Steuern! Steuern?

Zug, 27.08.2007 - 

Rede von Bundesrat Hans-Rudolf Merz bei der FDP Zug; 27. August 2007 im Casino Zug.

Meine steuerpolitische Agenda will individuelle und unternehmerische Entscheide von steuerlichen Zwängen befreien, eine einfachere und gerechtere Besteuerung sowie finanziell verkraftbare Reformen mit Effekten auf Wachstum und Beschäftigung. Meine Steuerpolitik ist auch auf den Mittelstand ausgerichtet (daran ändern anders lautende penetrante Wiederholungen wenig). Da dieser seit 1990 eine geringere Zunahme des Bruttoeinkommens als ärmere und reichere Haushalte erzielte, die Schweiz generell eine der niedrigsten Lohnungleichheiten ausweist und sich diese kaum ausweitet, rechtfertigt sich diese Stossrichtung.

Der Kanton Zug beherrscht das Steuern steuern. Heute leistet er über die NFA einen herausragenden Beitrag an die interkantonale Solidarität. In unserem Land beeinflusst namentlich der Steuerwettbewerb das Steuerwesen. Erfolgreiche Strategien werden imitiert, erfolglose gemieden. Der Steuerwettbewerb zwingt die Politik von konkurrierenden Standorten zu einer attraktiven Kombination von öffentlichen Leistungen und fiskalischer Belastung. Trotz Steuerwettbewerb und Entlastungsprogrammen verludert nirgends im Land eine öffentliche Aufgabe.

 

"Als Finanzminister reist man gerne nach Zug, egal ob mit dem Auto oder mit dem Zug, denn hier gibt es - nicht nur auf dem See - viele Steuermänner und Steuerfrauen, die mithelfen, ihre Lage Zug um Zug zu verbessern. Damit ist es Zug gelungen, andere Kantone in Zugzwang zu bringen. Zug zeigt nämlich, wie man Steuern steuert und wie man Zug in Trägheiten bringt.

Historisch, also vor ganz langer Zeit, wurde Zug von den Eidgenossen als ein willkommener Puffer zwischen dem städtischen Zürich und dem ländlichen Schwyz betrachtet. Und weil Zug selber dieses Spannungsverhältnis zwischen Stadt und Land beinahe so virtuos beherrscht, wie das Steuern steuern, gilt der Kanton noch heute als ein in jeder Hinsicht gut balanciertes Staatswesen. Zugerinnen und Zuger sind es gewohnt, zur Spitze zu gehören. Das gilt selbst für den Sport, wo wir zu meinem Ärger als einstmaligem Präsident des SC Herisau fast nur Niederlagen aus der Hertihalle in der Tasche nachhause tragen mussten.

Die Zuger Freisinnigen haben ein unverkrampftes Verhältnis zur Leistung, zur sozialen Marktwirtschaft sowie zu den bürgerlichen Werten und Tugenden. Das macht Euch verlässlich, berechenbar und beliebt. Dieser klare Standpunkt muss aber, das wissen wir, immer wieder verteidigt, ja sogar neu errungen werden. Die eidgenössischen Wahlen sind eine von zahlreichen Gelegenheiten, um sich Profil und Gehör zu verschaffen.

 

Zu den für Zug wichtigen Themen gehört die Steuerpolitik. Ich werde mich aus der Sicht des Bundes dazu äussern. Ich beginne mit der Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA). Auf den 1. Januar 2008 wird diese Belebung des Föderalismus in unserem Land in Kraft treten. Bekanntlich ist Ihr Kanton jener, der mit der NFA pro Einwohner klar am meisten an den Ressourcenausgleich zu Gunsten der ressourcenschwachen Kantone beisteuert. Mit rund 180 Mio. Franken oder 1700 Fr. pro Einwohner pro Jahr leisten Sie einen herausragenden Beitrag an die interkantonale Solidarität. Dafür verdient der Kanton Zug den Dank der Miteidgenossen. Der Finanzausgleich ist in einem Bundesstaat gleichsam das unausweichliche Gegenstück zum Steuerwettbewerb und zur kantonalen Eigenständigkeit. Der Finanzausgleich hilft, die materielle Steuerharmonisierung zu verhindern.

