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Die Bioforschung auf dem Prüfstand

PRESSEMITTEILUNG / Bern, 11.10.2001

Die Bioforschung auf dem Prüfstand

Eine Gruppe von internationalen Experten für Biolandbau hat im Auftrag
des Bundesamts für Landwirtschaft die Leistungen der
landwirtschaftlichen Forschungsanstalten und des Forschungsinstituts
für biologischen Landbau FiBL zu Gunsten des biologischen Landbaus
überprüft. Die Experten anerkennen, dass die landwirtschaftliche
Forschung in der Schweiz wichtige Grundlagen für die Einführung der
Integrierten Produktion (IP) erarbeitet hat und wertvolle Ansätze für
den Biolandbau schafft. Diese Forschungsarbeiten haben der Schweiz
eine führende Stellung im Biolandbau beschert.
Besonders das Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL), die
Forschungsanstalt für Milchwirtschaft (FAM) und die Forschungsanstalt
für Agrarökologie und Landbau  (FAL) erbringen wichtige Leistungen für
den Biolandbau. Die Experten plädieren für eine vertiefte
Zusammenarbeit der landwirtschaftlichen Forschung in diesem Bereich
und für eine Intensivierung der Kontakte zwischen der Forschung und
der Bio-Praxis.
Der Landwirtschaftliche Forschungsrat (LFR) hat auf Grund des
Expertenberichts Empfehlungen an das Bundesamt für Landwirtschaft
formuliert. Er spricht sich dabei für eine vermehrte fachliche
Schwerpunktbildung in der Bioforschung einzelner Institute aus. Auch
fordert er eine problemorientierte Zusammenarbeit und eine verstärkte
internationale Ausrichtung. Er rät den Forschungsinstituten im
weiteren zu einer generell medienwirksameren Präsentation der
Ergebnisse und zu einer direkteren Kommunikation mit ihren Kunden,
insbesondere mit den Bäuerinnen und Bauern.
Wird in der Schweiz zu Gunsten des biologischen Landbaus genügend
geforscht? Können mit den zurzeit laufenden Projekten die Fragen der
Biobauern beantwortet werden? Wird das in den landwirtschaftlichen
Forschungsanstalten (FA) und dem Forschungsinstitut für biologischen
Landbau (FiBL) erarbeitete Wissen zeit- und kundengerecht den
Biobauern vermittelt? Mit diesen und weiteren Fragen befasste sich der
landwirtschaftliche Forschungsrat (LFR) an seiner Sitzung vom 26.
September 2001. Dabei stützte er sich auf einen Evaluationsbericht,
den internationale Experten im Auftrag des Bundesamts für
Landwirtschaft (BLW) erarbeitet haben. Die Experten stammen aus
verschiedenen europäischen Ländern und sind in der Forschung im
Bereich des Biolandbaus tätig. Die Experten waren als Gruppe bereits
im Rahmen einer Studie der Europäischen Union tätig. Dabei führten sie
eine Analyse und Wertung der Forschung im Biolandbau in Europa durch.
Die Evaluation in der Schweiz konzentrierte sich auf die
Forschungsarbeiten im Biolandbau. Die Experten führten die Evaluation
auf Grund von ihnen vorgängig zugestellten Unterlagen der
landwirtschaftlichen Forschungsanstalten und des FiBL durch. Sie
verbrachten jeweils einen halben Tag an jeder Forschungsinstitution,
liessen sich Arbeiten vorstellen, befragten die Wissenschafter,
analysierten spezifische Projekte und besuchten ausgewählte
Infrastrukturen.
Die FA und das FiBL wurden auf Grund verschiedener Gesichtspunkte
bezüglich ihrer Aktivitäten im Biolandbau bewertet. Die Gesichtspunkte
betrafen unter anderem: Relevanz der bearbeiteten Aufgabenstellungen
für die Biolandwirte; Effektivität und Effizienz des Wissenstransfers;
wissenschaftliche Qualität der Forschungsarbeiten im Biolandbau;
methodische Ansätze zur Bearbeitung der Forschungsfragen; interne
Abläufe zur Sicherung der wissenschaftlichen Qualität; Auswirkungen
der Forschungsergebnisse auf den Biolandbau; Beurteilung der
Infrastruktur (Labors, Untersuchungsflächen, usw.) und Nutzung von
Synergien zwischen Forschungsinstitutionen und zwischen IP und
Biolandbau.
Ergebnisse der Evaluation
 Nach Auffassung der Experten sind ganzheitliche (holistische)
Ansätze gegenüber eher enger gefassten Ansätzen zu favorisieren. Aus
ihrer Sicht verlangt Ganzheitlichkeit, dass Aufgaben aus mehreren
Perspektiven zu betrachten und vernetzt anzugehen sind. Ganzheitliche
Ansätze werden unter anderem mit Merkmalen wie „multidisziplinär,
Systemdenken, partizipatorisch, Einbezug des Erfahrungswissens der
Landwirte, Forschung auf Landwirtschaftsbetrieben (on farm research)“
umschrieben. Demgegenüber werden für enger gefasste Ansätze Begriffe
wie „reduktionistisch oder linear“ verwendet. Die internationalen
Experten halten ganzheitliche Ansätze für die Bearbeitung von
Aufgabenstellungen im Biolandbau tendenziell für geeigneter.
