Hitzesommer 2003: die Auswirkungen auf die Gewässer: Gletscherschmelzen und ausgetrocknete Bäche

Bern, 16.08.2004 - Hitze und Trockenheit im Sommer 2003 wirkten sich unterschiedlich auf die Gewässer der Schweiz aus: Die Gletscher schmolzen stark ab und füllten die Alpenflüsse mit Wasser, während im Jura und im Mittelland die geringen Abflussmengen und die hohen Wassertemperaturen die Fische bedrohten. Gesuche um Wasserentnahmen für Bewässerungen führten zum Interessenkonflikt zwischen Gewässerschutz und Landwirtschaft. Keine Probleme wurden bei der Wasserqualität gemeldet und die Trinkwasserversorgung wurde nur lokal beeinträchtigt. Insgesamt drängen sich keine Massnahmen auf Stufe Gesetzgebung auf. Zu diesem Schluss kommt ein heute veröffentlichter Bericht von BUWAL, BWG und MeteoSchweiz.

Hart getroffen wurde die Fischfauna, die gleich doppelt bedroht war: von den sinkenden Wasserständen – im Extremfall bis zum Austrocknen des Bachbetts – und von den hohen Wassertemperaturen, die für bestimmte Fischarten wie Forellen oder Äschen lebensbedrohlich sein können. Das spektakulärste Ereignis des Sommers 2003 – das Massensterben von über 50'000 Äschen im Rhein unterhalb des Bodensees – hatte seine Ursache in den extrem hohen Wassertemperaturen. Am 12. August wurden bei Stein am Rhein in der Flussmitte in vier Metern Tiefe fast 26 °C gemessen.

Generell war das Austrocknen von Gewässern jedoch das grössere Problem als die hohen Wassertemperaturen. Eine Umfrage bei den Kantonen ergab, dass im Sommer 2003 mindestens 350 Fischgewässer mit einer Länge von insgesamt 245 Kilometern als Folge der Niederschlagsdefizite streckenweise oder ganz ausgetrocknet waren. In zahlreichen Kantonen war das Fischereipersonal im Dauereinsatz, um die Fische vor dem Trockenfallen der Gewässer oder dem Temperaturstress zu retten. Dabei wurden mindestens 120'000 Fische in Gewässerabschnitte mit ausreichender Wasserführung umgesiedelt. Insgesamt wurden gegen 85'000 tote Fische eingesammelt, wobei die tatsächlichen Verluste deutlich höher gelegen haben dürften.

Besser erging es der Flora und Fauna in Feuchtgebieten wie Auen und Mooren (siehe Kasten 2). Als Folge der Hitze und der Trockenheit traten ungewöhnliche Phänomene auf: So wuchsen im Flussbett der Thur beispielsweise Sonnenblumen und Tomatenstauden, und im Neuenburgersee wurden Süsswasserquallen beobachtet.

Bewässerung versus Gewässerschutz

Eine besondere Herausforderung für die Behörden war der für heisstrockene Sommer typische Interessenkonflikt zwischen Gewässerschutz und Wasserentnahmen aus kleineren Fliessgewässern zum Bewässern der von Dürreschäden bedrohten landwirtschaftlichen Kulturen. Die schwierige Lage wurde von den betroffenen Kantonen unterschiedlich bewältigt, wie der Bericht aufzeigt. Zeitweise mussten Einschränkungen oder Verbote für Wasserentnahmen verfügt werden, um eine minimale Wasserführung sicherzustellen. Vereinzelt führte dies zu Konflikten zwischen Behörden und Bauern und zu illegalen Wasserentnahmen. Insgesamt waren die Massnahmen der Kantone jedoch zielführend: Anders als in früheren Trockensommern dürften leergepumpte Bäche die Ausnahme geblieben sein. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Ursache für das Austrocknen mancher Gewässerabschnitte die geringen Niederschläge und nicht die Wasserentnahmen waren.

Kein unmittelbarer Handlungsbedarf

Meldungen über temperatur- und trockenheitsbedingte Erhöhungen der Konzentration von chemischen Inhaltsstoffen oder durch verstärkte bakterielle Aktivitäten trafen keine ein. Der Betrieb der Abwasserreinigungsanlagen wurde eher positiv als negativ beeinflusst. Hinweise über besondere hygienische Probleme in Badegewässern als Folge der ausserordentlichen Witterung liegen ebenfalls keine vor. Beim Grundwasser, bei der Trinkwasserversorgung und bei der Nutzung der Wasserkraft traten nur lokal Probleme auf (siehe Kasten 3).

