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Die Schweizer Wirtschaft: Ende eines Jahrhunderts und Anfang einer neuen Ära

PRESSEMITTEILUNG / Bern, 8.12.2000

Die Schweizer Wirtschaft: Ende eines Jahrhunderts und Anfang einer
neuen Ära

Ansprache von Bundesrat Pascal Couchepin, Vorsteher des
Eidg. Volkswirtschaftsdepartements,
anlässlich des FDP-Parteitages der Zentralschweiz
vom Freitag, 8. Dezember 2000 in Sursee

Es gilt das gesprochene Wort

Embargo 10.30 Uhr

Sehr geehrter Herr Präsident
Sehr geehrte Damen und Herren National- und Ständeräte
Liebe freisinnige Freunde von Luzern und der Zentralschweiz
Es ist für mich ein grosses Vergnügen und eine Ehre, heute in Sursee
in Ihrer Mitte zu sein. Dieser Tag ist eine willkommene Gelegenheit,
über die Verankerung unserer Partei in der Bevölkerung nachzudenken.
Diese Verankerung muss breit abgestützt sein. Wir müssen eine
integrierende Wirkung entfalten und in der Lage sein, im Luzernischen
und in der Schweiz mehr Mehrheiten zu bilden.
Wir müssen als eine Partei in Erscheinung treten, die eigene Ideen
entwickelt und reformorientierte Vorschläge zur Diskussion stellt. Wir
müssen vor allem die Jungen ansprechen und es wäre schön, wenn diese
Lust und Mut erhielten, in die politische Debatte einzusteigen.
Sie haben dieses Jahr in der Frage des Namenwechsels Ihrer Partei eine
Grundsatzdebatte über jene Werte geführt, welche die Freisinnigen
eint. Die luzernische liberale Partei hat in dieser Logik die Etikette
des Mutterhauses, der Freisinnigen Partei, übernommen. Die Bezeichnung
liberal verschwindet von der Verpackung, aber die Diskussion zum
Namenswechsel hat den grundlegenden liberalen Geist Ihrer Partei
deutlich hervorgestrichen. Dies ist ein gutes Zeichen.
Diese Diskussionen erinnern mich an die Debatte, die wir vor Jahren im
Wallis geführt haben. Dort gab es lange zwei Flügel, einen mehr
radikal gesinnten und einen mehr liberal gesinnten. Meine Region und
meine Familie stand auf der liberalen Seite. Aber wir fühlten uns wohl
unter dem gemeinsamen, freisinnigen Dach.
Letztlich werden wir danach beurteilt, ob wir ein klares Profil haben
und eine Politik verfolgen, die einerseits der Wirtschaft langfristig
optimale Voraussetzungen anbieten kann und andererseits auch in der
Gesellschaftspolitik liberal auftritt. Ich werde mich heute praktisch
nur zur Wirtschaftspolitik äussern, aber ich möchte hier auch
ausdrücklich betonen, dass ein freisinniges Parteiprogramm auch auf
gesellschaftspolitische Fragen Antworten anzubieten hat.
Die liberale Wirtschaftspolitik verfolgt eine Ordnungspolitik, welche
über die unmittelbaren Einzelinteressen der verschiedenen
Wirtschaftszweige hinausgeht. Dies ist letztlich der Kerngehalt der
Botschaft, welche ich Ihnen heute vermitteln möchte.
Meine sehr verehrten Damen und Herren
Die Adventszeit beschert uns nicht nur besinnliche Tage. Sie kündigt
auch den Jahreswechsel an, der zu einem Rückblick auf das Vergangene
verleitet. Wir haben uns jedoch nicht versammelt, um schulterklopfend
in den Rückspiegel zu schauen, sondern um zuversichtlich in die
Zukunft zu blicken.
Wenn ich trotzdem im ersten Teil meiner Rede einen kurzen Blick zurück
werfe, dann nur um aus der Vergangenheit zu lernen.
Die Periode zwischen 1990 und 2000 - das Ende des zwanzigsten
Jahrhunderts - ist aus wirtschaftspolitischer Sicht dafür geradezu
prädestiniert. Sie hat unserem Land nicht nur die längste
Stagnationsphase der Nachkriegszeit beschert, sondern vor drei Jahren
auch eine überraschende Wende genommen.
Wer aus diesen bewegten Jahren Lehren ziehen will, muss folgende
Fragen beantworten können:
 Welches waren die Gründe für die lange Stagnation?
 Welches sind die Hintergründe der eindrücklichen Trendwende?
 Welches sind die Voraussetzungen, um das Wirtschaftswachstum
zu erhalten und künftige Herausforderungen zu meistern?
 (Gründe für die Stagnation der neunziger Jahre)
Lassen Sie mich zunächst auf die Gründe der langen Stagnation
eingehen. Bei der Suche nach Erklärungen für die lange konjunkturelle
Flaute der neunziger Jahre bewegen sich die Ökonomen noch im Nebel.
Wir kennen zwar heute die möglichen Erklärungsfaktoren, wissen aber
nicht, wie stark sie zur Stagnation beitrugen.
Unbestritten ist, dass diese Faktoren vor allem wegen ihres zeitlichen
Zusammenfallens eine derart unselige Wirkung entfaltet haben. Ich
denke dabei
 an die verstärkte Internationalisierung der Wirtschaft,
 an die straffe Geldpolitik und die relativ schwache
Weltkonjunktur am Anfang der Neunzigerjahre,
 an den hohen Konsolidierungsdruck in den öffentlichen
