Mit 100 Jahren sind die Jugendherbergen so jung wie nie

Bern, 28.04.2024 - Ansprache von Bundesrat Guy Parmelin Vorsteher des Eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) anlässlich des Jubiläum 100 Jahre Schweizer Jugendherbergen, Jona, Sonntag, den 28. April 2024

Sehr geehrter Herr Präsident
Sehr geehrte Frau Bunte
Sehr geehrte Frau Staatsrätin
Sehr geehrter Herr Regierungsrat
Sehr geehrte Damen und Herren

Ich freue mich, heute bei Ihnen zu sein.

Es ist mir eine Ehre, mit Ihnen 100 Jahre Schweizer Jugendherbergen zu feiern.

Stellen Sie sich vor, wie die Welt vor 100 Jahren ausgesehen hat. Es war eine schwierige Zeit zwischen den beiden Weltkriegen. Wirtschaftskrisen, Inflation, Spannungen zwischen den Ländern, Umbrüche - Innovationen waren gefragt. Kommt Ihnen das bekannt vor? Vieles erinnert mich heute an diese Zeit. Zum Beispiel die Mobilität. Heute reden viele über Elektroautos. Wie war das 1924? Auf den Strassen hatten Fahrzeuge mit Motoren die Kutschen verdrängt. Engagierte Köpfe haben deshalb vor 100 Jahren den ersten Automobilsalon in Genf ins Leben gerufen. Auch andere Ereignisse nahmen in diesem Jahr ihren Anfang. Der Schwede Ernst Alexanderson schickte mit seinem «Alternator» erstmals einen Brief aus den USA ohne Postdienste zu seinem Vater nach Schweden. Er hatte das Faxgerät erfunden.

1924 war das Geburtsjahr von verschiedenen Persönlichkeiten: Marlon Brando, Charles Aznavour oder Jimmy Carter, der von 1977 bis 1981 amerikanischer Präsident war (und heute immer noch lebt).

Im selben Jahr wurde der Spielfilm «Quo vadis» in Berlin uraufgeführt. Erinnern Sie sich noch an den Film? Der unbarmherzige Kaiser Nero, der Rom anzündete? Wahrscheinlich erinnern Sie sich eher an die Verfilmung von 1951 mit Peter Ustinov in der Rolle des Nero. Es ist kein Geheimnis - das ist ein Lieblingsfilm von mir.

Quo vadis? - Wohin gehst du? Das könnten wir uns bei den Schweizer Jugendherbergen übrigens auch fragen. Denn in den letzten 100 Jahren ist sehr viel passiert. Angefangen hat alles - so sagt man mir - mit 12 Häusern, dann mit einem rasanten Wachstum auf über 200 Häuser. Heute bieten knapp 50 Jugendherbergen Übernachtungsmöglichkeiten an.

Ich muss an dieser Stelle zugeben: Meine Erfahrung mit Übernachtungen in Jugendherbergen ist eher bescheiden. Wegen meines familiären Hintergrunds und meiner Ausbildung als Landwirt kenne ich vor allem «Ferien auf dem Bauernhof» bei uns zu Hause. Beiden Übernachtungsarten ist aber gemeinsam, dass sie viele Möglichkeiten bieten, wunderbare und unvergessliche Erlebnisse und Begegnungen zu machen.

Wenn ich mir die heutigen Angebote der Jugendherbergen anschaue, dann beschleicht mich das Gefühl, dass ich einiges verpasst habe. Es gibt so viele verschiedene Jugendherbergen - Schlösser, Burgen, historische Chalets, Berghäuser, ein ehemaliger Pferdestall, ein ehemaliges Kurhaus. Auch das Wellness-Hostel 4000 in Saas-Fee. Wie Sie es selber auf einen Nenner bringen: Es gibt alles - vom Strohbett bis zum Wellnesshostel.

Zur Erinnerung: Bei der Gründung vor 100 Jahren hiess es, eine Jugendherberge müsse neben Übernachtungsmöglichkeiten - mit Betten oder Schlafplätzen im Stroh - ein Dach über dem Kopf mit einer Kocheinrichtung bieten. Es war damit für viele weniger betuchte junge Menschen und Familien eine Möglichkeit, einfache Ferien in der Schweiz oder auch im Ausland zu machen. Günstige Übernachtungen für Selbstkocher - eine willkommene Alternative zu den boomenden Hotels. Eine Innovation mit guter Intuition.