Aber selbstverständlich hat sich auch die interkantonale Solidarität in einem definierten Rahmen abzuspielen. Die Zuger hatten zusammen mit den andern Geberkantonen etliche Anliegen. Diese wurde in den Beratungen Verständnis entgegengebracht und soweit als möglich Rechnung getragen. Ich denke namentlich an die Bandbreite auf Verfassungsstufe bezüglich des Ressourcenausgleiches oder an die Zusicherung die Volatilität der Beiträge der Geberkantone zu überprüfen, inklusive der Frage einer Festlegung einer Belastungsobergrenze. Die Zuger Deputation in Bern hat sich für ihren Kanton mächtig ins Zeug gelegt. Ich erinnere mich gerne zurück an die erste Debatte mit Dir Rolf Schweiger. Du hast den Weg zu Lösungen geebnet - wie gewohnt!

 

Nun aber zu "Steuern steuern"

Steuerpflichtige sind in aller Regel keine flammenden Verfechter von Steuern. Das war schon früher so. Beispielsweise ächzte das mittelalterliche Frankenreich über die hohe Steuerlast. Abzuliefern waren damals neben der Grundsteuer und der Kopfsteuer nämlich auch noch eine Fülle von indirekten Abgaben wie das Torgeld, das Brückengeld, das Uferanlagegeld, das Wagengeld, das Fussgeld oder - eine besonders perfide Steuer - das Lobgeld auf den Marktherrn.

Ist es heute aber wirklich viel besser als damals?

  • Anstelle des Torgelds gibt es Zölle.
  • Brückengeld hat einen englischen Ausdruck gefunden: Road-Pricing
  • Uferanlagegeld heisst jetzt Hafen-, Lande- oder Flugplatzgebühr.
  • Statt Wagengeld haben wir Automobilsteuer, Autobahnvignette, Benzinzoll, LSVA, kantonale Motorfahrzeugsteuern, Parkplatz-Tickets und Kontrollschild-Gebühren.
  • Zwar wurde das Fussgeld abgeschafft, dafür haben wir jetzt die etwas kompliziertere Mehrwertsteuer.
  • Immerhin: Das Lobgeld auf den Marktherrn ist dem Fortschritt zum Opfer gefallen. Die Lust, Behörden zu kritisieren, kann man umgekehrt auch nicht vergnügungssteuerpflichtig erklären.

Die gleichen Ärgernisse wie damals liegen heute noch in der Luft. So stellen bei den Unternehmen die Steuern vor allem einen Kostenblock dar, der die Renditen und die Gewinne schmälert und damit den Unternehmen ausgerechnet investierbare Mittel entzieht. Insofern ist eine kritische Grundhaltung gegenüber dem Steuerwesen verständlich.

Da aber ohne Steuern keine öffentlichen Leistungen angeboten werden können, lautet die Frage nicht, "Sollen wir Steuern zahlen?" sondern "In welchem Rahmen soll dies stattfinden?". Gegenüber dem Mittelalter hat sich da einiges verbessert, der Liberalismus hat sich durchgesetzt.

Die Diagnose unseres Steuersystems ist bekannt. Es ist nicht durchwegs gerecht, nicht vollends wachstumsfreundlich und Schwindel erregend kompliziert. Internationale Steuerbelastungsvergleiche zeigen: Einige Kantone gehören international zu den Klassenbesten. Dazu gehört vor allem auch der Kanton Zug mit seiner klugen Finanz- und Fiskalpolitik. Der Trend läuft jedoch gegen uns. International bewegt sich im Steuerwesen rasch sehr vieles. Es besteht ständiger Handlungsbedarf. Wir dürfen uns dabei ruhig am Kanton Zug orientieren. Ihr Kanton hat die Fähigkeit entwickelt, sich rasch veränderten Gegebenheiten anzupassen, auf nationale und internationale Entwicklungen zu reagieren oder diese gar zu antizipieren. Ich denke z.B. an 1921 und die Einführung der Privilegierung von Holdinggesellschaften als Reaktion auf fünf Kantone, die dieses schon kannten. Mehr zu reden gab damals allerdings die gleichzeitig eingeführte Viehbesteuerung. Die innovativen Steuergesetzänderungen von 1930 und 1946 wandelten dann Zug definitiv zum Magneten für Unternehmen. Das waren Pioniertaten.

