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Krankenversicherung: Bundesrat eröffnet Vernehmlassungsverfahren zur Pflegefinanzierung

Eidgenössisches Departement
des Innern

        Medienmitteilung

     Bern, den 23.Juni 2004

Krankenversicherung: Bundesrat eröffnet Vernehmlassungsverfahren zur
Pflegefinanzierung
Der Bundesrat hat das Vernehmlassungsverfahren zur Neuordnung der
Pflegefi­nanzierung eröffnet. In seiner Vernehmlassungsvorlage stellt der
Bundesrat zwei unterschiedliche Finanzierungsmodelle zur Diskussion, mit
denen die finanziellen und sozialpolitischen Herausforderungen im
Pflegebereich angegangen werden sollen. Die beiden Modelle unterscheiden
sich vorab in der Definition der kassenpflichtigen Leistungen. Die Modelle
zielen darauf ab, die Ausgaben der Krankenversicherung zu stabilisieren und
die Ergänzungs­leistungen zu erweitern. Die Vernehmlassung dauert bis zum
24. September 2004.

Der Bundesrat hat am 25. Februar 2004 im Rahmen seiner Reformplanung zur
Krankenversicherung ent­schieden, dem Parlament bis Ende Jahr eine Botschaft
zur Neuordnung der Pflegefi­nanzierung vorzulegen. Finanziell müssen die
Kosten der Krankenversicherung im Pflegebereich stabilisiert werden. Diese
wachsen demografiebedingt und können bereits heute nur mit behördlichen
Rahmentarifen einigermassen im Griff behalten werden. Sozialpolitisch gilt
es sicherzustellen, dass Pflegebedürftige im Alter nicht zu Armutsfällen
werden. Um dieses doppelte finanz- und sozialpolitische Ziel zu erreichen,
hat der Bundesrat zwei Finanzierungsmodelle in die Vernehmlassung geschickt:

-  Modell A

Die Grundidee des ersten Modells besteht darin, dass die Krankenversicherung
aus­schliesslich für komplexe Pflegefälle voll aufkommt, während in
einfachen Pflegesituationen die Krankenversicherung keine Pflegeleistungen
mehr vergütet. Mit diesem Modell soll dem Umstand besser Rechnung getragen
werden, dass die Krankenversicherung eigentlich nur für die
krankheitsbedingte, nicht aber für die rein altersbedingte Pflege
aufzukommen hat. Diese Neukonzeption führt in der Krankenversicherung zu
Minderausgaben. Im Gegenzug werden bei der Hilflosenentschädigung der AHV
Anpassungen vorgenommen, die auf die Neuregelung der Leistungspflicht der
Krankenversicherung abgestimmt sind.

-  Modell B

Das Modell B, das sich weitgehend auf einen im Juli 2003 vorgelegten
Expertenbe­richt abstützt, unterscheidet zwischen der Akutpflege und der
Langzeitpflege: Die Krankenver­sicherung übernimmt bei der Akutpflege die
vollen Kosten der Pflegeleistungen nach KVG, während an die Langzeitpflege
lediglich ein Beitrag gewährt wird. Die Abgrenzung zwischen Akut- und
Langzeitpflege erfolgt durch ein zeitliches Kriterium: die ersten 90
Pflegetage ausserhalb des Spitals gelten als Akutphase, die folgenden Tage
als Langzeitphase. Bei diesem Modell bleibt die Gesamtbelastung der
Krankenversicherung gegenüber heute unverändert. Anpassungen bei der AHV
sind nicht vorgesehen.

Beide Modelle stabilisieren die Pflegeleistungen der Krankenversicherung auf
dem heutigen Niveau, welches hauptsächlich durch die Rahmentarife bestimmt
wird. Die Stabilisierung der Leistungen der Krankenversicherung führt zu
einer Mehrbelastung der privaten Haushalte. Deshalb wird als begleitende
Massnahme in beiden Modellen vorgeschlagen, den Anspruch auf die
Ergänzungsleistungen für Personen im Heim zu erweitern, indem der heute
bestehende Plafond für die Ergänzungsleistung für Heimbewohner
und -bewohnerinnen (gegenwärtig rund 30'000 Franken/Jahr) aufgehoben werden
soll. Bei den Ergänzungsleistungen bringt das Mehrkosten von 236 Mio.
Franken/Jahr mit sich.

Beide Finanzierungsmodelle beruhen auf dem Grundsatzentscheid des
Bundesrates, den Pflegebereich mit den bestehenden sozialpolitischen
Instrumenten zu regeln. Der Bundesrat verzichtet damit insbesondere darauf,
eine eigenständige Pflegever­sicherung vorzuschlagen.

EIDG. DEPARTEMENT DES INNERN

Presse- und Informationsdienst

Auskunft:    Daniel Wiedmer, Leiter a.i. Kranken- und Unfallversicherung,
Bundesamt für Gesundheit, 031 322 95 05

Vernehmlassungsverordnung: www.bag.admin.ch/kv/projekte/d/index.htm

Anhang: Ergänzende Erläuterungen zur heutigen Pflegefinanzierung und zu den
vorgeschlagenen Finanzierungsmodellen

Heutige Pflegefinanzierung

Nach geltendem Recht übernimmt die obligatorische Krankenpflegeversicherung
grundsätzlich auch im Pflegeheim sowie im Rahmen der Spitex die vollen
Kosten von Pflegemassnahmen. Der demografie­bedingt zunehmende Pflegebedarf
hat tendenziell dazu geführt, dass die Krankenver­sicherung immer mehr
Kosten für Pflegeleistungen übernimmt. Um diese Kostenent­wicklung besser in
den Griff zu bekommen, wurden 1998 Rahmentarife für die Pfle­geleistungen
eingeführt. Diese gelten so lange, bis die Vorgaben zur Kostentranspa­renz
von den Leistungserbringern erfüllt sind. Die Konkretisierung dieser
Vorgaben erfolgt in der am 1.1.2003 in Kraft getretenen Verordnung über die
Kostenermittlung und die Leistungserfassung durch Spitäler und Pflegeheime.
Sobald diese Kosten­transparenz besteht, dürften die Leistungserbringer die
über die Rahmentarife hinaus­gehende volle Leistungsvergütung einfordern.

