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Bilaterale Abkommen I Schweiz - EU: Erste Erfahrungen ein Jahr nach

Bilaterale Abkommen I Schweiz - EU: Erste Erfahrungen ein Jahr nach
Inkrafttreten

Bundesrat Joseph Deiss, Vorsteher des EVD, und Bundesrätin Micheline
Calmy-Rey, Vorsteherin des EDA, und haben anlässlich einer
Medienkonferenz am Dienstag eine Auswertung der bisherigen Erfahrungen
mit den am 1. Juni 2002 in Kraft getretenen bilateralen Abkommen I
präsentiert. Die Erwartungen der Wirtschaft hätten sich weitgehend
erfüllt, bilanzierte Bundesrat Deiss. Durch deren mittelfristige
Ausdehnung auf die zehn EU-Neumitgliedstaaten würden die
wirtschaftlichen Vorteile der Verträge noch verstärkt, sagte
Bundesrätin Calmy-Rey.

Auf der Grundlage des verfügbaren statistischen Materials, der
Konsultation der betroffenen Behörden sowie einer Umfrage des
Integrationsbüros EDA/EVD bei Verbänden, Organisationen und Unternehmen
konnten am Dienstag erste Ergebnisse der Bilateralen I präsentiert
werden. Für eine abschliessende Beurteilung der bilateralen Verträge
ist die statistische Datenbasis aber noch zu schmal.

Nicht eingetroffen seien die zahlreichen Befürchtungen der Gegner
bezüglich „Einwanderungsfluten“ und „Lastwagen-Lawinen“, sagte
Bundesrat Deiss. Die Zuwanderungskontingente würden gemäss Erwartung
beansprucht. Der alpenquerende Schwerverkehr sei spürbar
zurückgegangen. Und die Wirtschaft stehe geschlossen hinter den
Bilateralen I, konstatierte Bundesrat  Deiss.

Mit der Inkraftsetzung der Abkommen sei es gelungen, in den betroffenen
Sektoren einen substanziellen Reformschub herbeizuführen. Es liege
allerdings in der Natur von Marktöffnungsabkommen, dass die
Öffnungsgewinne erst nach gewisser Zeit anfallen, während die
Anpassungslasten sofort spürbar werden.

„Unentbehrlich und unumgänglich“

In seiner Stellungnahme im Rahmen der Umfrage des Integrationsbüros
bezeichnete der Wirtschaftsdachverband economiesuisse die bilateralen
Abkommen als „unentbehrlich und unumgänglich“. Das
Personenfreizügigkeitsabkommen wird in der Umfrage von fast allen
Wirtschaftsbranchen, aber auch von den Kantonen als das Abkommen mit
der grössten Tragweite bezeichnet.

Zu den wichtigen Ergebnissen gehören die ersten Erfahrungen mit der
Personenfreizügigkeit, wo eine positive Bilanz gezogen werden kann. Die
Umsetzung des Vertrags hat zu keinen nennenswerten Problemen geführt.
Die Kontingente für Daueraufenthalter (15'000 jährlich) wurden im
ersten Jahr erwartungsgemäss stark beansprucht und waren nach 10
Monaten ausgeschöpft. Dies ist vor allem auf  gewisse Übergangseffekte
zurückzuführen. Beispielsweise haben zahlreiche Grenzgänger namentlich
aus Deutschland ihren Wohnsitz in die Schweiz verlegt. Zudem bestand
ein Rekrutierungsnachholbedarf bei Klein- und Mittelbetrieben (KMU),
die früher oft kaum Möglichkeit hatten, Jahresaufenthalter zu
beschäftigen.

Die 115'500 Kurzaufenthaltsbewillungen wurden dagegen nur etwa zur
Hälfte genutzt. Eine grosse Nachfrage war in den Tourismuskantonen
Wallis und Graubünden zu verzeichnen, die zusammen einen Viertel der
Kurzaufenthalter aus dem EU-Raum beherbergen.

