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Krankenversicherung: Bundesrat stellt Reformplanung vor
 
In einer Aussprache hat der Bundesrat die inhaltliche und zeitliche Planung der notwendigen KVG-Reformen festgelegt. Die neue Strategie wurde nach dem Schei-tern der 2. KVG-Revision im Parlament notwendig und stützt sich auch auf die Konsultation aller wichtiger Partner im Gesundheitswesen ab, die der Vorsteher des Eidgenössischen Departements des Innern, Bundesrat Pascal Couchepin, im vergangenen Monat geführt hat. Der Bundesrat will dem Parlament zwei Reform-pakete mit voneinander unabhängigen Teilbotschaften vorlegen, die sehr rasch umgesetzt werden sollen. Dabei greift er auf Vorschläge aus der 2. Revision zu-rück, die zum Teil durch neue Elemente, die sich aus den Vorarbeiten für die ur-sprünglich geplante 3. Revision ergeben, ergänzt werden.
 
Nach dem Scheitern der 2. KVG-Revision in der vergangenen Wintersession hat der Bundesrat eine Aussprache darüber geführt, wie er den unbestrittenen Revisionsbedarf in der Krankenversicherung angehen will. Dabei hat er die inhaltliche und zeitliche Re-formplanung festgelegt. In der parlamentarischen Behandlung der 2. Revision wurde ei-ne grosse Anzahl verschiedenster Themen in die Vorlage gepackt, was zu kumulierten Widerständen einzelner Mehrheiten gegen einzelne Teilthemen und schliesslich zur ge-samthaften Ablehnung der Vorlage führte.
 
Daraus zieht der Bundesrat nun die Konsequenz, die einzelnen für sich genommen weit-gehend unbestrittenen Revisionspunkte zwar in eine umfassende Strategie einzubetten. Er will sie dem Parlament aber in zwei Gesetzgebungspaketen vorlegen, die jedes von-einander unabhängige Botschaften enthalten. Hinzu kommt eine im Ablauf separate Vorlage zur Pflegefinanzierung.
 
Der Bundesrat stützt sich bei diesem Vorgehen auch auf die von Bundesrat Pascal Cou-chepin zwischen dem 12. Januar und dem 12. Februar 2004 geführten Konsultationen der wichtigsten Akteure ab (Kantone, Parteien, Verbände der Leistungserbringer, Sozial-partner, Versicherer- und Patientenorganisationen, Wettbewerbskommission, Preisüber-wachung). In dieser Anhörungsrunde war es weitgehend unbestritten, dass das KVG-System optimiert und die kostendämpfenden Elemente verstärkt werden sollen.
 
Paket 1 / vordringliche Reformen: Teilweises Inkrafttreten per 1.1.05
Das erste Botschaftspaket soll dem Parlament vor der Sommersession 2004 vorgelegt werden können. Der Bundesrat hat das EDI ermächtigt, dazu eine konferenzielle Ver-nehmlassung durchzuführen. So wird eine Beratung in den Räten im beschleunigten Verfahren in der Herbstsession 2004 möglich. Ein zumindest teilweises Inkrafttreten die-ses ersten Paketes auf den 1. Januar 2005 wäre damit realistisch. Dieses Paket umfasst insbesondere jene Reformteile, die geltende Regelungen ablösen sollen, die in der nächsten Zeit auslaufen: den Risikoausgleich (befristet bis Ende 2005), die Spitalfinan-zierung (geregelt bis Ende 2004 durch befristetes dringliches Bundesgesetz) sowie die Vertragsfreiheit (im Juli 2005 auslaufender Zulassungsstopp). In jeweils separaten Bot-schaften werden die Reformbereiche Prämienverbilligung (Entlastung der Haushalte mit Kindern) und Kostenbeteiligung (Stärkung der Eigenverantwortung) thematisiert.
 
Paket 2: Inkrafttreten per 1.1.06
Das zweite Gesetzgebungspaket soll dem Parlament vor der Herbstsession 2004 vorge-legt werden. Auch hier wird ein beschleunigtes Verfahren beantragt werden, so dass die Änderungen auf den 1.1.06 in Kraft treten können. In je einer Botschaft geht es um die Spitalfinanzierung (dual-fixe Finanzierung) und um Managed Care (Förderung besonde-rer Versicherungsmodelle).
 
Botschaft zur Pflegefinanzierung
Der Bundesrat will spätestens im Dezember 2004 eine Botschaft zur Neuordnung der Pflegefinanzierung verabschieden (ausgewogene Verteilung der Lasten unter Einbezug aller Sozialversicherungen). Diese wird im Ablauf losgelöst von den beiden Paketen be-handelt.
 

