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Gebirgsinfanterie-Rekrutenschule 212: Untersuchung abgeschlossen. Zwei Soldaten erhielten Tritte in den Hintern

3003 Bern, 19. Dezember 2001

Medieninformation

Gebirgsinfanterie-Rekrutenschule 212: Untersuchung abgeschlossen

Zwei Soldaten erhielten Tritte in den Hintern

 Der Vorfall in der Churer Gebirgsinfanterie-Rekrutenschule 212 vom 12.
Oktober 2001 ist kein Einzelfall. Die Untersuchung ergab: Nicht ein, sondern
zwei Soldaten erhielten Tritte in den Hintern - beide Male auf Befehl des
gleichen Leutnants. Am Mittwoch orientierten in Bern der zu-ständige
militärische Untersuchungsrichter, Hauptmann Toni Hess und der Chef Heer,
Korpskommandant Jacques Dousse, über den Fall.

Am 12. Oktober 2001 wurde ein Soldat (20) der Churer
Gebirgsinfanterie-Rekrutenschule 212 in Bonaduz GR auf Befehl des eigenen
Leutnants durch Kameraden gefesselt, fest-gehalten und getreten. Der Soldat,
ein Minenwerfer-Kanonier, erhielt von 13 Kameraden seines Zuges rund 20
Tritte verpasst; einen auch vom eigenen Zugführer. Der Soldat wur-de tags
darauf zu seinem eigenen persönlichen Schutz aus der RS entlassen. Der
Leutnant wurde gleichentags von der Schule suspendiert. Er wurde bis heute -
aufgrund des laufen-den Verfahrens - nicht zum Oberleutnant befördert.

Die 13 Soldaten, welche ihrem Kameraden diese Abreibung in der vorletzten
RS-Woche verpasst haben, wurden noch vor Entlassung aus der Rekrutenschule
durch ihren Kompa-niekommandanten disziplinarisch bestraft (nach
Dienstreglement 95 der Schweizer Ar-mee); die 13 Soldaten erhielten Arrest
zwischen zwei bis fünf Tagen.

Die Untersuchungen wurden von Hauptmann Toni Hess, Chur, militärischer
Untersu-chungsrichter, geführt. Bei den Einvernahmen der beteiligten
Personen stellte sich heraus, dass der Vorfall von Bonaduz kein Einzelfall
war. Der selbe Leutnant hat bereits am 9. Ok-tober 2001 seinem Zug im Raum
Münstertal den Befehl erteilt, einen Soldaten zu traktie-ren. Diesem zweiten
Soldaten haben insgesamt 15 Zugskameraden in den Hintern getre-ten - der
Leutnant blieb in diesem Fall inaktiv.  Im Gegensatz zum Soldaten von
Bonaduz wurde der Soldat vom Münstertal nicht gefesselt und auch nicht
festgehalten.

Die Untersuchungen in diesem Fall sind abgeschlossen. Der zuständige
militärische Un-tersuchungsrichter Hess wird nun das Dossier in den nächsten
Tagen dem zuständigen Auditor übergeben; dieser hat dann drei Möglichkeiten:

Entweder stellt er das Verfahren ein und überweist den Fall dem zuständigen
Schulkom-mandant der Gebirgsinfanterie-Rekrutenschule 212. Dieser kann
alsdann den Zugführer disziplinarisch mit bis zu maximal 15 Tagen Arrest
bestrafen. Oder der Auditor entscheidet als Einzelrichter im sogenannten
Mandatsverfahren; hier wären Strafen von maximal 30 Tagen Gefängnis und/oder
1000 Franken Busse möglich. Oder der Auditor erhebt gegen den Zugführer
Anklage vor dem Divisionsgericht - der Strafrahmen würde dann zwischen drei
Tagen und drei Jahren Gefängnis liegen.
Presserohstoff (Ergänzung zur Medienmitteilung)

