Science et économie – le rôle de la politique

Genf, 31.03.2008 - Bundesrätin Doris Leuthard | Rencontre 2008 de la Faculté des sciences | “Science et économie”

Ich bedanke mich für die Einladung und freue mich, Ihnen die Rolle der Politik im Spannungsfeld von Wissenschaft und Wirtschaft darlegen zu können. Aus volkswirtschaftlicher Sicht habe wir ein Interesse daran, dass diese drei Bereiche nicht aus dem Gleichgewicht fallen.

Denn Wissenschaft, Wirtschaft und Politik sind als eigentliches Dreibein zu betrachten. Keines der drei Beine darf geschwächt werden. Grundvoraussetzung dafür ist die Forschungsfreiheit. Sie garantiert, dass wir unsere weltweit anerkannte hohe Qualität in Forschung und Entwicklung in den Hochschulen und in den Unternehmen halten können. Forschungsfreiheit gedeiht aber nur in einem offenen gesellschaftlich-politischen Umfeld. Verwaltungstechnische Hürden oder Technologieängste in der Bevölkerung engen dagegen die Freiheit der Forscher unnötig ein. Diese setzt voraus, dass sich die Forscher einerseits dem Dialog mit der Öffentlichkeit stellen und nicht abgeschirmt im Elfenbeinturm arbeiten.

Anderseits müssen alle Player die ihnen zugedachte Verantwortung übernehmen, um diese Balance zu halten.

Das heisst:

  • Die Politik muss die Forschungsfreiheit hochhalten, gleichzeitig aber auch für eine Koordination und Förderung der Hochschulen sorgen.
  • Die Wissenschaft muss die ihr zur Verfügung stehenden Mittel effizient einsetzen, sich an den wirtschaftlichen Realitäten orientieren und Forschung nicht nach dem Prinzip „l'art pour l'art" betreiben.
  • Die Wirtschaft muss engere Kontakte zu Wissenschaft und Forschung knüpfen; flexible Wege suchen, damit die Erkenntnisse der Forscher schneller zu marktfähigen Produkten oder Dienstleistungen werden.

Es ist für mich unbestritten: die Forschungsfreiheit sowie die Autonomie der Hochschulen wird nicht angetastet. Zwar würden wir etwa beim Angebotsportfolio einer Universität und der Mittelzuteilung Schwerpunkte bilden. Ansonsten aber sollten wir der Autonomie nachleben. Denn es kommt immer wieder vor, dass zufällig aus einem Forschungsprojekt unerwartete neue, sensationelle Erkenntnisse resultieren. Diese Chancen dürfen wir uns nicht mit Vorschriften verbauen.

Weder die Politik noch eine Universitätsleitung können vorausschauend entscheiden, welche Forschung zu welchen Resultaten führen kann.

Einen ähnlichen Freiraum haben auch die Studierenden bei der Auswahl des Studienfachs.

Das führt dazu, dass

  • sich viele Jugendliche von den Geistes- und Sozialwissenschaften angesprochen fühlen,
  • es viele Jugendliche zu den wirtschafts- und finanzwissenschaftlichen Fächern zieht,
  • sich aber nach wie vor wenige Jugendliche für ein naturwissenschaftliches Studium interessieren - bei Physikern, Chemikern, Informatikern oder Ingenieuren haben wir einen Fachkräftemangel, wir müssen sie im Ausland rekrutieren. Auch hier sollten wir nicht mit Quoten oder ähnlichen Restriktionen lenken. Vielmehr sollten wir die Wahl mit Anreizen fördern und so mehr Begeisterung bei den Jugendlichen wecken.

Meine Damen und Herren, ich rede hier nicht einer nach streng wirtschaftlichen Kriterien ausgerichteten Bildung das Wort. Zwar brauchen wir ein Bildungs- und Wissenssystem, das unseren Nachwuchs mit dem auf die Anforderungen der Arbeitswelt nötigen Fachwissen ausstattet.

Wichtig ist neben der Fachausbildung jedoch auch die humanistische Bildung. Denn es sind immer mehr die so genannten Soft Skills wie Disziplin, Motivation, sprachliche Kompetenzen oder Teamfähigkeiten, die emotionale Intelligenz, die heute neben dem Fachwissen gefordert werden. In meinen Kontakten zu vielen Unternehmen wird das immer deutlicher. Sie Wissen aneignen ist nicht all zu schwer, ja wird vorausgesetzt. Die grossen interdisziplinären Herausforderungen der Zukunft aber kann nur bewältigen, wer neben fachtechnischem Know-how, Führungsqualitäten auch über die erforderliche Menschenbildung verfügt.Diesen Idealzustand anzustreben bedarf keiner staatlich gelenkten Bildungspolitik mit Quoten oder anderen Vorschriften.

  • Wir brauchen eine Jugend, die sich für naturwissenschaftliche Fächer, für Biologie, Chemie aber auch für Mathematik begeistern lässt.
  • Wir brauchen Unternehmer, die keine Berührungsängste zur Wissenschaft haben.
  • Wir brauchen Politiker die ein forschungsfreundliches Klima schaffen und Hürden ab- statt aufbauen.
  • Wir wollen Begeisterung wecken; in diesem Jahr mit dem Jahr der Informatik und mit besonderen Projekten für Technologie und Innovation.