 Die Experten sind der Meinung, dass der Transfer von
Erkenntnissen vom Biolandbau zur IP erfolgversprechender ist als der
umgekehrte Weg. Dies sei damit zu erklären, dass im Biolandbau die
Restriktionen im Allgemeinen enger gesetzt sind als in der IP;
Erkenntnisse aus dem System mit engeren Begrenzungen lassen sich aus
Sicht der Experten eher in das weniger restriktive System
transferieren als umgekehrt. Aus strategischer Perspektive wird von
den Experten vorgeschlagen, sich künftig weniger auf den Transfer von
Forschungsergebnissen aus der IP zum Biolandbau zu verlassen und
vermehrt Ressourcen in der Biolandbauforschung einzusetzen.
 Bei ihren Empfehlungen gehen die Experten von einer weiteren
Ausdehnung des Biolandbaus in Europa aus. Je nach Wachstumsrate werden
bis 2010 gut 10% bis knapp 30% Biobetriebe erwartet. Heute werden
knapp 4% der Betriebe in der EU biologisch bewirtschaftet. In der
Schweiz liegt der Anteil Biobetriebe 2001 bei knapp 10 Prozent, wobei
mit einer weiteren Zunahme zu rechnen ist.
 Die Experten anerkennen, dass die landwirtschaftliche
Forschung in der Schweiz wichtige Grundlagen für die Einführung der
Integrierten Produktion (IP) erarbeitet hat und wertvolle Ansätze für
den Biolandbau schafft. Die Forschungsarbeiten haben der Schweiz eine
führende Stellung im ökologischen Landbau und im Biolandbau beschert.
 Was die einzelnen Forschungsstellen betrifft, so wurde beim
FiBL von den Experten besonders vermerkt, dass die Forschungsansätze
ganzheitlich und die Arbeitsfelder breit ausgerichtet sind, und dass
das FiBL eine internationale Ausstrahlung im Bereich des Biolandbaus
ausübt.
Bei der FAM beeindruckten vor allem die Spezialisierung im Bereich
Rohmilch, die hohe Kompetenz in schonenden Verarbeitungsverfahren
sowie generell die herausragende Bedeutung des Milch- und Käsesektors
für die schweizerische Landwirtschaft.
Der FAL wurde hohe Kompetenz in verschiedenen wichtigen
Forschungsbereichen zu Gunsten des Biolandbaus, u.a. im Futterbau und
in Graswirtschaftssystemen, im Ackerbau und in der Agrarökologie,
attestiert. Bei dieser Forschungsanstalt wurde besonders der
abgeschlossene Zusammenarbeitsvertrag mit dem FiBL positiv zur
Kenntnis genommen.
Die Forschungsanstalt für Obst-, Wein- und Gartenbau, Wädenswil (FAW)
wurde als international anerkannte Forschungsinstitution für die
Integrierte Produktion hervorgehoben. Zudem wurde die enge
Zusammenarbeit mit dem FiBL gelobt. Kritik der Experten erntete der
begrenzte Aufwand für die direkte Bearbeitung von Aufgabenstellungen
im Biolandbau.
Die Experten zeigten sich positiv beeindruckt von den Arbeiten der RAC
im Weinbau (Selektion, Züchtung resistenter Pflanzen) sowie bei den
Beeren und Medizinalpflanzen, die teilweise oder vollständig auf den
Biolandbau ausgerichtet sind. Diese Forschungsanstalt arbeitet eng mit
der FAW und der FAL zusammen. Die Experten sind aber der Meinung, dass
auch die Zusammenarbeit mit dem FiBL intensiviert werden muss.
Die tierische Produktion hat in der Schweiz eine hohe wirtschaftliche
und ökologische Bedeutung. Die Experten erkannten einen
Handlungsbedarf im Biolandbau bei der Station de recherches en
production animale in Posieux (RAP). Gemäss den Experten soll die RAP
- im Rahmen der bereits eingeleiteten Massnahmen zur Stärkung der
Forschung im Biolandbau  - ebenfalls ihre Zusammenarbeit  mit den im
Bereich des Biolandbaus tätigen Institutionen, und speziell mit dem
FiBL weiter vertiefen.
Die Experten sind der Meinung, dass bei den ökonomischen
Fragestellungen das Konsumentenverhalten für die Weiterentwicklung des
Biolandbaus prioritär ist. Dementsprechend empfehlen die Experten der
Forschungsanstalt für Agrarwirtschaft und Landtechnik in Tänikon (FAT)
ihre Forschung auch auf Aspekte der Nachfrage nach Bio-Agrarprodukten
und Bio-Konsumgütern auszudehnen.
 Die Experten haben auch die Arbeitsweise und die
institutionellen Regelungen der Arbeitsgruppe Biolandbau überprüft.