EIDG. DEPARTEMENT DES INNERN
Presse- und Informationsdienst
 
 
Auskunft:
031 322 95 05
Fritz Britt, Vizedirektor
Bundesamt für Gesundheit
 
 
Beilage: Anhang "Erläuterungen zu den Reformpaketen"
 
25.2.2004 Anhang: Erläuterungen zu den Reformpaketen
P A K E T   1
Botschaft 1A:
Risikoausgleich:
Der Risikoausgleich wirkt der Risikoselektion durch die Versicherer entgegen. Versiche-rer mit verhältnismässig vielen älteren und weiblichen Versicherten werden auf Kosten der Konkurrenten mit verhältnismässig wenig Versicherten dieser Kategorien entlastet. Dieses System ist ein wirksames Element des Wettbewerbs unter den Versicherern. Vorgeschlagen wird seine Verlängerung um vorerst fünf Jahre.
Spitalfinanzierung (Regelung bis zum Inkrafttreten der dual-fixen Finanzierung):
2001 hat das Eidgenössische Versicherungsgericht (EVG) festgestellt, dass die Kantone auch an den innerkantonalen Spitalaufenthalt einer Person mit Zusatzversicherung einen Beitrag leisten müssen. Die sofortige und vollständige Umsetzung des EVG-Entscheides hätte die Kantone vor erhebliche finanzielle Schwierigkeiten gestellt. Das Parlament ent-schärfte dieses Problem mit einem dringlichen Bundesgesetz, gültig bis Ende 2004. Der EVG-Entscheid wird in Etappen umgesetzt. Das dringliche Bundesgesetz sollte eine Übergangslösung bis zum Inkrafttreten der zweiten KVG-Revision sein. Nun soll es bis zum Inkrafttreten der neuen Regelung (gemäss Botschaft 2A) verlängert werden.
Pflegetarife / Pflegefinanzierung:
Die obligatorische Krankenpflegeversicherung übernimmt grundsätzlich auch im Pflege-heim sowie im Rahmen der Spitex die vollen Kosten von Pflegemassnahmen, die infolge einer Krankheit erbracht werden. Die in der Praxis nicht vollständig mögliche Abgren-zung zwischen krankheitsbedingtem und altersbedingtem Pflegebedarf hat tendenziell dazu geführt, dass die Krankenversicherung immer mehr Kosten für Pflegeleistungen übernimmt. Um diese Kostenentwicklung besser in den Griff zu bekommen, wurden 1998 Rahmentarife für die Pflegeleistungen eingeführt. Diese gelten solange, bis die ge-setzlichen Vorgaben zur Kostentransparenz von den Leistungserbringern erfüllt sind. Diesem Zweck dient die am 1.1.2003 in Kraft getretene Verordnung über die Kostener-mittlung und die Leistungserfassung durch Spitäler und Pflegeheime. Sobald diese Transparenzvorgaben erfüllt werden, dürften die Leistungserbringer die über die Rah-mentarife hinausgehende volle Leistungsvergütung einfordern.
Um den damit einhergehenden Kostenschub eindämmen zu können, hatte das Parla-ment im Rahmen der 2. KVG-Revision vorgesehen, die Rahmentarife bis zum Inkrafttre-ten einer Gesetzesrevision, welche die Pflegefinanzierung unter Einbezug der verschie-denen Sozialversicherungen neu regeln soll, grundsätzlich weiter zu führen und nach ei-ner Anpassung der beiden oberen Pflegebedarfsstufen einzufrieren. Der Bundesrat schlägt vor, diesem Weg zu folgen.
Eine in der Wintersession 2003 eingereichte, formell noch nicht verabschiedete Motion verpflichtet den Bundesrat, spätestens bis Ende 2004 eine Botschaft zur Neuordnung der Pflegefinanzierung vorzulegen.
 
