Swiss Tectonic Arena Sardona: Thematisch erweiterte Kandidatur als UNESCO-Welterbe
Mels und Bern, 06.03.2008 - Unter dem neuen Namen "Swiss Tectonic Arena Sardona" hat die Schweiz zusätzliche Dokumente zur Kandidatur "Glarner Hauptüberschiebung" bei der UNESCO in Paris eingereicht. In einer erweiterten Vergleichsstudie wurde aufgezeigt, dass das über 300 Quadratkilometer grosse Gebiet um den Piz Sardona nicht nur als geologisches Phänomen einer Überschiebung sondern auch als Zeuge für Gebirgsbildungen und für das Verständnis der Plattentektonik weltweit die Nummer eins ist. Das UNESCO Welterbe-Komitee wird anfangs Juli in Quebec (Kanada) über die Aufnahme auf die Liste der UNESCO Welterbe-Güter entscheiden.
Die unter dem Namen „Glarner Hauptüberschiebung“ im August 2006 eingereichte Kandidatur basierte auf einer vergleichenden Studie, die sich auf das Phänomen der Überschiebung beschränkte. Sie zeigte auf, dass diese faszinierende Gebirgslandschaft zwischen Vorderrheintal, Linthtal und Walensee als geologische Besonderheit die Überlagerung von älteren Gesteinen über jüngeren weltweit einzigartig sichtbar präsentiert.
Die Experten der zuständigen internationalen Prüforganisation IUCN (Internationale Vereinigung zum Schutz der Natur) haben an ihrem Evaluationsbesuch vom September 2007 empfohlen, den Blick über das spezifische geologische Thema einer Überschiebung hinaus auszudehnen auf die Bedeutung des Gebietes für Gebirgsbildungsprozesse und für das Verständnis der Plattentektonik. Weiter haben die Experten angeregt, für das Objekt einen unter diesen Aspekten passenderen Namen vorzuschlagen. Sehr lobend hat sich die IUCN über den hohen Grad der Unterstützung und der Verbindlichkeit der lokalen und kantonalen Behörden zur Welterbe-Kandidatur sowie des von den Bundesbehörden offen gestalteten Konsultationsprozesses geäussert.
Um die Chancen für eine erfolgreiche Kandidatur zu wahren, wurden diese Empfehlungen zielstrebig umgesetzt. Die beiden Geologieprofessoren Adrian Pfiffner, Universität Bern, und Stefan M. Schmid, Universität Basel, gelangen zu einem eindeutigen Schluss in ihrer zusätzlich durchgeführten Vergleichsstudie zu den weltweit 15 bedeutendsten Gebirgsbildungsprozessen unter Betrachtung der vier Kriterien „Bedeutung für die wissenschaftliche Forschung“, „landschaftlicher Wert“, „geomorphologischer Ausdruck“ und „Bedeutung für die wissenschaftliche Lehre“: Die östlichen Schweizeralpen im Gebiet der „Swiss Tectonic Arena Sardona“ – so der neue, am Piz Sardona orientierte Name – sind deutlich auf Rang 1 bewertet und damit von herausragendem universellem Wert für Gebirgsbildungsprozesse und das Verständnis der Plattentektonik. Sie verdienen daher nach Ansicht der Autoren die Aufnahme in die Liste der Welterbe-Güter.
Nach der nun erfolgten Übergabe der zusätzlichen Kandidaturunterlagen an die UNESCO durch das Bundesamt für Umwelt BAFU wird die IUCN im Frühjahr die Abschlussprüfung des Kandidaturdossiers vornehmen und Antrag an das UNESCO Welterbe-Komitee stellen. Über die Aufnahme entscheidet dieses Gremium abschliessend zwischen dem 2. und 10. Juli 2008 an seiner 32. Sitzung in Quebec (Kanada).