Bei einer Gesamtbetrachtung der im Bericht zusammengestellten Daten und Beobachtungen aus dem Jahr 2003 drängen sich beim gegenwärtigen Stand des Wissens auf Bundesebene keine unmittelbaren Massnahmen auf Stufe Gesetzgebung auf. Allerdings lässt der Klimawandel künftig vermehrt Extremereignisse erwarten wie den Hitzesommer 2003. Es ist deshalb unerlässlich, die langfristigen Anstrengungen in Sachen Klimaschutz (wie die Umsetzung des Kyoto-Protokolls oder des CO2-Gesetzes) fortzusetzen, wie BUWAL-Direktor Philippe Roch kommentiert.

 

Kasten 1: Eine gemeinsame Studie zum ausserordentlichen Sommer

Im denkwürdigen Sommer 2003 herrschten in der Schweiz ausserordentliche klimatische Verhältnisse: Von Mitte April bis Ende August lagen die Lufttemperaturen fast durchweg deutlich über dem langjährigen Mittel, und die Monate Juni und August brachten eine bisher einmalige Häufung von Hitzerekorden, darunter die höchste je in der Schweiz gemessene Lufttemperatur von 41,5 ºC. Begleitet wurde die Hitze von einer anhaltenden Trockenheit. Ihre Zentren lagen im Jura, im tieferen Mittelland und im Tessin, wo die Bäche und Flüsse aus unvergletscherten Einzugsgebieten teils sehr wenig Wasser führten. Die Tiefstwerte aus dem trockenheissen Sommer 1947 wurden jedoch in der Regel nicht erreicht.

Ganz anders die Lage im Hochgebirge: Die anhaltende Wärme liess Schnee und Eis in ungewöhnlichem Mass abschmelzen. Der für 2003 geschätzte Massenverlust der Gletscher dürfte rund vier Mal höher gewesen sein als in den vorangegangenen Jahren, die ohnehin zur überdurchschnittlich warmen Periode seit den 1980er Jahren gehören. Die Gletscherbäche führten deswegen trotz der Trockenheit ungewöhnlich viel Wasser.

Die jetzt vorliegende Dokumentation «Auswirkungen des Hitzsommers 2003 auf die Gewässer» präsentiert knapp und übersichtlich die wichtigsten Daten und Beobachtungen aus diesem ungewöhnlichen Sommer. Ausgehend von den Ursachen und dem Ablauf der Witterung werden die Wirkungen auf die Abflüsse und Seestände dargestellt, ebenso wie die Wasserqualität, das Grundwasser, die Situation in Feuchtgebieten, die Wasserentnahmen und Wassereinleitungen, die Fische und die Fischerei, die Badegewässer, die Trinkwasserversorgung, die Wasserkraftwerke und die Schifffahrt dargestellt. Der Bericht stellt Datengrundlagen für Praktiker und Forschende bereit, die sich mit den Folgen von klimatischen Extremereignissen befassen.

Kasten 2: Anpassungsfähige Feuchtgebiete

Obwohl viele Weiher und Tümpel austrockneten, zeigen die vorliegenden Beobachtungen, dass Feuchtgebiete wie Auen und Moore wegen ihrer hohen natürlichen Anpassungs- und Regenerationsfähigkeit den Hitzesommer insgesamt gut abfedern konnten. Die Ausnahmesituation brachte zudem eher seltene Phänomene hervor: So wuchs beispielsweise auf den monatelang trocken liegenden ufernahen Seeböden des Lago Maggiore ein dichter grüner Teppich mit Pflanzen, die dort seit Jahrzehnten nicht mehr beobachtet worden sind. Pioniergemeinschaften besiedelten auch die vorübergehend trockenliegenden Schlamm- und Kiesbänke in den Flüssen, um nach dem Ende der Wassertiefstände wieder zu verschwinden. Und im Neuenburgersee wurde eine für den Menschen harmlose zentimetergrosse Süsswasserqualle entdeckt, die ursprünglich wahrscheinlich aus Südamerika stammt und für die Fortpflanzung hohe Wassertemperaturen benötigt.

