Schweizer Wappen

CONFOEDERATIO HELVETICA
Die Bundesbehörden der Schweizerischen Eidgenossenschaft

Homepage
Mail
Suche

Krankenversicherung: Bundesrat stellt Reformplanung vor

Eidgenössisches Departement
des Innern

        Medienmitteilung

     Bern, den 25. Februar 2004

Krankenversicherung: Bundesrat stellt Reformplanung vor

In einer Aussprache hat der Bundesrat die inhaltliche und zeitliche Planung
der notwendigen KVG-Reformen festgelegt. Die neue Strategie wurde nach dem
Scheitern der 2. KVG-Revision im Parlament notwendig und stützt sich auch
auf die Konsultation aller wichtiger Partner im Gesundheitswesen ab, die der
Vorsteher des Eidgenössischen Departements des Innern, Bundesrat Pascal
Couchepin, im vergangenen Monat geführt hat. Der Bundesrat will dem
Parlament zwei Reformpakete mit voneinander unabhängigen Teilbotschaften
vorlegen, die sehr rasch umgesetzt werden sollen. Dabei greift er auf
Vorschläge aus der 2. Revision zurück, die zum Teil durch neue Elemente, die
sich aus den Vorarbeiten für die ursprünglich geplante 3. Revision ergeben,
ergänzt werden.

Nach dem Scheitern der 2. KVG-Revision in der vergangenen Wintersession hat
der Bundesrat eine Aussprache darüber geführt, wie er den unbestrittenen
Revisionsbedarf in der Krankenversicherung angehen will. Dabei hat er die
inhaltliche und zeitliche Reformplanung festgelegt. In der parlamentarischen
Behandlung der 2. Revision wurde eine grosse Anzahl verschiedenster Themen
in die Vorlage gepackt, was zu kumulierten Widerständen einzelner Mehrheiten
gegen einzelne Teilthemen und schliesslich zur gesamthaften Ablehnung der
Vorlage führte.

Daraus zieht der Bundesrat nun die Konsequenz, die einzelnen für sich
genommen weitgehend unbestrittenen Revisionspunkte zwar in eine umfassende
Strategie einzubetten. Er will sie dem Parlament aber in zwei
Gesetzgebungspaketen vorlegen, die jedes voneinander unabhängige Botschaften
enthalten. Hinzu kommt eine im Ablauf separate Vorlage zur
Pflegefinanzierung.

Der Bundesrat stützt sich bei diesem Vorgehen auch auf die von Bundesrat
Pascal Couchepin zwischen dem 12. Januar und dem 12. Februar 2004 geführten
Konsultationen der wichtigsten Akteure ab (Kantone, Parteien, Verbände der
Leistungserbringer, Sozialpartner, Versicherer- und Patientenorganisationen,
Wettbewerbskommission, Preisüberwachung). In dieser Anhörungsrunde war es
weitgehend unbestritten, dass das KVG-System optimiert und die
kostendämpfenden Elemente verstärkt werden sollen.

Paket 1 / vordringliche Reformen: Teilweises Inkrafttreten per 1.1.05

Das erste Botschaftspaket soll dem Parlament vor der Sommersession 2004
vorgelegt werden können. Der Bundesrat hat das EDI ermächtigt, dazu eine
konferenzielle Vernehmlassung durchzuführen. So wird eine Beratung in den
Räten im beschleunigten Verfahren in der Herbstsession 2004 möglich. Ein
zumindest teilweises Inkrafttreten dieses ersten Paketes auf den 1. Januar
2005 wäre damit realistisch. Dieses Paket umfasst insbesondere jene
Reformteile, die geltende Regelungen ablösen sollen, die in der nächsten
Zeit auslaufen: den Risikoausgleich (befristet bis Ende 2005), die
Spitalfinanzierung (geregelt bis Ende 2004 durch befristetes dringliches
Bundesgesetz) sowie die Vertragsfreiheit (im Juli 2005 auslaufender
Zulassungsstopp). In jeweils separaten Botschaften werden die Reformbereiche
Prämienverbilligung (Entlastung der Haushalte mit Kindern) und
Kostenbeteiligung (Stärkung der Eigenverantwortung) thematisiert.

Paket 2: Inkrafttreten per 1.1.06
Das zweite Gesetzgebungspaket soll dem Parlament vor der Herbstsession 2004
vorgelegt werden. Auch hier wird ein beschleunigtes Verfahren beantragt
werden, so dass die Änderungen auf den 1.1.06 in Kraft treten können. In je
einer Botschaft geht es um die Spitalfinanzierung (dual-fixe Finanzierung)
und um Managed Care (Förderung besonderer Versicherungsmodelle).

Botschaft zur Pflegefinanzierung
Der Bundesrat will spätestens im Dezember 2004 eine Botschaft zur Neuordnung
der Pflegefinanzierung verabschieden (ausgewogene Verteilung der Lasten
unter Einbezug aller Sozialversicherungen). Diese wird im Ablauf losgelöst
von den beiden Paketen behandelt.