Bis zu diesem Zeitpunkt werden die Trägerschaft, die Gemeinden sowie die Kantone und der Bund über die neue Namensgebung in den weiteren Landessprachen deutsch, romanisch und italienisch zu befinden haben. Vorerst erfolgte die Kandidatureingabe in den beiden offiziellen UNESCO-Sprachen englisch und französisch (Haut lieu tectonique suisse Sardona).
Kasten 1:
Was bedeutet der Eintrag in die Liste der UNESCO-Weltnaturerbegüter?
Mit der Aufnahme in die UNESCO-Welterbe-Liste verpflichten sich die beteiligten Gemeinden, Kantone und der Bund zu einem langfristigen Schutz des Objektes. Die Liste stellt primär eine Auszeichnung und eine weltweite Anerkennung dar, beinhaltet aber auch die Verpflichtung, das Gebiet für die kommenden Generationen zu erhalten. Eine entsprechende Vereinbarung der Gemeinden untereinander tritt bei der allfälligen Aufnahme in die Welterbeliste in Kraft. Die innerstaatliche Souveränität bleibt aber gewährleistet, da die UNESCO-Auszeichnung keine zusätzlichen Rechtsvorschriften initialisiert. Für den Schutz gilt weiterhin das nationale Recht: So sind Teile des Gebiets schon heute auf nationaler, kantonaler oder regionaler Ebene geschützt, wie etwa die Lochsite bei Schwanden, Teile des Murgtals und des Mürtschentals, die Grauen Hörner, der Plaun Segnas Sut, das Vorfeld des Glatschiu dil Segnas.
Kasten 2:
Entstehungsgeschichte der Glarner Alpen
Während Jahrzehnten bereitete die Entstehungsgeschichte der Glarner Alpen der Wissenschaft Kopfzerbrechen: Normalerweise liegen junge Gesteine auf alten. Hier ist es gerade umgekehrt. Sogenannter permischer Verrucano (zwischen 250 und 300 Mio. Jahre alt) liegt meist auf ca. 50 Millionen Jahre alten Flyschgesteinen. Bereits im 19. Jahrhundert erkannten die ersten Erdwissenschafter, dass hier offenbar durch Schub aus dem Süden kilometermächtige Gesteinsserien (sogenannte helvetische Decken) zwischen Aarmassiv und Gotthardmassiv herausgepresst wurden. Sie wurden dadurch mehr als 35 Kilometer nach Norden verfrachtet und kamen schliesslich auf der ursprünglichen Sedimenthülle des Aarmassivs zu liegen.
Es handelte sich hierbei um eine wichtige Erkenntnis, die das Verständnis des Baus der Alpen revolutionierte. Sie fand zu Beginn des 20. Jahrhunderts allgemeine Anerkennung. Zuvor gingen die Erdwissenschafter davon aus, dass Gesteinsfalten und Gebirge aufgrund der Schrumpfung der Erde im Zusammenhang mit der Erdabkühlung entstanden. Nun aber anerkannte die Fachwelt, dass Falten und Überschiebungen das Resultat dynamischer Bewegungsprozesse waren. Die praktische Erklärung dazu lieferte die Theorie der driftenden Kontinente, später bestätigt durch die Plattentektonik. Vom Pizolgebiet bis zur Lochsite bei Sool/Schwanden ist die Glarner Hauptüberschiebung von Ostnordost nach Westsüdwest auf rund 30 Kilometern und von Flims nach Schwendi im Weisstannental, d.h. von Süden nach Norden auf über 20 Kilometern auffällig im Gelände erkennbar.Adresse für Rückfragen
Bruno Stephan Walder, Sektion Landschaften von nationaler Bedeutung, Abteilung Natur und Landschaft, BAFU, Natel: 079 312 92 59
David Imper, Projektmanager IG UNESCO Welterbe Glarner Hauptüberschiebung, 8888 Heiligkreuz, Tel: 081 723 59 13
Prof. A. Pfiffner, Präsident Wissenschaftlicher Beirat, Universität Bern, Tel: 031 631 87 57
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Bundesamt für Umwelt BAFU
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