Um das Dreibein „Wissenschaft-Wirtschaft-Politik" in der Balance zu halten, braucht es aber doch einen gewissen steuernden Einfluss der Politik. Dies wollen Bund und Kantone mit dem geplanten Gesetz über die Förderung der Hochschulen und die Koordination im schweizerischen Hochschulbereich sicherstellen. Eine solche engere Abstimmung zwischen den Trägern und der öffentlichen Hand ist nötig, weil

  • der Wettbewerb unter den Hochschulen zugenommen hat,
  • die Mobilität der Studierenden zu einem immer wichtigeren Faktor wird,
  • unser exzellenter Forschungsplatz im internationalen Vergleich unter Druck gerät.

Das sind für mich wichtige Gründe, den Hochschulraum Schweiz neu zu regeln. Deshalb braucht es eine Förderung der Hochschulen und es braucht eine Koordination im gesamten schweizerischen Hochschulraum.

Unter Koordination verstehen wir

  • erstens, die Definition und Umsetzung gemeinsamer Ziele,
  • zweitens, eine strategische Planung,
  • drittens, eine Aufgabenteilung in kostenintensiven Bereichen wie Medizin, Hochtechnologie oder Spitzenforschung. Angestrebt wird eine Bereinigung der verschiedenen Angebote in den kostenintensiven Bildungsbereichen. Es macht wenig Sinn, wenn im kleinen Bildungsraum Schweiz jeder alles anbietet,
  • viertens, die Qualitätssicherung und
  • fünftens, die gemeinsame Ermittlung des Finanzbedarfs über alle Hochschulen und Hochschulinstitutionen.

Die gemeinsame Ermittlung des Finanzbedarfs ist ein Kernstück der Planung und bildet die Brücke zur Förderung der Hochschulen. Sie stellt sicher, dass:

  • die Ziele und die finanziellen Mittel in Einklang sind;
  • Bund und Kantone über die notwendige Planungssicherheit verfügen und
  • die Kosten transparent gemacht werden.

Das Verhältnis zwischen Wissenschaft und Wirtschaft kann dann positiv beeinflusst werden, wenn wir gleichzeitig die Durchlässigkeit und Mobilität zwischen und innerhalb der universitären Hochschulen und der Fachhochschulen anstreben. Ungerechtfertigte Schranken zwischen den einzelnen Hochschulstufen müssen abgebaut werden.

Denn Wettbewerb zwischen den Studienstufen und zwischen den Hochschulen fördert die Qualität. Gesamtschweizerische Regelungen sind eine Grundvoraussetzung für die internationale Mobilität unserer Studierenden und unserer Forscher. Mit all diesen Massnahmen wollen wir auch erreichen, dass Wissenschaft und Wirtschaft, Forschung und Praxis einfach zueinander finden. Denn wissenschaftliche Exzellenz und wirtschaftlicher Nutzen fördern sich gegenseitig. Denn heute kann keine Institution im Alleingang Fortschritte in Bildung, Wissenschaft und Technologie erzielen. Die weltweite wissenschaftliche Entwicklung ist vielmehr von Interdependenz, Kooperation und Wettbewerb geprägt. Lehre und Forschung sind Bereiche, in denen die Globalisierung am weitesten fortgeschritten ist. Und in der Schweiz haben wir in den letzten Jahren schon viel erreicht. Die Zahlen belegen es: Rund 17% aller Studierenden stammen aus dem Ausland, mehrheitlich aus Europa, und mehr als ein Drittel der Professorinnen und Professoren sowie mehr als die Hälfte der Post-Docs stammen ebenfalls aus Europa.

In diesem Umfeld sind meine Erwartungen an Wissenschaft und Wirtschaft klar:Ich erwarte, dass die Kontakte zwischen Forschung und Praxis, zwischen Hochschule und Unternehmen intensiviert werden. Es geht nicht, dass die Forscher forschen und die Wirtschaft weiss davon nichts. Ein hervorragendes Beispiel einer interdisziplinären Zusammenarbeit ist das Projekt Alinghi der EPFL. Die für das Segelschiff entwickelten Baustoffe finden heute bereits erfolgreich im Flugzeugbau Anwendung. Forscher aus unterschiedlichsten Bereichen, Designer, Experten und Unternehmer haben gemeinsam minutiös weiterentwickelt, sich ausgetauscht, gefordert und gefördert. Ich bin überzeugt: Mit dieser strategischen Ausrichtung von Wissenschaft und Forschung brauchen wir keine Staatsforschung und keine von der Politik gelenkten Bildungsinhalte.

Was wir brauchen, ist ein Klima, in dem sich Forschergeist und Exzellenz entfalten können; ein produktives, nicht einengendes Umfeld, so wie es heute beispielsweise von führenden IT-Unternehmen geschaffen wird. Kluge Leute brauchen Freiräume für kreative Entfaltung. Dies hat der frühere US-Präsident Clinton 1997 erkannt, als er das 21. Jahrhundert wie folgt umschrieben: "Imagine a new century, full of promise, modeled by science, shaped by technology, powered by knowledge."

Das 21. Jahrhundert hat vor acht Jahren begonnen. Machen wir uns an die Arbeit!

 

Es gilt das gesprochene Wort !


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