Lassen Sie mich zwei Entwicklungen speziell hervorheben. Erstens die Nachhaltigkeit. Bereits Mitte der 1990er Jahre haben die Jugendherbergen eine Nachhaltigkeitsstrategie formuliert, diese dann kontinuierlich weiterentwickelt und ergänzt. Sie haben später dafür verschiedene Preise erhalten, zum Beispiel den Tourismus-Innovationspreis «Milestone». Sie haben sich auf die Fahne geschrieben, ressourcenschonend zu haushalten. Zusammen mit der Schweizerischen Stiftung für Sozialtourismus haben Sie die Nachhaltigkeitsstrategie aber noch weiter gefasst. Dazu gehört unter anderem auch, dass die meisten Jugendherbergen barrierefrei sind. Ich möchte Sie dazu ermutigen, weiterhin auch diese Hintergedanken in den Vordergrund zu stellen.

Auch bei einer anderen wichtigen Entwicklung sind Sie vorne dabei: bei der Digitalisierung. Sie haben beim Aufbau des Vereins und der Plattform discover.swiss aktiv mitgewirkt. Sie wollen damit die Zusammenarbeit und den Wissensaufbau sowie den Wissenstransfer im Bereich der digitalen Transformation der touristischen Leistungsträger der Schweiz fördern. Das finde ich in der heutigen Zeit ein zentraler Gedanke: Alle Branchen müssen sich im Thema weiterentwickeln und dabei möglichst zusammenarbeiten. Ich gratuliere Ihnen deshalb auch zu diesem Engagement.

Gleichzeitig möchte ich Frau Bunte meine Anerkennung aussprechen für Ihr unermüdliches Engagement in der Begleitgruppe der Tourismuspolitik des Bundes.

Am Anfang - also vor 100 Jahren - stand die Idee, auf sinnvoller Basis die Freizeitgestaltung zu fördern und dazu ein Angebot bereitzustellen. Das haben Sie über die vielen Jahre ganz klar geschafft. Wie viele Menschen in der Schweiz und im Ausland haben sich in einer Jugi kennengelernt? Bekanntschaften über Länder- und Kulturgrenzen sind entstanden - vielleicht beim Kochen oder am Tisch. Und unzählige Male haben wohl Schweizerinnen und Schweizer den ausländischen Gästen das Wort «Chuchichäschtli» beibringen wollen. Sie hören es, auch ich als Waadtländer habe da noch meine liebe Mühe damit...

Die Geschichte der Jugendherbergen zeigt, dass es einige Höhen und Tiefen gab. Und damit meine ich nicht nur die Corona-Zeiten. Sie haben die Idee nie aus den Augen verloren. Sie haben sich der Zeit angepasst. Es gibt keine muffigen Zimmer mehr, keine grossen Schlafsäle. Im Zentrum stehen heute wie damals: die sozialen Werte und der sparsame Umgang mit natürlichen Ressourcen. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Jugendherbergen sind ein wichtiger Player im Schweizer Tourismus. Und eine wichtige Visitenkarte für die Schweiz. Deshalb freut es mich besonders, dass heute der Präsident und der CEO von Hostelling International anwesend sind.

Lassen Sie mich noch ein wenig in die Zukunft blicken: Die Bedürfnisse der Menschen haben sich in den vergangenen 100 Jahren verändert. Wie zu Beginn erwähnt, gab es noch wenige Autos auf den Strassen. Heute sind führerlose Elektro-Autos eine Realität. Vor 100 Jahren konnte sich niemand vorstellen, dass wir mailen und per Handy telefonieren. Die Menschen hatten viel weniger Freizeit als heute. Heute wird vielerorts bereits von einer Vier-Tage-Woche gesprochen. Was aber geblieben ist: Die Mehrheit der Menschen in der Schweiz reist gerne - mit kleinem, mittlerem oder grossem Budget. Ich wünsche Ihnen, dass viele von diesen Menschen - ob jung oder alt - den Weg in eine Jugendherberge finden werden.

Und ich wünsche Ihnen, dass Sie offen für Neues bleiben, innovativ und flexibel. Das wünsche ich übrigens mir auch.

Gehen wir mit Schwung und Gelassenheit an die bevorstehenden Aufgaben heran. A propos Schwung: Ein Tipp: Erkunden Sie doch mal die Berge und die Region um den Genfersee und schwingen Sie sich aufs Mietbike des Hostels in Montreux. Eine wunderschöne Gegend. Als Waadtländer darf ich das sagen.

Ich danke Ihnen nochmals für den freundlichen Empfang.

Besten Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Und nochmals herzliche Gratulation!


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