Nach der Scheidung aufs Sozialamt? Die Eidgenössische Kommission für Frauenfragen fordert eine gerechte Regelung des nachehelichen Unterhalts in Mankofällen

Bern, 25.06.2007 - Reicht nach einer Scheidung oder Trennung das Einkommen nicht für zwei Haushalte, sind doppelt so viele Frauen von Armut betroffen wie Männer. Gravierende Ungleichbehandlungen der Geschlechter werden in der Rechts- und Sozialhilfepraxis in Kauf genommen. Die Eidgenössische Kommission für Frauenfragen (EKF) legt dazu eine Studie vor und fordert Massnahmen für eine geschlechtergerechte Aufteilung der wirtschaftlichen Folgen von Trennung und Scheidung.

In der Studie analysiert Elisabeth Freivogel, Advokatin und Expertin für Gleichstellungsrecht, publizierte Gerichtsurteile sowie die Sozialhilfegesetzgebung und -praxis in der Schweiz. Grund für das hohe Armutsrisiko geschiedener Frauen ist auch die gängige Rechtspraxis, wonach der unterhaltspflichtigen Person – aufgrund der traditionellen Rollenverteilung ist das nach wie vor meist der Mann – nicht ins Existenzminimum eingegriffen wird. So sind geschiedene Frauen viel häufiger und stärker auf Sozialhilfe angewiesen als Männer. Tritt dieser Fall ein, kann ausschliesslich die Herkunftsfamilie der sozialhilfebedürftigen Frau zur Verwandtenunterstützung aufgefordert werden. Nur die Frau muss die bezogenen Sozialhilfebeiträge zurückzahlen,    wenn sich ihre finanzielle Situation verbessert. Zudem sind die Kinderalimente in solchen Mankofällen oft sehr niedrig angesetzt, und ein Betrag für den nachehelichen Vorsorgeaufbau, der im neuen Scheidungsrecht gesetzlich verankert ist, wird bei der Bedarfsberechnung nicht berücksichtigt.

Um die festgestellten Benachteiligungen und Rechtsungleichheiten zu beseitigen, empfiehlt die EKF eine Reihe von Massnahmen. Angesprochen sind Anwaltschaft, Rechtsprechung, Sozialhilfebehörden und Politik. So werden die Gerichte aufgefordert, im Scheidungsfall den allfälligen Fehlbetrag inklusive Vorsorgeaufbau auf beide Partner aufzuteilen. Kinderalimente sollen auch bei knappen Verhältnissen nicht tiefer als die einfache Waisenrente festgesetzt werden. Wer aufgrund von Familienpflichten Sozialhilfe beziehen musste, soll bei Verbesserung der Verhältnisse durch eigene Erwerbsarbeit grundsätzlich keine Rückerstattungen leisten müssen. Um die Rechtsgleichheit bei der Sozialhilfe gesamtschweizerisch zu garantieren, schlägt die Kommission vor, ein nationales Rahmengesetz zu schaffen.

Zeitschrift «Frauenfragen» Nr. 1.2007: Nach der Scheidung aufs Sozialamt? Fakten und Folgerungen zu nachehelichem Unterhalt, Verwandtenunterstützung und Sozialhilfe. Enthält u.a.
- Kurzfassung der Studie: Elisabeth Freivogel: Nachehelicher Unterhalt – Verwandtenunterstützung – Sozialhilfe. Wenn das Familieneinkommen nach Trennung oder Scheidung nicht für zwei Haushalte ausreicht: Rechtsprechung und Änderungsbedarf bei Mankofällen (d/f/i)
- Empfehlungen: Für eine geschlechtergerechte Aufteilung der wirtschaftlichen Folgen von Trennung und Scheidung. Empfehlungen der Eidgenössischen Kommission für Frauenfragen (d/f/i)

Webpublikation: www.frauenkommission.ch
Gesamtfassung der Studie: Elisabeth Freivogel: Nachehelicher Unterhalt – Verwandtenunterstützung – Sozialhilfe. Rechtsprechung und Änderungsbedarf bei Mankofällen. Eine Analyse von Gerichtsurteilen, Sozialhilfegesetzgebung und -praxis, erstellt im Auftrag der Eidgenössischen Kommission für Frauenfragen. 79 S. Kurzfassung und Empfehlungen sind ebenfalls als PDF verfügbar.


Adresse für Rückfragen

Elisabeth Freivogel, lic.iur. LLM, Advokatin, Autorin der Studie und Vizepräsidentin der EKF
Tel. 079 759 86 14 (erreichbar am 25.Juni 2007, 9.30 –15.00h oder 17.00 – 19.00)

Claudia Weilenmann, wissenschaftliche Mitarbeiterin EKF, Schwarztorstrasse 51, 3003 Bern
Tel. 031 324 93 26, Fax 031 322 92 81, claudia.weilenmann@ebg.admin.ch



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