Chronologie der Vorfälle in der Gebirgsinfanterie-Rekrutenschule 212

12. Oktober 2001: An diesem Tag führte Leutnant X mit seinem Zug ein
Gefechtsschies-sen auf dem Rossboden in Chur GR durch. Soldat A erhielt von
seinem Leutnant im Rah-men der Schiessübung den Auftrag, eine
Rundumsicherung vorzunehmen.
Diese Aufgabe behagte Soldat A jedoch nicht, sie "gurkte ihn an", wie er
später selber zu Protokoll gab. Statt seiner Aufgabe nachzukommen, lag er
auf dem Bauch herum. Zugfüh-rer X goutierte dieses Verhalten aber nicht und
wies Soldat A entsprechend zurecht. Er zeigte Soldat A auch, welch' genauen
Auftrag er eigentlich hätte. Vergebens - Soldat A weigerte sich weiterhin,
den Befehl seines Leutnants auszuführen. Leutnant X drohte Sol-dat A
schliesslich, dass er mit einer "Arschtrittaktion" zu rechnen habe.
Nach dieser Drohung verschob sich der Zug von Chur nach Bonaduz, wo er sich
verpfleg-te. Anschliessend wurden die Minenwerfer gereinigt. Zwischen 15 und
16 Uhr sagte Leut-nant X, dass der Zug nun vor der Rückkehr nach Chur noch
gerade genügend Zeit habe, Soldat A zu bestrafen. Der Zug war bereits auf
dem Fahrzeug aufgesessen. Nach Ankündi-gung der Bestrafungsaktion stiegen
die Soldaten auf Befehl des Leutnants jedoch wieder vom Fahrzeug ab - nur
Soldat A blieb sitzen. Soldaten des Zuges zerrten ihn schliesslich aus dem
Fahrzeug; Soldat A fiel zu Boden. Leutnant X forderte ihn auf, aufzustehen
und sich umzudrehen, damit die Abreibung stattfinden könne. Weil Soldat A
dieser Aufforde-rung nicht nachkam, drückten ihn einige Kameraden gegen
einen Puch und fesselten ihn mit Riemen an das Fahrzeug. In der Folge bekam
Soldat A 20 Tritte in den Hintern; einen auch von Leutnant X selber. Mit der
Zeit wurde Soldat A müde und fing an zu weinen.
Nachdem Soldat A wieder losgebunden war, ging er zu einigen Soldaten, welche
das Ge-schehen aus Distanz mitverfolgt hatten. Mit ihnen stieg er dann in
ein Fahrzeug, welches ebenfalls nach Chur verschob. Dort angekommen riet ihm
ein Kamerad, den Vorfall dem Schulkommandanten zu melden. Als Soldat A
diesen nicht auffinden konnte, meldete ein Kollege von Soldat A den Vorfall
dem Stabsadjutanten der Schule. Dieser reagierte umge-hend und bot die
Militärpolizei auf. Diese avisierte um zirka 22.30 Uhr den
Pikett-Untersuchungsrichter des Divisionsgerichtes 12, Hauptmann Toni Hess.
Aufgrund der Schilderung des Vorfalles durch die Militärpolizei stand für
Hauptmann Hess fest, dass es sich hier um einen aussergewöhnlichen Fall
handelte. Er informierte deshalb noch in derselben Nacht den Präsidenten des
Divisionsgerichtes 12 und kontaktierte das Oberauditorat in Bern. Leutnant X
und Soldat A wurden noch in der gleichen Nacht von der Militärpolizei
einvernommen. Die Soldaten des betreffenden Zuges mussten in einem kurzen
Bericht schriftlich darlegen, wie sich der Vorfall ereignet hatte. Überdies
mussten sie zu Papier bringen, wie sie an der Bestrafung von Soldat A genau
mitgewirkt hatten.
Am 13. Oktober 2001 wurde Soldat A zu seinem persönlichen Schutz aus der
Gebirgsin-fanterie-Rekrutenschule 212 entlassen - also am Ende der 14. von
15 RS-Wochen. Leut-nant X wurde vom Schulkommandanten gleichentags
suspendiert. Wie Abklärungen durch die Militärpolizei und das Schulkommando
ergeben haben, wurde Soldat A von insgesamt 13 Zugskameraden in den Hintern
getreten. Diese 13 Soldaten wurden in der letzten RS-Woche durch ihren
Kompaniekommandanten mit scharfem Arrest zwischen zwei und fünf Tagen
bestraft (Disziplinarstrafen gemäss Disziplinarstrafordnung Dienstreglement
95 der Schweizerischen Armee).
Ein zweiter Fall: Im Rahmen der Untersuchung gegen den betreffenden Leutnant
stellte Untersuchungsrichter Toni Hess fest, dass Leutnant X am 9. Oktober
2001 seinem Zug schon einmal den Befehl erteilt hatte, einem anderen
Soldaten (Soldat B)  einen Tritt in den Hintern zu geben. Hauptmann Hess
dehnte deshalb die Untersuchung gegen Leutnant X aus. Am Montag, 10.
Dezember 2001, wurde dann Soldat B einvernommen. Ebenfalls wurde der
Leutnant X ein zweites Mal befragt.
Aufgrund dieser beiden Einvernahmen muss davon ausgegangen werden, dass sich
beim zweiten Fall Folgendes ereignete:

Soldat B wurde am 9. Oktober 2001 im Raum Münstertal von rund 15 Kameraden
auf Be-fehl von Leutnant X in den Hintern getreten. Festzuhalten ist: Ohne
Befehl von Leutnant X wäre es nicht zu dieser Bestrafung von Soldat B
gekommen. Für Leutnant X war diese Ak-tion - wie er es selber sagte - "nicht
bloss ein Spiel"; die Aktion sollte vielmehr "Bestra-fungscharakter haben".
Allerdings artete die Sache nicht in jenem Masse aus, wie dies bei Soldat A
drei Tage später der Fall war. Denn im Gegensatz zu Soldat A wurde Soldat B
weder gefesselt noch festgehalten. Er drehte sich auf Befehl seines Leutnant
einfach um, so dass ihn die anderen Soldaten treten konnten. Auch gab ihm
Leutnant X keinen Tritt. Sol-dat B sagte gegenüber Untersuchungsrichter Hess
aus, dass er die ganze Bestrafung "nur halbernst" genommen habe; auch habe
er überhaupt keine Schmerzen - auch keinen Muskelkater - empfunden. Trotzdem
habe er sich aber beleidigt gefühlt. Den Vorgesetzten des betreffenden
Leutnants erzählte Soldat B in der Folge von diesem Vorfall nichts.
Im Rahmen der Voruntersuchung stiess Untersuchungsrichter Hess noch auf
einen dritten Vorfall. Nach den Aussagen des Opfers - Soldat C - war dieser
Vorfall allerdings bedeu-tungslos. Es handelte sich mehr um einen "Jux
 unter Kollegen, die während der RS sehr oft zusammen waren. Aus diesem
Grunde untersuchte Hess diesen Vorfall nicht näher; zumal auch der besagte
Leutnant X nicht involviert war. Das Dossier wird von Untersu-chungsrichter
Toni Hess nun in den nächsten Tagen dem zuständigen Auditor überwiesen.

Folgende militärstrafrechtlichen Delikte könnten für den Leutnant in Frage
kommen:

1. Mehrfacher Missbrauch der Befehlsgewalt.
2. Tätlichkeit gegen einen Untergebenen; allenfalls einfache
Körperverletzung.
3. Mehrfache Anstiftung zur Tätlichkeit; allenfalls zur einfachen
Körperverletzung.
4. Eventuell Anstiftung zur Freiheitsberaubung.

Der Auditor hat dann folgende drei Möglichkeiten:

1. Gelangt der Auditor zum Schluss, es handle sich vorliegend um einen
leichten Fall, wird er das Verfahren einstellen. Den Fall wird er an den
Kommandanten der Gebirgsin-fanterie-Rekrutenschule 212 in Chur, Oberst im
Generalstab Marco Cantieni, zwecks dis-ziplinarischer Bestrafung von
Leutnant X, überweisen; Der Schulkommandant kann in die-sem Fall maximal 15
Tage Arrest aussprechen.
2. Der Auditor entscheidet als Einzelrichter im sogenannten Mandatsverfahren
und kann eine Strafe von maximal 30 Tagen Gefängnis und/oder 1000 Franken
Busse aussprechen.
3. Der Auditor erhebt vor dem Divisionsgericht 12 Anklage gegen den
betreffenden Zug-führer. Das Divisionsgericht wird alsdann in
Fünferbesetzung tagen und ein Urteil fällen. Der Strafrahmen beträgt hier
zwischen drei Tagen und drei Jahren Gefängnis.

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