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Expertenkommission Steuerstrafrecht und internationale Amtshilfe veröffentlicht ihren Schlussbericht

MEDIENMITTEILUNG

Expertenkommission Steuerstrafrecht und internationale Amtshilfe
veröffentlicht ihren Schlussbericht

28. Jan 2005 (EFD) Eine grundlegende Harmonisierung des schweizerischen
Steuerstrafrechts drängt sich nicht auf. Zu diesem Schluss gelangt eine vom
Eidg. Finanzdepartement (EFD) eingesetzte Expertenkommission in ihrem heute
Freitag veröffentlichten Bericht. Hingegen legt die Kommission Vorschläge
für Gesetzesrevisionen vor, mit denen das Hinterziehungsverfahren im Bereich
der Einkommens- und Vermögenssteuern besser geregelt werden könnte. Zur
internationalen Zusammenarbeit im Steuerbereich wird der Entwurf eines
Bundesgesetzes vorgelegt. Es soll das Amtshilfeverfahren, wie es die von der
Schweiz abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen vorsehen, regeln.

Am 22. Dezember 2003 hat der damalige Chef des EFD, Bundesrat Kaspar
Villiger, eine Expertenkommission eingesetzt. Die Kommission erhielt zwei
zentrale Aufträge. Erstens hatte sie abzuklären, ob eine vereinheitlichte
Neufassung der Bestimmungen zum schweizerischen Steuerstrafrecht notwendig
sei. Zweitens wurde sie beauftragt, ein Bundesgesetz über die Amtshilfe
auszuarbeiten zwecks Verbesserung der internationalen Zusammenarbeit im
Steuerbereich.

In ihrem Bericht hält die Kommission fest, dass von einer Harmonisierung des
schweizerischen Steuerstrafrechts grundsätzlich ein vereinfachtes System
erwartet werde. Zu berücksichtigten sei aber, dass eine wirkliche
Vereinfachung über alle unterschiedlichen Steuerarten hinweg aufgrund der
föderalistischen Steuerordnung in der Schweiz letztlich nicht garantiert
werden könne.

Hingegen ist die Kommission der Auffassung, dass das Hinterziehungsverfahren
im Bereich der Einkommens- und Vermögenssteuern besser geregelt werden
müsse. Dies nicht zuletzt aufgrund der Rechtsprechung des Europäischen
Gerichtshofs für Menschenrechte. Die Kommission schlägt daher
schwergewichtig Änderungen der einschlägigen Bestimmungen im Bundesgesetz
über die direkte Bundessteuer (DBG) und der entsprechenden Bestimmungen im
Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und
Gemeinden (StHG) vor. Dabei orientiert sich die Kommission weitgehend an den
geltenden Regelungen. Beibehalten werden namentlich die Schweizer
Eigenheiten wie das Sanktionensystem mit der Unterscheidung zwischen
Steuerbetrug und Steuerhinterziehung, aber auch die Unterschiede zwischen
der Strafverfolgung durch Bundesbehörden (im Bereich der Mehrwertsteuer, der
Verrechnungssteuer, der Stempelabgaben) und Kantonsbehörden (im Bereich der
direkten Steuern).

Zur internationalen Zusammenarbeit im Steuerbereich unterbreitet die
Kommission auftragsgemäss ein Bundesgesetz. Dieses Gesetz soll das
Amtshilfeverfahren, wie es die von der Schweiz abgeschlossenen
Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) vorsehen, regeln. Es bezweckt, das
anwendbare Verfahren zu vereinheitlichen, wenn ein Vertragsstaat von den
zuständigen schweizerischen Behörden Amtshilfemassnahmen verlangt, um das
DBA korrekt anzuwenden oder zur Durchsetzung seines internen Rechts. Das
Gesetz muss den Vorgaben für eine einwandfreie Durchführung des
Amtshilfeverfahrens Rechnung tragen, um so die Verwaltungen der ersuchenden
Staaten wirksam unterstützen zu können. Es muss aber auch die in der
schweizerischen Rechtsordnung gründenden Rechte der Personen wahren, die von
in der Schweiz durchgeführten Amtshilfemassnahmen betroffen sind

Die Kommission schlägt ferner weitere punktuelle Änderungen im Zusammenhang
mit Strafbestimmungen oder dem Steuerhinterziehungsverfahren vor. Diese
Änderungen betreffen das DBG, das StHG sowie die Bundesgesetze über die
Verrechnungssteuer, über die Mehrwertsteuer und über die Stempelabgaben. Zu
erwähnen ist namentlich, dass in diesen Bundesgesetzen für die
Strafverfolgung das Opportunitätsprinzip eingeführt werden soll.

Der Bericht der Expertenkommission ist deutsch und französisch verfügbar.
Die Gesetzesentwürfe sind gegenwärtig nur deutsch erhältlich.