EIDG. DEPARTEMENT DES INNERN
Presse- und Informationsdienst

Auskunft:

031 322 95 05

Fritz Britt, Vizedirektor

Bundesamt für Gesundheit

Beilage: Anhang "Erläuterungen zu den Reformpaketen"

25.2.2004          Anhang: Erläuterungen zu den Reformpaketen
P A K E T   1

Botschaft 1A:

Risikoausgleich:
Der Risikoausgleich wirkt der Risikoselektion durch die Versicherer
entgegen. Versicherer mit verhältnismässig vielen älteren und weiblichen
Versicherten werden auf Kosten der Konkurrenten mit verhältnismässig wenig
Versicherten dieser Kategorien entlastet. Dieses System ist ein wirksames
Element des Wettbewerbs unter den Versicherern. Vorgeschlagen wird seine
Verlängerung um vorerst fünf Jahre.

Spitalfinanzierung (Regelung bis zum Inkrafttreten der dual-fixen
Finanzierung):
2001 hat das Eidgenössische Versicherungsgericht (EVG) festgestellt, dass
die Kantone auch an den innerkantonalen Spitalaufenthalt einer Person mit
Zusatzversicherung einen Beitrag leisten müssen. Die sofortige und
vollständige Umsetzung des EVG-Entscheides hätte die Kantone vor er­hebliche
finanzielle Schwierigkeiten gestellt. Das Parlament entschärfte dieses
Problem mit einem dringlichen Bundesgesetz, gültig bis Ende 2004. Der
EVG-Entscheid wird in Etappen umgesetzt. Das dringliche Bundesgesetz sollte
eine Übergangslösung bis zum Inkrafttreten der zweiten KVG-Revision sein.
Nun soll es bis zum Inkrafttreten der neuen Regelung (gemäss Botschaft 2A)
verlängert werden.

Pflegetarife / Pflegefinanzierung:
Die obligatorische Krankenpflegeversicherung übernimmt grundsätzlich auch im
Pflegeheim sowie im Rahmen der Spitex die vollen Kosten von
Pflegemassnahmen, die infolge einer Krankheit erbracht werden. Die in der
Praxis nicht vollständig mögliche Abgrenzung zwischen krankheitsbedingtem
und altersbedingtem Pflegebedarf hat tendenziell dazu geführt, dass die
Krankenversicherung immer mehr Kosten für Pflegeleistungen über­nimmt. Um
diese Kostenentwicklung besser in den Griff zu bekommen, wurden 1998
Rahmentarife für die Pflegeleistungen eingeführt. Diese gelten solange, bis
die gesetzlichen Vorgaben zur Kostentransparenz von den Leistungserbringern
erfüllt sind. Diesem Zweck dient die am 1.1.2003 in Kraft getretene
Verordnung über die Kostenermittlung und die Leistungserfassung durch
Spitäler und Pflegeheime. Sobald diese Transparenzvorgaben erfüllt werden,
dürften die Leistungserbringer die über die Rahmentarife hinausgehende volle
Leistungsvergütung einfordern.

Um den damit einhergehenden Kostenschub eindämmen zu können, hatte das
Parlament im Rahmen der 2. KVG-Revision vorgesehen, die Rahmentarife bis zum
Inkrafttreten einer Gesetzesrevision, welche die Pflegefinan­zierung unter
Einbezug der verschiedenen Sozialversicherungen neu regeln soll,
grundsätzlich weiter zu führen und nach einer Anpassung der beiden oberen
Pflegebedarfsstufen einzufrieren. Der Bundesrat schlägt vor, diesem Weg zu
folgen.

Eine in der Wintersession 2003 eingereichte, formell noch nicht
verabschiedete Motion verpflichtet den Bundesrat, spätestens bis Ende 2004
eine Botschaft zur Neuord­nung der Pflegefinanzierung vorzu­legen.

Botschaft 1B:

Vertragsfreiheit:
Die Krankenversicherer müssen heute mit allen zugelassenen
Leistungserbringern im KVG-System abrechnen (Kontrahie­rungs- oder
Vertragszwang). Am 4. Juli 2002 ist - befristet bis 3. Juli 2005 - die
Einschränkung der Zulassung von Leistungs­erbringern zur Tätigkeit zu Lasten
der obligatorischen Krankenpflegeversicherung in Kraft getreten. Das
Parlament diskutierte im Rahmen der 2. KVG-Revision darüber, als Ablösung
des befristeten Zulassungsstopps den Kontrahierungszwang durch eine Regelung
zu ersetzen, die die Zulassung im KVG-Finanzierungssystem von einem
Vertragsabschluss mit einzelnen Versicherern abhängig macht
(Vertragsfreiheit, ev. mit gewissen Einschränkungen). Der Bundesrat nimmt
diese Idee in die Botschaft auf.