Reduktion des alpenquerenden Strassengüterverkehrs

Beim Landverkehrsabkommen werden erste positive Effekte auf den
alpenquerenden Transitgüterverkehr beobachtet. Im Jahr 2002 ist die
Anzahl der schweren Güterfahrzeuge auf den vier Transitübergängen um 9%
gesunken. Neben anderen Gründen (wie das am Gotthard und San Bernardino
aus Sicherheitsgründen eingeführte Verkehrsregulierungssystems) ist
dies auch eine Auswirkung des Landverkehrsabkommens.

Die Reduktion der Anzahl Schwertransporter hat stattgefunden, obwohl
die auf der Strasse über die Alpen transportierte Gütermenge um 2%
zugenommen hat. D.h., dass ein grösseres Transportvolumen durch weniger
Lastwagen bewältigt und die durchschnittliche Nutzlast pro Fahrzeug
deutlich erhöht wurde. Ermöglicht wurde diese sowohl ökologisch als
auch ökonomisch erwünschte Entwicklung durch die im
Landverkehrsabkommen geregelte generelle Anhebung der Gewichtslimite
auf 34 Tonnen sowie durch die dosierte Zulassung von
40-Tonnen-Lastwagen. Ein wichtiger Anreiz zur besseren Auslastung der
Fahrzeuge kam von der „Leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe“
(LSVA), die vor allem zur Vermeidung von Leerfahrten beitrug.

Als negativer Aspekt werden seitens des Nutzfahrzeugverbandes die
infolge der LSVA stark gestiegenen Kosten für Strassentransporte
angeführt. Begrüsst wird dagegen die Erhöhung der Gewichtslimite,
welche einen Produktivitätsvorteil bringt. Die LSVA hat im Jahr 2002
einen Bruttobeitrag von 882 Mio. CHF an den Staatshaushalt erbracht,
wovon zwei Drittel zur Finanzierung des Ausbaus der Bahninfrastruktur
(namentlich der NEAT) dient.  Ein Viertel davon, nämlich 204 Mio. CHF,
stammten von ausländischen Spediteuren.

Wachsende Bedeutung der Bilateralen I

Bundesrätin Calmy-Rey stellte die bilateralen Abkommen I in den
europapolitischen Kontext: Der bilaterale Weg sei die direkte
Konsequenz des EWR-Neins von 1992. Nach der Ablehnung eines Anschlusses
der Schweiz an den europäischen Binnenmarkt, musste der Marktzutritt
für Schweizer Unternehmen durch sektorielle Einzelverträge verbessert
werden.

Im Hinblick auf die anstehende EU-Erweiterung wies Bundesrätin
Calmy-Rey darauf hin, dass sich durch die Ausdehnung der bilateralen
Verträge auf die EU-Neumitgliedstaaten die wirtschaftliche Bedeutung
dieser Abkommen noch zusätzlich verstärke. Denn bei diesen Ländern
handle es sich um Wachstumsmärkte.

Die Ausdehnung der bilateralen Abkommen ist in sechs Fällen
automatisch. Nur beim Personenfreizügigkeitsabkommen muss über die
nötigen Anpassungen verhandelt werden. Der Beschluss über die
Ausdehnung dieses Abkommens untersteht dem fakultativen Referendum.

Bundesrätin Calmy-Rey unterstrich die Bedeutung eines allfälligen
Referendums. Bei einem Scheitern des Freizügigkeitsabkommens, müsse die
Schweiz mit einer Kündigung des Abkommens durch die EU rechnen. Damit
würden aufgrund der „Guillotine-Klausel“ auch die anderen sechs
Abkommen hinfällig. Ein Referendum über die Personenfreizügigkeit komme
also de facto einem zweiten Referendum über die  Bilateralen I gleich.

Integrationsbüro EDA/EVD
Information
http://www.europa.admin.ch

Adrian Sollberger,
 Integrationsbüro EDA/EVD
 Tel. 031 322 22 22;
 Mobil 079 301 62 84,
 europa@seco.admin.ch