Schwerwiegende Indiskretionen sollen strafbar bleiben; Bundesrat spricht sich für die Revision von Artikel 293 StGB aus

Bern, 07.05.2008 - Die Bestimmung, welche die Veröffentlichung geheimer Dokumente unter Strafe stellt, soll nicht aufgehoben, sondern revidiert werden. Der Bundesrat will auf diese Weise Lücken im Geheimnisschutz vermeiden und zugleich Artikel 293 des Strafgesetzbuches besser auf die Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ausrichten. Er beantragt deshalb dem Parlament, die Motion für die Aufhebung von Artikel 293 StGB abzulehnen.

Der Meinungsäusserungsfreiheit kommt in unserer Gesellschaft grosse Bedeutung zu, doch dieses Grundrecht gilt nicht absolut, führt der Bundesrat in seiner am Mittwoch veröffentlichten Stellungnahme aus. In ihrem Urteil vom 10. Dezember 2007 hat die Grosse Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte festgehalten, die gestützt auf Artikel 293 StGB erfolgte Verurteilung eines Journalisten zu einer Busse verstosse nicht gegen den Grundsatz der Meinungsfreiheit. Dieses Urteil zeigt nach Ansicht des Bundesrats, dass sich die Veröffentlichung wesentlicher Geheimnisse durchaus im Einklang mit der Europäischen Menschenrechtskonvention ahnden lässt. Gleichzeitig machen die Urteilserwägungen deutlich, dass die bundesgerichtliche Auslegung von Artikel 293 StGB kaum haltbar ist: Die Gerichte müssen den Inhalt der vertraulichen Informationen berücksichtigen und eine Interessensabwägung vornehmen, um festzustellen, ob eine Verurteilung berechtigt ist.

Lücken im Geheimnisschutz vermeiden

Die weiteren Strafnormen betreffend die Veröffentlichung von Geheimnissen decken nicht den gleichen Geltungsbereich wie Artikel 293 StGB ab. Dessen Aufhebung hätte daher Lücken im Geheimnisschutz zur Folge, gibt der Bundesrat zu bedenken. So wären Informationen über innenpolitische Angelegenheiten oder aus laufenden Verfahren nur noch durch Artikel 320 StGB geschützt (Verletzung des Amtsgeheimnisses). Zudem ist ungewiss, ob die Artikel 179 ff. StGB sowie die zivilrechtlichen Bestimmungen zum Schutz der Persönlichkeit ausreichen, um Personen vor der Verbreitung sie betreffender Informationen zu schützen.

Der Bundesrat fasst eine Revision von Artikel 293 StGB ins Auge, um diese Bestimmung besser auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte auszurichten und damit die Rechtssicherheit zu erhöhen. Er wird gleichzeitig prüfen, ob auch eine Revision von Artikel 267 StGB (Diplomatischer Landesverrat) bzw. dessen Zusammenlegung mit Artikel 293 StGB angebracht ist.


Adresse für Rückfragen

Bundesamt für Justiz, T +41 58 462 48 48, media@bj.admin.ch


Herausgeber

Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement
http://www.ejpd.admin.ch

Bundesamt für Justiz
http://www.bj.admin.ch

https://www.admin.ch/content/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-18609.html