Kommen wir zurück zum Bund: Der Bundesrat setzt sich ein effizientes Steuersystem zum Ziel, das die Staatsausgaben fair und für alle tragbar finanziert. Die Belastungen sollen massvoll sein und dem Prinzip der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit folgen. Ein Grundelement dazu ist der Steuerwettbewerb. Er ist eines unserer Erfolgsrezepte. Er zwingt uns, die Steuern zu steuern.

Im Steuerwettbewerb erkenne ich vor allem vier Vorteile:

  1. Der Steuerwettbewerb schützt die Bürger vor übermässigem Steuerappetit der Regierungen. Er ist eines der wenigen disziplinierenden Instrumente.
  2. Der Steuerwettbewerb ist auch ein willkommener Vergleichsmassstab. Bürgerinnen und Bürger können den Erfolg ihrer Behörden im Vergleich zu Anderen messen und dies bei Wahlen berücksichtigen. Ohne den Kanton Zug wäre die Steuerbelastung in Nachbarkantonen womöglich höher.
  3. Der Steuerwettbewerb ist sodann das Entdeckungsverfahren für neue und innovative Besteuerungssysteme. Erfolgreiche Strategien werden imitiert, erfolglose dagegen gemieden. Die EasySwissTax hat zum Beispiel hohe Erfolgschance, Spuren im Schweizer Steuerwesen zu hinterlassen.
  4. Grosse Länder verfügen über die Vorteile eines grossen Binnenmarkts. Kleine Länder haben demgegenüber einen "natürlichen" Wettbewerbsnachteil, den sie über die Steuerpolitik kompensieren können.

Der Steuerwettbewerb ist in letzter Zeit ins Gerede geraten. Seine positiven Wirkungen werden bestritten. Steuerwettbewerb - so wird behauptet - löse eine ruinöse Steuersenkungsspirale aus. Dabei wird ausgeblendet, dass die Steuerquote unseres Landes seit 1990 nicht gesunken, sondern von 26% auf knapp 30% gestiegen ist. Und: Diverse Steuersenkungen in den Kantonen sind die gewollte Folge der Einführung der NFA. Dank der kräftigeren Unterstützung der Geberkantone können die weniger starken Stände ihren Standort mit Steuersenkungen attraktiver machen und sich so aus eigener Kraft vom Subventionstropf lösen.


Unser Land gilt als Beispiel für die gesunden Effekte des Steuerwettbewerbs. Dieser zwingt Politik und Verwaltung von konkurrierenden Standorten zu einer attraktiven Kombination von einerseits öffentlichen Leistungen und anderseits fiskalischen Belastungen. Trotz Steuerwettbewerb und trotz Entlastungsprogrammen verludert nirgends im Land irgendeine öffentliche Aufgabe! Ganz im Gegenteil.

 

Unser Steuersystem besteht aus gut 25 verschiedenen Steuern. Sie werden auf den drei Ebenen Bund, Kantone und Gemeinden erhoben. Sie erfassen von der Einkommens-, Gewinn- und Kapitalsteuer bis hin zur Biersteuer verschiedenste Tatbestände. Besteuert wird beim Einnehmen, beim Ausgeben, beim Übertragen und selbst beim Behalten. Man ist versucht, an eine Krake mit ihren vielen Saugnäpfen zu denken; sie bewegt sich mit ihren Greifarmen überall hin tastend fort. Weniger pathetisch ausgedrückt kann man einfach sagen, das System sei austariert und die vielen Steuern hingen zusammen. Als Steuerzahlende - fiskalrechtlich etwas schroff 'Subjekte' genannt - werden wir in der Regel von mehreren Steuern und dabei in unterschiedlichem Ausmass erfasst.