Botschaft 1C:

Prämienverbilligung:
Die geltende Finanzierung über Kopfprämien soll grundsätzlich beibehalten
werden. Allerdings belasten die Kopfprämien Mehrpersonenhaushalte stark. Im
Rahmen der 2. KVG-Revision wurde vorgeschlagen, das heutige
Prämienverbilligungssystem so umzugestalten, dass die Familien gezielt
entlastet würden. Die Kantone sollten je mindestens vier
Einkommenskategorien für Haushalte mit Kindern und für die übrigen
Versicherten vorsehen, aber auch ein Höchsteinkommen für den Anspruch auf
Prämienverbilligung bestimmen. In Abhängigkeit einerseits ihres Einkommens
und Vermögens und anderseits davon, ob sie Haushalte mit oder ohne Kinder
führen, hätten die Versicherten in diesem Modell in der Regel einen
unterschiedlich hohen Anteil der Krankenversicherungsprämien selbst tragen
müssen (Eigenanteil). Die Kantone hätten die Krankenversicherungsprämien
aber auch vollumfänglich verbilligen können. Dieses Modell war
mehrheitsfähig und soll, zusammen mit der Erhöhung der Bundesmittel für die
Prämienverbilligung um 200 Mio. Franken, weiterverfolgt werden.

Botschaft 1D:

Kostenbeteiligung:
Heute gilt eine minimale, obligatorische Kostenbeteiligung der Versicherten,
die sich aus einer Franchise (300 CHF/Jahr bei Erwachsenen) und einem
Selbstbehalt von 10 Prozent der die Franchise übersteigenden Kosten (maximal
700 CHF/Jahr) zusammensetzt. Im Rahmen der 2. KVG-Revision wurde eine
differenzierte Kostenbeteiligung diskutiert. Gemäss diesem Modell müsste
einen auf 20 Prozent erhöhten Selbstbehalt tragen, wer nicht in einem
integrierten Versorgungsnetz mit Budgetverantwortung versichert wäre.
Schlussendlich verzichtete das Parlament auf diese Regelung und wollte dafür
lediglich dem Bundesrat die Kompetenz zur Erhöhung des Selbstbehaltes auf
maximal 20 Prozent erteilen.
Der Bundesrat nimmt die Idee dieser Erhöhung des Selbstbehalts auf, wobei
aber die heutige maximale Belastungsgrenze unverändert bleiben soll. Zudem
will er im Rahmen der Vernehmlassung ein neues Modell für die wählbare
Franchise vorschlagen, das den Versicherern mehr Gestaltungsfreiheit gibt.

P A K E T   2

Botschaft 2A:

Spitalfinanzierung (Einführung der dual-fixen Finanzierung):
vgl. Botschaft 1A "Spitalfinanzierung"
Die 2. KVG-Revision, die vom Bundesrat schon vor den EVG-Urtei­len des
Jahres 2001 eingeleitet worden war, sah ein neues System zur
Spitalfinanzierung vor. Die Leistungs- und Investitionskosten der
öffentlichen und der privaten Spitäler, die in die kantonale Planung
einbezogen sind, sollten je zur Hälfte durch die Kantone und die
Krankenversicherer getragen werden (dual-fixe Finanzierung). Dieser
Systemwechsel würde den Wettbewerb unter den verschiedenen sta­tionären
Leistungsanbietern erleichtern und war in der poli­tischen Diskussion
mehrheitsfähig. Der Bundesrat will diesen Vorschlag wieder aufnehmen.

Das "monistische System" mit nur einem Kostenträger wurde auch im Parlament
als anzustrebendes, aber noch nicht entscheidungsreifes Modell erachtet, das
vertieft geprüft und allenfalls später eingeführt werden soll.

Botschaft 2B:

Managed Care:
In den letzten Jahren hat sich international die Erkenntnis durchgesetzt,
dass für eine qua­litativ hochstehende und wirtschaftliche medizinische
Behandlung integrierte Angebote notwendig sind, bei denen erstens die
Patienten und Patientinnen während des gesamten Diagnose- und
Behandlungsprozesses begleitet und betreut werden und zweitens die
Versicherer und Leistungserbringer mit in die finanzielle Verantwortung der
gesamten Behandlung einbezogen werden (sog. Managed Care-Modelle). Mit der
2. KVG-Revision hätten im Sinne der Förderung der Managed Care-Modelle die
Ver­sicherer verpflichtet werden sollen, allein oder zusammen mit anderen
Versicherern, eine oder mehrere entsprechende "besondere
Versicherungsformen" anzubieten, in welchen die Leistungserbringer
Budgetverantwortung zu übernehmen hätten.

Der Bundesrat will für ein Umfeld sorgen, das der Ausbreitung der
Managed-Care-Modelle förderlich ist, ohne aber den Versicherern solche
Modelle explizit vorzuschreiben. Er geht davon aus, dass eine
Vertragsfreiheit - und allenfalls später eine monistische
Spitalfinanzierung - weitere Anreize zum Ausbau des Managed-Care-Angebots
setzen dürften.

Botschaft zur Neuordnung der Pflegefinanzierung

vgl. Botschaft 1A "Pflegetarife / Pflegefinanzierung"