Um den damit einhergehenden Kostenschub eindämmen zu können, hat der
Bundesrat in seiner Botschaft vom 26. Mai 2004 (Botschaft 1A "Strategie und
dringliche Punk­te") vorgeschlagen, die Rahmentarife bis zum Inkrafttreten
der Neuregelung der Pfle­gefinanzierung grundsätzlich weiter zu führen und
nach einer Anpassung der beiden oberen Pflegebedarfsstufen einzufrieren.

Modell A

Beschrieb des Modells

Anknüpfungspunkt für die Krankenversicherung ist die Behandlungspflege; die
Grundpflege wird nur noch in Zusammenhang mit einer Behandlungspflege von
der Krankenversicherung vergütet. Das bedeutet gegenüber heute:

-   In einfachen Pflegesituationen (Situationen, in denen ausschliesslich
Grundpflege erforderlich ist, die auch durch Laien erbracht werden kann)
übernimmt die Kranken­versicherung keine Leistungen mehr; als Korrektiv wird
vorgeschlagen, eine AHV-Hilflosenentschädigung für Hilflosigkeit leichten
Grades für Personen zu Hause ein­zuführen.

-   In komplexen Pflegesituationen übernimmt die Krankenversicherung die
vollen Ko­sten sowohl für die Grund- wie für die Behandlungspflege; als
Korrektiv wird vor­geschlagen, die AHV-Hilflosenentschädigung für
Hilflosigkeit mittleren und schwe­ren Grades für Personen im Heim
abzuschaffen, nicht aber für Personen zu Hause (als Anreiz, möglichst lange
zu Hause zu bleiben).

Finanzielle Auswirkungen des Modells A:

-   in der Krankenversicherung: - 63 Mio. CHF

-   in der AHV: - 158 Mio. CHF

-   bei den Ergänzungsleistungen: + 236 Mio. CHF

Glossar zum Modell A:

-         Behandlungspflege: Die Behandlungspflege ist auf die Durchführung
von Massnahmen zur Erreichung eines medizinischen Behandlungsziels
gerichtet. Sie wird durch eine qualifizier­te Pflegeperson ausgeführt oder
überwacht und eine ärztliche Betreuung ist im Hintergrund vorhanden.

-  Grundpflege: Die Grundpflege bezweckt die Aufrechterhaltung der
allgemeinen täglichen Lebensverrichtungen, welche grundsätzlich selbst
ausgeführt werden und sechs Bereiche betreffen (Ankleiden, Auskleiden;
Aufstehen, Absitzen, Abliegen; Essen; Körperpflege; Verrichten der Notdurft;
Fortbewegung).

-         Hilflosenentschädigung: Die AHV gewährt allen versicherten
Personen, die wegen der Beeinträchtigung der Gesundheit für alltägliche
Lebensverrichtungen dauernd der Hilfe Dritter oder der persönlichen
Überwachung bedürfen, eine Geldleistung, die als Hilflosen­entschädigung
bezeichnet wird. Die AHV kennt im heutigen System zwei Grade der
Hilflosigkeit (mittel und schwer).

Modell B

Beschrieb des Modells

Bei der Akutpflege werden die Pflegekosten von der Krankenversicherung voll
übernommen, bei der Langzeitpflege nur teilweise (Beitrag). Anknüpfungspunkt
für die Abgrenzung in der Langzeitbehandlung zwischen Akut- und
Langzeitpflege ist ein zeitliches Kriterium, welches gemäss der geltenden
Kompetenzordnung im Leistungsbereich auf Verordnungsebene festzulegen sein
wird. Im Vernehmlassungsentwurf wird eine Grenze von 90 Tagen zur Diskussion
gestellt, die jedoch nicht absolut gilt, sondern unter gewissen Umständen
auch verlängerbar ist (Antrag Vertrauensarzt).

Finanzielle Auswirkungen des Modells B:

-   in der Krankenversicherung: +/- 0 CHF

-   in der AHV: +/- 0 CHF

-   bei den Ergänzungsleistungen: + 236 Mio. CHF

Glossar zum Modell B:

-  Akutpflege: Die Phase der Akutpflege zeichnet sich durch einen, in der
Regel vorübergehenden Verlust der Autonomie aus, während dessen Dauer die
Pflege die allge­meinen täglichen Lebensverrichtungen für den Patienten
übernimmt. Die medizinischen Pflegemassnahmen, die sich nach diagnostischen
und therapeutischen Zwecken richten, müssen nicht oder nicht mehr im
Spitalmilieu erbracht werden.

-         Langzeitpflege Die Phase der Langzeitpflege ist in der Regel
irreversibel und deshalb zeit­lich unlimitiert. Die Pflege beinhaltet neben
den allgemeinen täglichen Lebensverrichtun­gen auch präventive oder
palliative Massnahmen (ausserhalb Spitalmilieu).