Abschluss Projekt Fischnetz: Dem Fischrückgang auf der Spur

Bern, 30.01.2004 - Warum sind die Forellenfänge in der Schweiz seit 1980 um 60 Prozent zurückgegangen? Das wollten EAWAG und BUWAL wissen und starteten 1998 das Projekt Fischnetz –gemeinsam mit Kantonen, Fischereiverband, chemischer Industrie und Universität Bern. Klar ist nun, dass nicht nur die Fangzahlen, sondern auch die Fischbestände abgenommen haben. Hauptursachen sind die Infektionskrankheit PKD, der schlechte Zustand der Lebensräume, chemische Belastungen und die erhöhte Wassertemperatur. Auch der massive Besatz mit Fischen konnte den Rückgang nicht aufhalten. Fischnetz fordert ein Bündel von Verbesserungsmassnahmen.

1980 wurden in Schweizer Flüssen 1,2 Mio. Forellen gefangen, 2001 waren es nur noch 400’000. Gleichzeitig stellte man unterhalb einiger Kläranlagen eine Verweiblichung von Fischen fest. Gründe genug für die Eidgenössische Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz (EAWAG) und das Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL), um 1998 das Projekt Fischnetz ins Leben zu rufen. Sein Ziel: Die Ursachen für den Rückgang der Fangerträge zu ergründen. Alle 26 Kantone, das Fürstentum Liechtenstein, der Schweizerische Fischerei-Verband (SFV), die Schweizerische Gesellschaft für Chemische Industrie (SGCI) und die Universität Bern schlossen sich dem Projekt an. Rund 3 Mio. CHF wurden investiert.

Frustrierte Angler

13 Hypothesen bildeten die Basis für die Untersuchungen in 70 Teilprojekten. Hat die Angleraktivität abgenommen und wurden deshalb weniger Fische gefangen? Fressen Kormoran und Gänsesäger alles weg? Verschwinden die für die Fische geeigneten Lebensräume zunehmend? Werden die Tiere mit Chemikalien vergiftet? Hat das Nahrungsangebot abgenommen, oder ist die Klimaerwärmung schuld? All diesen möglichen Ursachen ist das Projekt Fischnetz nachgegangen. Zusätzlich wurde auch die Gesundheit und die Reproduktionsfähigkeit der Fische untersucht. Einige der Hypothesen – wie beispielsweise ein genereller Nahrungsmangel – konnten als Ursachen ganz ausgeschlossen werden, während andere nur für bestimmte Gewässer oder bestimmte Jahreszeiten zutreffen. Klar ist, dass immer weniger Anglerinnen und Angler Patente lösen und dadurch der Fangaufwand abgenommen hat. Damit lässt sich aber nicht der gesamte Rückgang des Fangertrages erklären. Auch die Fischbestände haben abgenommen – dies trotz jährlicher Aussetzung von rund 15 Millionen Fischen unterschiedlicher Altersklassen. Wichtigste Gründe für den Rückgang der Bestände sind der Verlust der Lebensräume, die Chemikalienbelastung, die Infektionskrankheit PKD und höhere Wassertemperaturen.

Fehlende Lebensräume und Chemikalienbelastung

Die Begradigung und Verbauung der Flüsse und die Zerstörung der Ufervegetation liegen teilweise Jahrzehnte zurück. Deren Folgen wie zum Beispiel monotone und schlecht miteinander vernetzte Lebensräume wirken heute noch. Sie behindern die Fische bei der Flucht vor widrigen Umständen und versperren den Zugang zu Laichplätzen. Durch die Isolation der Lebensräume ist auch die genetische Vielfalt der Populationen eingeschränkt. Obwohl die Belastung der Fliessgewässer durch Chemikalien in den letzten 30 Jahren markant zurückgegangen ist, haben gewisse Stoffgruppen aber weiterhin nachweislich eine Wirkung auf den Fischbestand. Hierzu gehören Stickstoffverbindungen wie Nitrit und Ammonium, Pestizide und hormonaktive Substanzen. Nitrit, Ammonium und Pestizide wirken als Fischgifte, die hormonaktiven Stoffe beeinflussen die Geschlechtsausprägung der Fische.

Infektionskrankheit PKD und Klimaerwärmung

Im Rahmen der Untersuchung der Fischgesundheit wurde auch der erstmals 1979 in der Schweiz nachgewiesenen Infektionskrankheit PKD («proliferatve kidney disease») nachgeforscht. Diese Nierenkrankheit konnte in den Jahren 2000 und 2001 an 190 von 462 Standorten festgestellt werden – vor allem in den Gewässern des Mittellandes. PKD führt zu aufgeschwollenen Nieren und häufig zum Tod der Fische. Sie bricht dann aus, wenn die Wassertemperatur länger als zwei Wochen über 15°C liegt. Zwischen 1978 und 2002 haben die Temperaturen der schweizerischen Fliessgewässer um rund 1°C zugenommen. Dieser Anstieg geht vorwiegend auf Klimaveränderungen zurück. Neben der Förderung der Verbreitung der PKD führt der Temperaturanstieg dazu, dass sich der für die Forellen geeignete Lebensraum verkleinert. Den Forellen wird es in den Gewässern des Mittellandes zu warm.

Wichtig für den Bestandesrückgang ist aber auch die kombinierte Wirkung der Einflussfaktoren, die über rein additive Effekte hinausgehen können. Beispiele hierfür sind der temperaturabhängige Ausbruch der PKD oder die Schwächung des allgemeinen Gesundheitszustandes der Fische durch den «Chemikalien-Cocktail» in den Gewässern.

Massgeschneiderte Massnahmen nötig

Aus diesen Erkenntnissen wurden mögliche Massnahmen und Lösungen abgeleitet. Wichtig ist allerdings, dass sich die Gewichtung der Ursachen von Gewässer zu Gewässer unterscheidet. Massnahmen müssen somit unbedingt den lokalen Gegebenheiten angepasst werden.

In erster Linie sind die Lebensräume zu verbessern. Die Gewässer müssen über den Längsverlauf besser vernetzt werden, die Ufervegetation ist zu fördern, und es ist dafür zu sorgen, dass immer genügend Wasser in den Gewässern verbleibt.
Für alle relevanten Stoffe sind Qualitätsstandards festzulegen und einzuhalten. Der Vollzug des Gewässerschutzgesetzes ist konsequenter zu vollziehen und zu überwachen.

Weiter muss die Bewirtschaftung der Gewässer optimiert werden. Fische aus PKD-Gewässern dürfen nicht in PKD-freie oder nicht untersuchte Gewässer eingesetzt werden. Der Besatz darf nur im Rahmen von Konzepten durchgeführt werden. Um die langfristige Entwicklung und die Wirkung von Massnahmen verfolgen zu können, ist auch eine systematische Überwachung der Fischbestände nötig.

Folgeprojekt und Beratungsstelle

Die Massnahmen erfordern weitergehende Informationen, Schulung und Unterstützung bei der Erfolgskontrolle. Fischnetz wird deshalb mit dem Folgeprojekt «Optimierung der Fischfangerträge und der Gewässerqualität» Kantone und Fischereiorganisationen bei der Umsetzung der Massnahmen unterstützen. Ab April 2004 steht der Fischereiwirtschaft auch die Fischereiberatung FIBER zur Verfügung die von EAWAG, BUWAL und dem SFV getragen wird.



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Bundesamt für Umwelt BAFU
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