Haushalten und
 an den tiefgreifenden Strukturwandel in zahlreichen
Wirtschaftszweigen.
(Von den schwierigen Zeiten lernen)
Aus dieser Aufzählung lässt sich eine wichtige Lehre ziehen: Wenn wir
davon ausgehen, dass die Internationalisierung der Wirtschaft
fortschreitet und früher oder später mit einer Abkühlung der
Konjunktur zu rechnen ist, muss in Zukunft vermieden werden,
 dass die öffentlichen Haushalte in konjunkturell schwierigen
Zeiten in Schieflage sind,
 dass die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen dem
Strukturwandel nachhinken und ausgerechnet in einem Konjunkturtief
angepasst werden müssen und
 dass die Nationalbank Überhitzungserscheinungen der
Konjunktur korrigieren muss.
Mit anderen Worten: Wir müssen heute die gute Ausgangslage nutzen, um
die Herausforderungen von morgen besser meistern zu können.
 (Erste Erfolge - weiterer Handlungsbedarf)
Einen entscheidenden Schritt vorwärts haben wir mit dem Haushaltziel
2001 sowie mit dem Vorschlag zu einer Schuldenbremse gemacht. In
diesem Zusammenhang gebührt Finanzminister Kaspar Villiger für sein
unermüdliches Kämpfen besonderes Lob; erst kürzlich musste er die
Öffentlichkeit daran erinnern, dass die Sanierung des Bundeshaushaltes
noch keineswegs gesichert ist.
Wenn wir auf diesem Weg fortschreiten, den Bundeshaushalt nachhaltig
sanieren und auch noch einen neuen Schuldenberg vermeiden, werden wir
für das kommende Jahrzehnt wesentlich bessere Voraussetzungen haben
als zu Beginn der neunziger Jahre.
Es verbleiben im Wesentlichen drei Herausforderungen. Erstens die
langfristige Ausrichtung der Finanzpolitik an den internationalen
Standortwettbewerb.
 Zweitens muss die Finanzierung der Sozialversicherungen auf eine
nachhaltige Basis geführt werden.
Drittens muss die Wirtschaftspolitik die bisherigen Anstrengungen zur
Revitalisierung der Wirtschaft fortführen.
Wir haben zwar in den letzten fünf Jahren mit dem neuen Kartellgesetz,
dem Binnenmarktgesetz, der neuen Agrarpolitik sowie der Neuausrichtung
von Swisscom, Post und SBB wichtige Weichenstellungen vorgenommen. Wir
müssen aber diese Politik fortführen, um Fehler der Vergangenheit zu
vermeiden.
Die Entwicklung der Telekommunikation zeigt, dass es richtig war, die
Swisscom in die politische Unabhängigkeit zu entlassen. Leider war der
Zeitpunkt, gemessen an der raschen Veränderung des Marktumfeldes, eher
spät gewählt. Nun steht das Unternehmen unter Marktdruck und mit ihm
die Politik.
Vergleichbare Marktumwälzungen sind mittlerweile auch in den Strom-
und Postmärkten absehbar. Es ist unsere Pflicht, diese Entwicklungen
vorausschauend zu erkennen.
Wir müssen ohne Ideologie praktische Lösungen finden, die auch
politisch tragbar sind.
Wer zu spät auf den Strukturwandel reagiert, den straft das
Wirtschaftsleben - und die Politik muss sich dann den Vorwurf gefallen
lassen, das Primat über die Wirtschaft dem Sog des Marktes überlassen
zu haben.
Wir müssen allerdings auch in jenen Branchen Weitblick zeigen, die in
ihren Entfaltungsmöglichkeiten heute nicht durch staatliche
Marktordnungen behindert werden.
Ich denke dabei mit Besorgnis an die Biotechnologie. Sie verspricht
einerseits ein grosses wirtschaftliches und gesellschaftliches
Potenzial, gerät aber je länger je mehr unter Regulierungsdruck.
Hier müssen wir uns in Acht nehmen, Fehler der Vergangenheit nicht zu
wiederholen. Mit gutem Grund wird heute bedauert, die Entwicklungen in
der Informatik und der Kommunikation in den achtziger Jahren
verschlafen zu haben. Das darf uns mit der Biotechnologie nicht
passieren.
(Standorttrümpfe erleichtern die Trendwende)
Meine Damen und Herren
Wenden wir uns nach dem Rückblick auf die Stagnationsjahre der
überraschend starken Trendwende der letzten beiden Jahre zu. Die
Rückkehr auf den Pfad des Wirtschaftswachstums erfolgte überraschend
und überraschend deutlich.
Noch vor einem Jahr stellten uns die Konjunkturauguren für das Jahr
2000 ein Wirtschaftswachstum von rund 2% und eine Arbeitslosenquote
von über 2% in Aussicht. Tatsächlich nahm das reale
Bruttoinlandprodukt in diesem Jahr aber schätzungsweise um 3% zu,
während die Arbeitslosenquote im Jahresdurchschnitt voraussichtlich
auf 2% sank.
Diese „good news“ verdanken wir vor allem den liberalen
wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Schweizer Volkswirtschaft,
nämlich:
 ein relativ geringes Steuerniveau für Unternehmen und
Konsumenten;
 flexible Arbeitsmärkte;
 offene Märkte und
 geringe administrative Belastungen, welche Innovationen,
Unternehmensgründungen und Restrukturierungen erleichtern.