Das Steuersystem ist dynamisch. Gesellschaft, Staat und Wirtschaft verändern sich. Mit ihnen die Steuern. Aus dem Zehnten ist die Einkommenssteuer entstanden. Der Tarif betrug während Jahrtausenden offenbar 10%, daher der Name 'Zehnte'. Erstmals erbrachte übrigens Abraham dem König von Salem den 'Zehnten von allem' wie es im Alten Testament wörtlich heisst. Der Zehnte war also eine Flat Tax. Heute gibt es Länder und neuerdings Kantone, die sich wieder vermehrt an den Zehnten erinnern. Damit lösen sie Reformdruck aus.

Steuerreformen müssen kreativ und gerecht sein, denn jeglicher Eingriff bringt das Gefüge zwischen den Steuerpflichtigen in Bewegung. Ein geflügeltes Wort lautet: Eine Steuerpolitik ist dann gut, wenn alle gleich unzufrieden sind. Diese Gratwanderung ist uns bei der Milderung der Heiratsstrafe zweifellos gut gelungen. Ab 1. Januar 2008 profitieren alle Ehepaare von Rorschach bis Genf von einem Abzug bei der direkten Bundessteuer von 2'500.- Franken. Verheiratete Doppelverdiener können bis zu 12'500.- Franken abziehen. Damit ist es gelungen, in der laufenden Legislaturperiode gleichzeitig Steuern zu senken, schwarze Zahlen zu schreiben und Schulden abzubauen.

 

Derzeit sind verschiedene Steuerreformen am Laufen. Meiner steuerpolitischen Agenda habe ich vier gemeinsame, übergeordnete, liberale Ziele gesetzt. 

  • Individuelle und unternehmerische Entscheide sollen möglichst frei von steuerlichen Zwängen getroffen werden können. Darum will ich Verzerrungen abbauen, damit die Fiskalpolitik neutraler wirkt.
  • Weiter will ich eine einfachere und gerechtere Besteuerung.
  • Sodann will ich, dass aus den Steuerreformen positive Effekte für Wachstum und Beschäftigung resultieren.
  • Und schliesslich will ich finanzpolitisch verkraftbare Reformen.

Am weitesten voran geschritten ist die Unternehmenssteuerreform II. Soeben wurde das Referendum eingereicht. Anfangs 2008 folgt die Volksabstimmung. Die Reform ist voll auf unsere KMU ausgerichtet. Das Gesetz befördert ihr Investitionsverhalten, beseitigt Hindernisse in ihrer Entwicklung und baut Belastungen ab. Die USR II wurde eng mit den Kantonen erarbeitet. Sie trägt namentlich im Bereich der Dividenden-Besteuerung sogar deren Handschrift. 13 Kantone haben mit ähnlichen Reformen bereits gute Erfahrungen gesammelt, darunter Zug. Die zu erwartenden Steuerausfälle sind verkraftbar. Für den Bund betragen sie nur gerade 56 Mio. gemessen am Ausgabenvolumen von 56 Mia. Der Betrag ist in der Finanzplanung bereits eingestellt. Bei den Kantonen handelt es sich im Dividendenbereich insgesamt um eine Grössenordnung von 349 Mio., sofern die Kantone die identische Lösung des Bundes übernehmen. Die AHV erfährt bei Einführung Mindereinnahmen von schätzungsweise 86 - 130 Mio. Dieser Betrag dürfte genauso wie bei der direkten Bundessteuer durch die Wachstumseffekte schon mittelfristig überkompensiert werden.

Die Unternehmenssteuer-Reform II rüttelt nicht am Prinzip, Unternehmensgewinne zu besteuern. Sie verbessert jedoch mannigfach die steuerlichen Rahmenbedingungen. Die Massnahmen sind in drei Körben wie folgt zusammengefasst:

  1. Im ersten Korb geht es um die Milderung der Besteuerung von Dividenden. Der Fiskus greift heute auf den gleichen Franken zweimal voll zu, einmal bei der Gewinnsteuer und ein zweites Mal bei seiner Ausschüttung als Dividende. Darum ist die Ausschüttung von Gewinnen nicht attraktiv. Viel Geld „schläft" in den Unternehmen, statt dass es zurück in den Wirtschaftskreislauf geschüttet wird.
    Die Schweiz gehört gegenwärtig bei der wirtschaftlichen Doppelbelastung zu den Hochsteuerländern. Rang 28 von 30 OECD-Ländern. Diese äusserst bescheidene Platzierung verbessern wir mit einer sehr gezielten Steuersenkung für KMU-Eigentümer, die eine Mindestbeteiligung von 10% halten. Wir erreichen damit eine spürbare Entlastung von Investitionen und Risikokapital. Es entstehen Arbeitsplätze. Im internationalen Vergleich kommen wir so ins vordere Mittelfeld.
    Grundsätzlich kann sich ein Unternehmen über drei Arten finanzieren, nämlich durch Selbst-, Fremd- oder Anteilsfinanzierung. Ausgerechnet die Anteilsfinanzierung ist heute steuerlich der teuerste Weg. Durch diese Verzerrung erschwert der Fiskus das Entstehen von neuen, innovativen Firmen. Das ist nicht im Sinne vitalen Wachstums. Die USR II verbessert nun die Finanzierungsneutralität.
  2. Zum zweiten Korb. Hier werden Unternehmen von substanzzehrenden Steuern entlastet. Kantone erhalten die Möglichkeit, auf die Kapitalsteuer zu verzichten, soweit eine Gewinnsteuer geschuldet ist. Damit werden Kapitalgesellschaften von der überholten, schädlichen Kapitalsteuer entlastet. Dies schafft Anreize zur Gewinnerzielung.
  3. Im dritten Korb von Massnahmen geht es darum, Personengesellschaften von Steuern im falschen Moment und von Behinderungen des Fiskus zu befreien. Jedes KMU, sei es ein Handwerksbetrieb, eine Bäckerei oder eine Apotheke, durchlebt verschiedene Phasen: Gründung, Wachstum, Konsolidierung, Spezialisierung, Diversifizierung, Nachfolge. Ausgerechnet in solch schwierigen Momenten behindern steuerliche Regelungen die nötigen Anpassungen. Im Falle von Liquidationen, Ersatzbeschaffungen, Bewertungsfragen im Geschäftsvermögen, Übertragungen von Liegenschaften oder der Besteuerung stiller Reserven bei Erbteilungen redet der Fiskus quasi bei den betrieblichen Entscheiden mit. Es kommt sogar vor, dass aus rein steuerlichen Überlegungen ganz bewusst für das Unternehmen ungünstigere Entscheide gefällt werden. Beispielsweise dann, wenn der Fiskus Steuern verlangt, wo kein Geld fliesst. Diese Fehlanreize müssen wir dringend beseitigen. Heute gehen still und unbemerkt in der Schweiz Tausende von Arbeitsplätzen infolge ungelöster oder gescheiterter Unternehmensnachfolgen verloren. Auch wegen dem Fiskus.

Die Unternehmenssteuerreform beseitigt Wachstumsbremsen. Die Stärkung der KMU dient dem ganzen Land. Damit knüpfen wir an die erste Unternehmenssteuerreform an, die auf die Holdings ausgerichtet war. Diese hat sich als vollen Erfolg erwiesen. Wir haben heute mehr Unternehmen, mehr Arbeitsplätze und mehr Steuereinnahmen als vor der Reform. Die Steuereinnahmen der juristischen Personen sind mehr als doppelt so stark gewachsen wie das BIP seit 2001.

Die Ausgangslage bei der Mehrwertsteuer ist bekannt. Sie hat einen schlechten Ruf. Sie ist ein Monstrum geworden. Das Dickicht durchschauen nicht einmal mehr meine Inspektoren. Die Gewerbler schwitzen über den Formularen alle Blut, obschon sie alles richtig machen wollen. Mit einer Totalrevision wollen wir nun Einfachheit, Transparenz, Rechtssicherheit und Kundenorientierung herbeiführen. Die Vernehmlassung ist soeben abgeschlossen worden. Deren Ergebnisse erfüllen mich mit Freude. Samt und sonders werden unsere Bestrebungen zur Totalrevision begrüsst. Rund 50 Massnahmen werden aus der Mehrwertsteuer eine vernünftige, akzeptierte Steuer machen.