Botschaft 1B:
Vertragsfreiheit:
Die Krankenversicherer müssen heute mit allen zugelassenen Leistungserbringern im KVG-System abrechnen (Kontrahierungs- oder Vertragszwang). Am 4. Juli 2002 ist – be-fristet bis 3. Juli 2005 – die Einschränkung der Zulassung von Leistungserbringern zur Tätigkeit zu Lasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung in Kraft getreten. Das Parlament diskutierte im Rahmen der 2. KVG-Revision darüber, als Ablösung des befris-teten Zulassungsstopps den Kontrahierungszwang durch eine Regelung zu ersetzen, die die Zulassung im KVG-Finanzierungssystem von einem Vertragsabschluss mit einzelnen Versicherern abhängig macht (Vertragsfreiheit, ev. mit gewissen Einschränkungen). Der Bundesrat nimmt diese Idee in die Botschaft auf.
Botschaft 1C:
Prämienverbilligung:
Die geltende Finanzierung über Kopfprämien soll grundsätzlich beibehalten werden. Al-lerdings belasten die Kopfprämien Mehrpersonenhaushalte stark. Im Rahmen der 2. KVG-Revision wurde vorgeschlagen, das heutige Prämienverbilligungssystem so umzu-gestalten, dass die Familien gezielt entlastet würden. Die Kantone sollten je mindestens vier Einkommenskategorien für Haushalte mit Kindern und für die übrigen Versicherten vorsehen, aber auch ein Höchsteinkommen für den Anspruch auf Prämienverbilligung bestimmen. In Abhängigkeit einerseits ihres Einkommens und Vermögens und ander-seits davon, ob sie Haushalte mit oder ohne Kinder führen, hätten die Versicherten in diesem Modell in der Regel einen unterschiedlich hohen Anteil der Krankenversiche-rungsprämien selbst tragen müssen (Eigenanteil). Die Kantone hätten die Krankenversi-cherungsprämien aber auch vollumfänglich verbilligen können. Dieses Modell war mehr-heitsfähig und soll, zusammen mit der Erhöhung der Bundesmittel für die Prämienverbil-ligung um 200 Mio. Franken, weiterverfolgt werden.
Botschaft 1D:
Kostenbeteiligung:
Heute gilt eine minimale, obligatorische Kostenbeteiligung der Versicherten, die sich aus einer Franchise (300 CHF/Jahr bei Erwachsenen) und einem Selbstbehalt von 10 Pro-zent der die Franchise übersteigenden Kosten (maximal 700 CHF/Jahr) zusammensetzt. Im Rahmen der 2. KVG-Revision wurde eine differenzierte Kostenbeteiligung diskutiert. Gemäss diesem Modell müsste einen auf 20 Prozent erhöhten Selbstbehalt tragen, wer nicht in einem integrierten Versorgungsnetz mit Budgetverantwortung versichert wäre. Schlussendlich verzichtete das Parlament auf diese Regelung und wollte dafür lediglich dem Bundesrat die Kompetenz zur Erhöhung des Selbstbehaltes auf maximal 20 Pro-zent erteilen.
Der Bundesrat nimmt die Idee dieser Erhöhung des Selbstbehalts auf, wobei aber die heutige maximale Belastungsgrenze unverändert bleiben soll. Zudem will er im Rahmen der Vernehmlassung ein neues Modell für die wählbare Franchise vorschlagen, das den Versicherern mehr Gestaltungsfreiheit gibt.
 
 
P A K E T   2
Botschaft 2A:
Spitalfinanzierung (Einführung der dual-fixen Finanzierung):
vgl. Botschaft 1A "Spitalfinanzierung"
Die 2. KVG-Revision, die vom Bundesrat schon vor den EVG-Urteilen des Jahres 2001 eingeleitet worden war, sah ein neues System zur Spitalfinanzierung vor. Die Leistungs- und Investitionskosten der öffentlichen und der privaten Spitäler, die in die kantonale Planung einbezogen sind, sollten je zur Hälfte durch die Kantone und die Krankenversi-cherer getragen werden (dual-fixe Finanzierung). Dieser Systemwechsel würde den Wettbewerb unter den verschiedenen stationären Leistungsanbietern erleichtern und war in der politischen Diskussion mehrheitsfähig. Der Bundesrat will diesen Vorschlag wieder aufnehmen.
Das "monistische System" mit nur einem Kostenträger wurde auch im Parlament als an-zustrebendes, aber noch nicht entscheidungsreifes Modell erachtet, das vertieft geprüft und allenfalls später eingeführt werden soll.
Botschaft 2B:
Managed Care:
In den letzten Jahren hat sich international die Erkenntnis durchgesetzt, dass für eine qualitativ hochstehende und wirtschaftliche medizinische Behandlung integrierte Ange-bote notwendig sind, bei denen erstens die Patienten und Patientinnen während des ge-samten Diagnose- und Behandlungsprozesses begleitet und betreut werden und zwei-tens die Versicherer und Leistungserbringer mit in die finanzielle Verantwortung der ge-samten Behandlung einbezogen werden (sog. Managed Care-Modelle). Mit der 2. KVG-Revision hätten im Sinne der Förderung der Managed Care-Modelle die Versicherer ver-pflichtet werden sollen, allein oder zusammen mit anderen Versicherern, eine oder meh-rere entsprechende "besondere Versicherungsformen" anzubieten, in welchen die Leis-tungserbringer Budgetverantwortung zu übernehmen hätten.
Der Bundesrat will für ein Umfeld sorgen, das der Ausbreitung der Managed-Care-Modelle förderlich ist, ohne aber den Versicherern solche Modelle explizit vorzuschrei-ben. Er geht davon aus, dass eine Vertragsfreiheit – und allenfalls später eine monisti-sche Spitalfinanzierung – weitere Anreize zum Ausbau des Managed-Care-Angebots setzen dürften.
 
Botschaft zur Neuordnung der Pflegefinanzierung
vgl. Botschaft 1A "Pflegetarife / Pflegefinanzierung"