Kasten 3: Trinkwasser, Grundwasser und Wasserkraft: nur lokale Probleme

Gut über die Runden kamen die grossen städtischen Trinkwasserversorgungen und jeneGemeinden, die sich an Verbundnetze angeschlossen haben. Die grossen Investitionen der letzten Jahre zahlten sich im Härtetest des Sommers 2003 aus. Verbrauchseinschränkungen mussten einzig kleine und isolierte Wasserversorgungen verfügen, die vor allem von Quellen abhängen. Die heisstrockene Witterung hatte jedoch keine signifikanten Auswirkungen auf die Trinkwasserqualität.

Die Grundwasservorkommen – aus ihnen wird rund 80 Prozent des Trinkwassers gewonnen – profitierten von den ausnehmend hohen Wasserständen zum Jahresbeginn 2003. In den Tälern der grossen Alpenflüsse wurden sie zudem durch Wasser aus der starken Schnee- und Gletscherschmelze angereichert. In diesen Gebieten lagen die Wasserstände Ende Sommer 2003 zwar tief, aber immer noch über dem langjährigen Minimum. In den kleineren Tälern desMittellands und im Südtessin sanken sie jedoch zum Teil auch unter die bisherigen Minimalwerte. Einen sehr starken Rückgang der Schüttung erlitten Quellen, die aus oberflächennahen Grundwasservorkommen gespeist werden.

Gut zu Recht kamen auch die grossen Elektrizitätswerke. Die Stromproduktion aus Wasserkraft lag im Jahr 2003 nur 0,8 Prozent unter dem Mittel der letzten zehn Jahre. Die Produktionsverluste waren damit deutlich geringer als in den Trockenphasen der 1970er Jahre. Zwar sank die Energieproduktion der Laufkraftwerke im Unterland wegen der geringen Wasserführung der Flüsse teils stark ab. Die Minderproduktion konnte jedoch durch den verstärkten Einsatz der Speicherkraftwerke in den Alpen kompensiert werden, die von der starken Schnee- und Gletscherschmelze profitierten. Im Mittelland mussten dagegen verschiedentlich Kleinkraftwerke stillgelegt werden, da unter Einhaltung der Dotierwassermenge die Wasserführung für den Betrieb nicht mehr ausreichte.

Kasten 4: Ein Jahr danach: niedrige Pegel bei Fliessgewässern, Normalisierung beim Grundwasser

Anfangs August hatten die meisten Fliessgewässer in der Schweiz im Vergleich mit dem langjährigen Augustmittelwert unterdurchschnittliche  Abflüsse. Am stärksten betroffen sind die kleineren und mittleren Gewässer in der Westschweiz (Broye und kleine Zuflüsse Lac Léman), im Jura und im Tessin. Gründe dafür sind : ein massives Niederschlagsdefizit für das erste Halbjahr 2004 in der Westschweiz und ein beträchtliches Defizit im Tessin sowie leicht unterdurchschnittliche Regenmengen in der übrigen Schweiz; saisonale Schwankungen der Abflüsse; unvergletscherte Einzugsgebiete. Im Vergleich zu 2003 liegen die Abflusswerte in der Deutschschweiz nicht so tief. In der Westschweiz hingegen ist die Situation mit 2003 vergleichbar.

Der vergangene niederschlagsarme Winter und Frühling hatte zur Folge, dass die Grundwasserstände im Frühjahr 2004 sehr niedrig waren, tiefer als in der gleichen Vorjahresperiode. Als Folge der vermehrten Niederschläge stiegen die Grundwasserstände ab Mai 2004 im Allgemeinen an während sich die Quellschüttungen grösstenteils bereits im letzten Winter normalisiert hatten. Sie reagieren rascher auf Niederschläge. Zurzeit liegen die Grundwasserstände und Quellschüttungen generell knapp unterhalb des langjährigen Mittels. Insbesondere in der Westschweiz macht sich das Niederschlagsdefizit des ersten Halbjahres 2004 deutlich bemerkbar, wie z.B. die Lage im Kanton Freiburg zeigt. Hier wurde Ende Juli wegen niedriger Grundwasserstände zum Wassersparen aufgerufen.



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