Offener ist die Ausgangslage bei der Anzahl der zu reduzierenden Sätzen und aufzuhebenden Ausnahmen. Es stehen sich Verfechter eines kühnen Vorgehens bedächtigeren Kräften gegenüber. Der Einheitssatz hat eigentlich viele Freunde. Einige befürchten jedoch, dass wegen des Einheitssatzes die ganze Vorlage durch langwierige Auseinandersetzungen nicht vom Fleck komme und die alte Mehrwertsteuer nicht rasch genug abgelöst werde. Unser Ziel bleibt die Ausweitung der Bemessungsgrundlage durch Aufhebung der meisten bisherigen Ausnahmen und eine Reduktion der heutigen drei Steuersätze. Es gilt: Je weniger Ausnahmen und je weniger Steuersätze, desto grösser die Vereinfachung und desto grösser die Wachstumsimpulse. Wir führen nun eine eingehende Analyse jeder einzelnen möglichen Massnahme nach den Kriterien „Politische Machbarkeit", „Wachstumseffekte", „Administrative Vereinfachung" und „Abbau der taxe occulte" durch. Weitere Punkte, wie die mehrwertsteuerliche Behandlung von Subventionen und Spenden, müssen wir zusammen mit Betroffenen noch näher prüfen.

Wir haben es in der Hand, europaweit eine Pioniertat zu vollbringen. Unser Standort wird bei Gelingen dieser Reform stark an Attraktivität zulegen. Nicht nur Steuersätze, auch Steuersysteme stehen in Konkurrenz zueinander. Wir sollten den Mut aufbringen, jetzt alle zusammen ins Wasser zu springen und uns nicht noch lange über die wohl richtige Temperatur unterhalten.

Das nächste Thema, die Ehepaarbesteuerung, liegt mir am Herzen: Nach der Milderung der Heiratsstrafe haben wir nun Platz für die nötige umfassende Reform der Ehepaarbesteuerung. Zunächst muss der Systementscheid fallen. Vier Modelle stehen sich gegenüber:

  • Individualbesteuerung,
  • Splitting,
  • Wahlrecht für Ehepaare und
  • neuer Doppeltarif.

Welcher Systementscheid im Parlament getroffen wird, ist sehr offen. CVP und SVP tendieren zum Splitting, FDP und SP zur Individualbesteuerung.

Die Steuerpolitik ist zu einem zentralen Thema des Wahlkampfs geworden. Ich bin darüber erfreut, denn Steuern steuern das Land und die Politik steuert Steuern. Daher kann eine ausgiebige Auseinandersetzung mit dem Steuerwesen unser Land voranbringen. Ich gratuliere der FDP zur EasySwissTax. Die radikale Vereinfachung auch der direkten Steuern kann etliche Verbesserungen mit sich bringen. Vorurteile und Vorverurteilungen gegenüber der EasySwissTax sind nicht angebracht. Im Steuerwesen haben immer wieder einzelne Kantone mit Innovationen geglänzt. Lassen wir den Ideenwettbewerb uns die besten Lösungen bringen! Das gilt ebenfalls für die Flat Rate Tax.

Mir wird penetrant vorgeworfen, dass ich meine Steuerpolitik vollständig auf die Reichen ausrichte. Das ist Mumpitz! Bei der Milderung der Heiratsstrafe kommen für alle die gleichen Abzüge zur Geltung. Nur: Wer nichts versteuert, kann auch nichts abziehen. Die Unternehmenssteuerreform ist auf die KMU ausgerichtet, die Milderung der Doppelbelastung betrifft keinen Aktionär eines Multis wie Novartis oder UBS. Bei der Mehrwertsteuer übersteigen die Wachstumseffekte in Milliardenhöhe die Mehrbelastungen von durchschnittlich 6 Fr. pro Haushalt pro Monat bei Weitem.

