricht nicht den Anforderungen, die an Freisetzungen gestellt werden. Zu diesem Schluss ist das BUWAL nach eingehender Prüfung des Sachverhalts gekommen. Im weiteren will das BUWAL die Sicherheit von Versuchen mit gentechnisch veränderten Pflanzen in Vegetationshallen und Gewächshäusern erhöhen.

Aufgrund des heutigen Wissensstands sind mögliche Gefahren für Mensch und Umwelt nicht abzuschätzen. Dies ist der zentrale Grund, weshalb das BUWAL das Gesuch des Instituts für Pflanzenwissenschaften der ETH Zürich ablehnt, im zürcherischen Lindau transgenen Weizen mit dem so genannten Killerprotein KP4 zu Versuchszwecken freizusetzen. Ziel des Versuchs ist es, unter Freilandbedingungen die Resistenz dieses Weizens auf den Pilz “Stinkbrand” zu prüfen.Das Schadenpotenzial, das vom transgenen Weizen ausgeht, ist nicht abzuschätzen, weil wichtige Informationen fehlen:

  • Die molekulare Beschreibung der gentechnisch veränderten Pflanzen ist ungenügend und oberflächlich. Es ist nicht bekannt, wieviele Sequenzen gentechnisch integriert worden sind, und die Abfolge der eingebrachten DNA für das “Killer-Protein” ist nicht vollständig beschrieben. Auch ist nicht untersucht worden, in welchen Konzentrationen das KP4-Protein in den verschiedenen Pflanzenteilen vorliegt. Dies macht es unmöglich abzuschätzen, welche Organismen dem KP4-Protein überhaupt ausgesetzt sind und in welchem Mass.
  • Die Wirkungsbreite des KP4-Proteins ist umstritten: Es liegen verschiedene Aussagen vor, die das Protein einmal als sehr spezifisch, ein anderes mal als breit wirksam gegenüber einer Vielzahl von Pilzen beschreiben. Zudem ist seine Verbreitung in der Umwelt nicht bekannt; die ETH als Gesuchstellerin hat dazu keine Angaben gemacht.
  • Darüber hinaus fehlen vorgängige Untersuchungen zu Nebenwirkungen des KP4-Proteins und des KP4-Weizens auf Nützlinge oder andere wichtige Nicht-Zielorganismen bzw. es liegen nur sehr vorläufige Daten vor, so dass es zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich ist, ökologische Auswirkungen abzuschätzen.

Gegen den Freisetzungsversuch spricht zudem die Tatsache, dass die Pflanzen ein Resistenzgen gegen das Antibiotikum Ampicillin enthalten. Dieses wird auch in der Humanmedizin verwendet – die weitere Verbreitung einer Resistenz gegenüber diesem Wirkstoff ist also unbedingt zu verhindern. Hinzu kommt, dass der Einsatz solcher Resistenzgene nicht mehr dem heutigen Stand von Wissenschaft und Technik entspricht und für den Versuch als solches eigentlich gar nicht nötig wäre.

Im weiteren ist der Umstand zu beachten, dass nach Angaben des Institutes für Pflanzenwissenschaften Brandpilze an Getreide bei uns heute selten vorkommen und aufgrund anderer Bekämpfungsmethoden kaum mehr eine Rolle spielen. Mensch und Umwelt sollten nach Meinung des BUWAL aber nicht einem unbekannten Produkt ausgesetzt werden, das offenbar nicht benötigt wird.

Vergleichsweise sichere Versuchsanordnung, aber...

All diese Überlegungen haben dazu geführt, dass das BUWAL das Gesuch trotz einer vergleichsweise gut abgesicherten Versuchsanordnung ablehnt. So geht es um eine kleinräumige Freisetzung: Auf einer 90 Quadratmeter grossen Versuchsfläche möchte die ETH auf acht Quadratmetern transgenen Weizen anpflanzen. Begleitende Massnahmen sind für die Sicherheit vorgesehen: Dazu gehören eine Abdeckung der Parzellen mit pollendichten Zelten, die während der Blühphase eine Auskreuzung verhindern sollen, sowie tägliche Kontrollen und eine lange Nachbeobachtungszeit.

Aufgrund dieser Umstände hält das BUWAL die Wahrscheinlichkeit, dass eine mögliche Gefahr tatsächlich eintritt, für gering. Da die Auswirkungen auf das Ökosystem – und insbesondere das Bodenökosystem – aber selbst bei einem lediglich acht Quadratmeter grossen Versuchsfeld aufgrund mangelnder Daten nicht abschätzbar sind, kann diese geringe Wahrscheinlichkeit für die abschliessende Bewertung nicht massgebend sein. Hinzu kommt, dass der Erkenntnisgewinn für die Biosicherheit aus dem Versuch beschränkt ist, da die geplanten Sicherheitsfragen nicht im Zentrum des Versuchs stehen.



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