Vorschläge zum Steuerstrafrecht

Die Kommission schlägt einen Gesetzesentwurf vor. Dieser Entwurf sieht eine
Revision der Verfahrensbestimmungen im DBG und StHG und weiteren
Steuergesetzen vor. Dabei geht es vor allem um die Bestimmungen über die
Verfolgung von Widerhandlungen gegen diese Steuergesetze. Dazu gehört die
Steuerhinterziehung und auch die Verletzung von Verfahrenspflichten. Ferner
empfiehlt die Kommission die Revision bestimmter materieller
Strafbestimmungen im DBG und StHG.

Beispiel: Aufhebung von Steuerbestimmungen, die gegen die Europäische
Menschenrechtskonvention (EMRK) verstossen.

Am 3. Mai 2001 erging ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes für
Menschenrechte in Strassburg in Sachen J.B. gegen die Schweiz. Bis zu diesem
Urteil war es möglich, Steuerpflichtige unter Androhung von Ordnungsbussen
zur Herausgabe von Unterlagen aufzufordern. Dies nach Auffassung der Eidg.
Steuerverwaltung und einem Teil der Kantone auch in einem Nachsteuer- und
Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung. Im erwähnten Urteil analysiert der
Strassburger Gerichtshof die sich aus Artikel 6 EMRK ergebenden Rechte,
namentlich das Recht des einer Straftat Angeschuldigten, nicht zu seiner
Überführung beitragen zu müssen. Er darf schweigen. Wer der
Steuerhinterziehung beschuldigt wird, ist nach Auffassung des Gerichts ein
Angeschuldigter im Sinne dieser Konventionsbestimmung. Die Steuerbehörden
dürfen ihn nicht mit Ordnungsbussen zur Herausgabe von Unterlagen zwingen.

Als Lösung schlägt die Kommission vor, auch im DBG und StHG bei
Strafverfahren wegen Verletzung von Verfahrenspflichten und wegen
Steuerhinterziehung die Verfahrensgarantien zu gewährleisten, wie sie sich
insbesondere aus der EMRK ergeben. Namentlich ist die Unschuldsvermutung
z.G. des angeschuldigten Steuerpflichtigen zu beachten. Beweismittel aus
einem Nachsteuerverfahren sollen daher in einem Steuerverfahren wegen
Steuerhinterziehung nur unter bestimmten Voraussetzungen verwendet werden
dürfen. So darf bei deren Beschaffung weder eine Veranlagung nach
pflichtgemässem Ermessen mit Umkehr der Beweislast bei deren Anfechtung noch
eine Busse wegen Verletzung von Verfahrenspflichten angedroht worden sein.
Bei Einleitung eines Nachsteuerverfahrens ist der Steuerpflichtige zudem auf
die Möglichkeit aufmerksam zu machen, dass in der Folge ein Strafverfahrens
wegen Steuerhinterziehung gegen ihn eröffnet werden könnte. Ferner muss er
über seine Rechte informiert werden, die ihm im Hinblick darauf zustehen.

Amtshilfe

Vorschlag für ein Bundesgesetz über die internationale Amtshilfe bei
Doppelbesteuerungsabkommen (DBA).

Dieses Gesetz soll drei verschiedene Kategorien von Amtshilfe regeln:

- die Amtshilfe zur richtigen Anwendung von DBA;

- die Amtshilfe zur Durchsetzung des internen Rechts der Vertragsstaaten bei
Steuerdelikten (Steuerbetrug und dergleichen) im vom jeweiligen DBA
vorgesehenen Rahmen;

- die Amtshilfe zur Durchsetzung des internen Rechts der Vertragsstaaten
ausserhalb von Steuerdelikten im vom jeweiligen DBA vorgesehenen Rahmen.

Zusammensetzung der Expertenkommission:

Franz Marty, alt Regierungsrat und Finanzdirektor des Kantons Schwyz,
Kommissionspräsident
Prof. Peter Böckli, Advokat, Basel
Prof. Stefan Trechsel, Zürich
Prof. Robert Waldburger, St. Gallen
Christoph Hasler, Chef der Sektion Strafrecht, Hauptabteilung
Mehrwertsteuer, ESTV
Markus Leibundgut, Chef der Sektion Straf-und Inkassowesen, Hauptabteilung
DVS, ESTV
Ernst Maeder, ehem. Chef der Abteilung Besondere Steueruntersuchungen, ESTV
Bernhard Greminger, Chef Fachstab Steuergesetzgebung, Kantonales Steueramt
Zürich
Frédéric Gante, Chef des Länderdienstes IV, Abteilung für internationales
Steuerrecht und Doppelbesteuerungssachen, ESTV, Kommissionssekretär

Auskunft für Medienschaffende:
Prof. Robert Waldburger, St. Gallen, Tel. 079 216 45 59
Frédéric Gante, Eidg. Steuerverwaltung, Tel. 031 322 71 46

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