Aus Opportunismus wird auch unterschlagen, dass seit den 90er Jahren die Bruttoeinkommen der ärmeren und der reicheren Haushalte eine Zunahme von jährlich je mindestens 1% erzielten. Dagegen musste sich der Mittelstand mit 0,5% begnügen. Das kann im Wohlstandsbericht des Bundes nachgelesen werden. Soeben hat die OECD zudem nachgewiesen, dass die Schweiz neben Finnland und Norwegen die niedrigste Lohnungleichheit ausweist und sich diese in den letzten 10 Jahren auch kaum ausgeweitet hat. Das Bundesamt für Statistik weist in einer kürzlichen Studie sogar die Tendenz zu einer gleichmässigeren Verteilung des privaten Einkommens aus. Es ist darum unredlich, aus herausgepickten Einzelbeispielen mit harten Slogans auf die Allgemeinheit zu zielen. Der Mittelstand hat aus der Schweiz die Schweiz gemacht. Wir dürfen unsere Steuerpolitik, ohne zu erröten, auch auf unseren Mittelstand ausrichten. Tragen wir Sorge, zu denen, die das Land tragen!

Letztlich komme ich noch auf die Steuerkontroverse mit der EU zu sprechen. Der EU-Ministerrat hat am 14. Mai das erwartete Mandat verabschiedet. Noch immer ist vieles unklar. Für die angeprangerte Verletzung des Freihandels liegen keinerlei Beweise vor. Juristisch bewegt sich die EU-Kommission auf tönernen Füssen. Verhandlungen würden bedeuten, dass wir uns ins Unrecht setzen liessen. Wir übernähmen die Logik der EU, ihres Wettbewerbsrechts, ihres Beihilferechts und letztlich auch ihres Verhaltenskodexes im Steuerbereich. Als souveräner Staat setzen wir uns dagegen zur Wehr.

Der Bundesrat will die Interessen unseres Landes vierfach wahrnehmen. Es geht nämlich erstens um die Attraktivität des Standortes, zweitens um die Souveränität in Steuerfragen, drittens um die Fortführung des bilateralen Weges und viertens um die Realisierung von Unternehmenssteuerreform II und NFA.

Es gilt, beim Steuerstreit Augenmass zu behalten. Die bilateralen Beziehungen zur EU sind für beide Partner lebenswichtig. Die Verträge mit der EU haben unserem Land Wohlstand gebracht. Es wäre falsch, diesen Dialog wegen Meinungsverschiedenheiten im Steuerbereich zu unterbinden. Vielmehr sind wir offen für den Dialog. Diesen bereite ich in enger Abstimmung mit den Kantonen vor. Mein Ansprechpartner ist Regierungsrat Peter Hegglin, der mir eine grosse Stütze ist. Ich danke ihm sehr dafür. Aus dem Dialog soll klar werden, ob Handlungsbedarf besteht oder nicht. Falls Ja werden dann die Fragen folgen, wie wir damit - autonom - umgehen. Jedenfalls darf es niemals zu einer Schwächung des Standortes Schweiz und damit auch des Kantons Zugs kommen.

 

Ich komme zum Schluss. Die derzeit bisweilen heftig diskutierte Steuerpolitik erinnert mich an Auseinandersetzungen im Römischen Senat unter Kaiser Hadrian. Dort zeigt sich, wie man es gerade nicht machen sollte. Nachdem Finanzsenator Scaeferius seine Steuerreformpläne im Senat vorgetragen hatte, erwi ihm Senator Casparius Folgendes: „Lobend gleichzustellen ist diese Deine Steuerreform, Scaeferius, allen Steuerreformen, die da waren, sind oder je kommen werden. Sie ist modern, gerecht, entlastend und kunstvoll:

  • Modern, weil jede der alten Steuern einen neuen Namen trägt,
  • gerecht, weil sie alle Bürger des Römischen Reiches gleich benachteiligt,
  • entlastend, weil sie keinem Steuerzahler mehr einen vollen Beutel lässt, und
  • kunstvoll, weil Du in vielen Worten ihren kurzen Sinn versteckst: Dem Kaiser zu geben, was des Kaisers ist, und dem Bürger zu nehmen, was des Bürgers ist."
Wie man weiss, ging der allmähliche Verfall des römischen Reiches mit einem allmählichen Überdrehen der Steuerschraube einher. Machen wir uns keine Illusionen: Steuerreformen werden auch in der Schweiz nie den Applaus Aller finden. Um langfristig als Standort attraktiv zu sein, müssen wir uns jedoch stets neu erfinden. Die Welt um uns steht nicht still und die gesellschaftlichen Realitäten fordern die Steuerpolitik heraus."


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Eidgenössisches Finanzdepartement
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