Die Arbeitsgruppe wurde im Jahre 1995 vom Bundesamt für Landwirtschaft
eingesetzt und koordiniert die Forschungsarbeiten im Bereich des
Biolandbaus sowohl innerhalb der Forschungsanstalten als auch zwischen
den Forschungsanstalten und dem FiBL.
Die Experten schlagen eine Neuausrichtung der Koordination vor. Dabei
verweisen sie auf das Beispiel des DARCOF (Danish Research Center for
Organic Farming) in Dänemark. Das DARCOF wurde 1995 als „Center
without walls“ ins Leben gerufen, in dem sich 15 Institute von
Forschungsanstalten und Hochschulen engagieren. Ziel von DARCOF ist es
Forschungsprojekte zu initiieren und zu koordinieren, Wissen in bezug
auf Umwelt, Gesundheit und Anbausysteme zu entwickeln und dieses
Wissen in Lehre und Beratung sowie durch direkte Kontakte mit den
Landwirten zu verbreiten.
Empfehlungen des Landwirtschaftlichen Forschungsrates
Der Landwirtschaftliche Forschungsrat hat sich intensiv mit dem
Evaluationsbericht der Experten auseinander gesetzt und stellt mit
Befriedigung fest, dass die Bioforschung in der Schweiz im
internationalen Vergleich einen  hohen Stand aufweist.
Gleichwohl hat die Evaluation einige Verbesserungsmöglichkeiten
aufgezeigt. Der Landwirtschaftliche Forschungsrat formuliert die
folgenden Empfehlungen an das Bundesamt für Landwirtschaft. Dabei
werden nicht nur die Aktivitäten im Biolandbau, sondern ganz allgemein
die Ausrichtung auf Kompetitivität und Kompetenz angesprochen.
 Die Forschungsinstitute sollen sich auf jene Forschungsfelder
konzentrieren, in deren sie komparative Vorteile haben. Dies muss in
der Bioforschung zu einer verstärkten fachlichen Schwerpunktbildung
führen; nur so können Forschergruppen die minimale „kritische Masse“
erreichen, um forschungsmässig an der Spitze zu sein.
 Die Forschungsinstitute sollen problemorientiert vermehrt
zusammenarbeiten. Insbesondere soll die Zusammenarbeit zwischen FiBL
und Forschungsanstalten verstärkt und vertieft werden. Der
Landwirtschaftliche Forschungsrat empfiehlt dem BLW, die Arbeitsweise
und die institutionellen Regelungen der Arbeitsgruppe Biolandbau
kritisch zu überprüfen und alternative institutionelle Lösungen zu
entwickeln. Er verweist unter anderem auf das dänische Modell DARCOF.
 Die Forschungsinstitute sollen sich stärker international
ausrichten und sich vermehrt um EU-Forschungsgelder bewerben. Dies
bedingt eine verstärkte internationale Zusammenarbeit im Rahmen von
strategischen Allianzen mit Partnerinstituten und führt zur
notwendigen inhaltlichen Ausrichtung, zum ständigen internationalen
Quervergleich und damit zur Exzellenz in der Forschung.
 Die Forschungsinstitute sollen ihre internen
Monitoringprozesse und Qualitätssicherungssysteme weiter verfeinern.
Diesbezüglich empfiehlt der LFR dem Bundesamt für Landwirtschaft, die
Forschungsinstitute periodisch mittels Evaluationen (sog. ‚peer
reviews') überprüfen zu lassen.
 Die Forschungsinstitute sollen ihre Ergebnisse künftig
medienwirksamer präsentieren und direkter mit ihren Kunden -
insbesondere mit den Bäuerinnen und Bauern - kommunizieren.
 Die Forderung nach direkterem Kontakt zwischen
Forschungsinstituten und Kunden führt dazu, dass das jetzige linear
organisierte Wissenssystem hinterfragt werden muss; der LFR empfiehlt
dem BLW, im Jahr 2002 das Landwirtschaftliche Wissenssystem (Transfer
von Wissen von der Forschung bis zum Anwender und umgekehrt) zu
analysieren und falls nötig Alternativen auszuarbeiten.
 Der direktere Kontakt der Forschungsinstitute mit ihren
Kunden wird dazu führen, dass die Forschungsinstitute deren
Bedürfnisse besser kennen. Im Sinne einer Erfolgskontrolle sind
periodische Kundenbefragungen durchzuführen.
 Der LFR empfiehlt, vermehrt umfassende Fragestellungen
anzugehen, die oft ein multi- oder transdisziplinäres Vorgehen
erfordern. Dabei sollen das Erfahrungswissen der Kunden und die
Ergebnisse des „on farm research“ soweit sinnvoll und notwendig
einbezogen werden.

Auskünfte:
Jost Harr, Präsident des Landwirtschaftlichen Forschungsrats, Tel.
079-415 95 12, jharr@bluewin.ch 
Jacques Morel, Vizedirektor Bundesamt für Landwirtschaft, Tel. 031-322 25 03, jacques.morel@blw.admin.ch