Information durch den
Bundesratssprecher
Irak-Krise - Die Haltung des
Bundesrates
Der Bundesrat begrüsst den Beschluss
des UNO-Sicherheitsrates, die Mission der Inspektoren der UNMOVIC zu verlängern,
und ruft die irakischen Behörden dazu auf, mit den Inspektoren, die mit der
Identifikation und der Zerstörung der verbotenen Waffen beauftragt sind,
uneingeschränkt, aktiv und bedingungslos zusammenzuarbeiten. Die Schweiz ist
bereit, die gegenwärtige Mission voll und ganz zu unterstützen, damit der Irak
mit friedlichen Mitteln entwaffnet werden kann. Sie spricht sich dafür aus, die
Inspektoren mit den zusätzlichen Mitteln auszurüsten, deren sie bedürfen, damit
sie ihre Aufgabe mit der erforderlichen Effizienz und Schnelligkeit weiterführen
können. Für den Bundesrat ist es unerlässlich, dass sämtliche
Massenvernichtungswaffen, über die der Irak verfügen könnte, zerstört werden;
die Sicherheit der internationalen Gemeinschaft lässt es nicht zu, dass das in
Bagdad herrschende Regime Verfügungsgewalt über derartige Waffen hat.
Der Bundesrat bekräftigt seine
Haltung: Es sind sämtliche friedlichen Mittel auszuschöpfen, bevor die Anwendung
von Gewalt in Erwägung gezogen wird. Im Übrigen ist der Bundesrat der
Auffassung, dass die UNO-Resolution 1441 keine ausreichende völkerrechtliche
Grundlage darstellt, um die Anwendung von Gewalt zu legitimieren. Ohne eine neue
Resolution des Sicherheitsrates, welche zur Anwendung von Gewalt ermächtigt,
wird die Schweiz eine militärische Intervention der Vereinigten Staaten oder
einer Staatenkoalition gegen den Irak als einen bewaffneten Konflikt zwischen
Staaten betrachten. In diesem Fall käme das Neutralitätsrecht zur
Anwendung.
Unter diesen Voraussetzungen könnte der Bundesrat,
gestützt auf das Neutralitätsrecht, keinerlei Transit- oder Überflugsrechte für
Luftfahrzeuge zu militärischen Zwecken bewilligen. Ausnahmen könnten jedoch für
Überflüge zu humanitären Zwecken in Erwägung gezogen werden.
Sollte
der Sicherheitsrat einem bewaffneten Konflikt zustimmen, so wird der Bundesrat
in der Lage sein, von Fall zu Fall über einen Überflug über schweizerisches
Hoheitsgebiet zu entscheiden.
In diesem Sinne beantwortet der
Bundesrat das generelle Ersuchen um Überflugsrechte über schweizerisches
Territorium "in den kommenden Monaten", das die Vereinigten Staaten über ihre
Botschaft in Bern letzte Woche gestellt haben.
So, wie es formuliert ist und
weil es zeitlich nicht begrenzt ist, kann das Gesuch der USA nicht akzeptiert
werden. Die Frage, ob Überflüge ausserhalb des Courant normal bewilligt werden
können, solange ein Krieg nicht deklariert worden ist, muss unter dem
Gesichtspunkt der Neutralität noch vertieft geprüft werden. Der Bundesrat wird
seine Haltung festlegen, sobald er über zusätzliche diesbezügliche Abklärungen
verfügt.
Obwohl nichts darauf hindeutet, dass
Saddam Hussein und Personen seiner nächsten Umgebung Irak verlassen wollen oder
können, um in der Schweiz Asyl zu suchen, hat der Bundesrat ein Einreiseverbot
gegen Saddam Hussein, dessen engere Familienangehörige und die Angehörigen des
Führungskreises, denen Menschenrechtsverletzungen anzulasten sind, verfügt.
Gestützt auf Artikel 121 Absatz 2 der Bundesverfassung werden diese Personen
ausgewiesen, falls sie in der Schweiz angehalten werden sollten. Das EDA legt
den Kreis und die Identität der Personen fest, die von der Schweiz ferngehalten
werden sollen. Der heutige Entscheid des Bundesrates dient im Sinne eines
vorsorglichen Entschlusses als Grundsatzbeschluss für die Sicherstellung eines
zeitgerechten Vollzugs. Für den Bundesrat würde es der Schweiz schlecht
anstehen, Personen, denen gröbste Menschenrechtsverletzungen anzulasten sind,
und deren Familien zu beherbergen und Kriegsverbrechern Zuflucht zu gewähren.
Auch aus aussenpolitischen Gründen ist eine Aufnahme solcher Personen in der
Schweiz unerwünscht.
Der Bundesrat hat auch von den
Ergebnissen der humanitären Konferenz über Irak Kenntnis genommen, die am
vergangenen Wochenende auf Initiative der Schweiz in Genf stattgefunden hat. Die
Konferenz hat die grossen Probleme, die ein bewaffneter Konflikt mit Irak der
Zivilbevölkerung verursachen würde, bestätigt. Der Bundesrat appelliert deshalb
an alle beteiligten Parteien, sämtliche Bestimmungen des humanitären
Völkerrechts zu respektieren. Überdies hat er seine Mission bei der UNO
beauftragt, das Nötige zu unternehmen, damit in eine allfällige neue Resolution
des Sicherheitsrates Bestimmungen über die Respektierung des humanitären
Völkerrechts aufgenommen werden.
Der Bundesrat verfolgt die
Entwicklung der Situation aufmerksam. Er hat seinen Sicherheitsausschuss sowie
die zuständigen Bundesämter angewiesen, die Massnahmen vorzubereiten, die sich
im Falle eines bewaffneten Konflikts als erforderlich erweisen
könnten.
Bern, 19. Februar 2003
Vizekanzler Achille Casanova