(Ökonomische Grenzen des Wachstums ...)
Drei Prozent reales Wirtschaftswachstum sind imposant. Allerdings
dürfen wir noch nicht damit rechnen, dass sich diese Zunahme des
Bruttoinlandprodukts längere Zeit über die Marke von 2% hält, ohne
inflationäre Tendenzen auszulösen.
Bei einem Produktivitätswachstum von rund 1,4% und einer kaum
zunehmenden Erwerbsbevölkerung wären Wachstumsraten von 2% und mehr
nur über einen Zuzug ausländischer Arbeitskräfte realisierbar - eine
politisch schwierige Perspektive.
 (... durch die „New Economy“ ausgeweitet?)
Bleibt die Frage, ob uns die „New economy“ einen nachhaltigen
Produktivitätsschub bescheren wird. Wir können aus heutiger Sicht noch
nicht mit Sicherheit davon ausgehen, dass die „Neue Wirtschaft“
ähnlich wie in den USA auch in der Schweiz zu einer deutlich höheren
Produktivität führen wird.
Auf jeden Fall müssen wir alles unternehmen, damit die Grundlagen für
eine lange Phase hoher Produktivität gegeben sind.
Neue Unternehmen der „Neuen Wirtschaft“ sollen sich bestmöglich in der
Schweiz etablieren und niederlassen können. Dazu hat der Bundesrat auf
Antrag des EVD im Sommer einen umfangreichen Bericht verabschiedet,
der zur Erarbeitung zahlreicher Massnahmen dient.
 (Pflege der Arbeitsmarktflexibilität)
Ebenso wichtig wie die Pflege der Rahmenbedingungen für die „Neue
Wirtschaft“ ist die Hege der Arbeitsmarktflexibilität. Der
überraschend rasche Abbau der rekordhohen Arbeitslosigkeit Ende der
neunziger Jahre geht zu einem wesentlichen Teil darauf zurück. Die
hohe Leistungsfähigkeit des Schweizer Arbeitsmarktes wird von in- und
ausländischen Experten vor allem auf dessen geringen Regulierungsgrad
zurückgeführt.
Diesen Trumpf gilt es unbedingt zu erhalten. Es genügt, über die
Landesgrenzen zu blicken, um zu verstehen, was passieren würde, wenn
unsere Arbeitsmarktflexibilität verloren ginge: Obwohl die Konjunktur
in Nachbarländern ebenso gut läuft wie in der Schweiz, verharrt die
Arbeitslosigkeit dort auf unvergleichbar höherem Niveau.
Mit der vorgeschlagenen Reform der Arbeitslosenversicherung wollen wir
diese Flexibilität erhalten. Wir streben nicht nur eine Reduktion der
Versicherungsbeiträge an. Wir wollen auch den Risikoschutz vor
Arbeitslosigkeit aufrecht erhalten und gleichzeitig vermeiden, dass
Arbeitslose in die Falle der Langzeitarbeitslosigkeit geraten.
(Welcher Weg führt zu dauerhaften Wachstum?)
Meine Damen und Herren
Wo soll die Schweiz wirtschaftlich in zehn Jahren stehen? Hier hat
sich ein bemerkenswerter Konsens herauskristallisiert: Alle wollen
unser Land auf einen Pfad des dauerhaften Wirtschaftswachstums führen.
Die Stimmen, die vor fünfzehn Jahren noch Null-Wachstum forderten,
sind verstummt. Es wird nun allgemein anerkannt, dass es keinen
grundsätzlichen Widerspruch zwischen Wachstum, Wohlstand und
Umweltschutz gibt.
Zwar herrscht heute weitgehend Einigkeit bezüglich dieses Ziels. Um so
grösser sind jedoch die Meinungsverschiedenheiten, wenn es darum geht,
den „richtigen“ Weg zum dauerhaften Wirtschaftswachstum zu weisen.
(Wachstum lässt sich nicht verordnen)
Wir bevorzugen den Weg der liberalen Wirtschaftspolitik und zeigen uns
gegenüber staatlichem Aktivismus skeptisch. Der Grund ist einfach.
Wirtschaftswachstum lässt sich nicht staatlich anordnen. Hinter einem
dauerhaften Wachstum stehen vielmehr die freiwillige Bereitschaft und
der Wunsch der Arbeitnehmer, Unternehmen, Konsumenten und Investoren,
ihre Arbeitskraft anzubieten, neue Güter und Dienstleistungen zu
entwickeln, neuartige Produkte zu kaufen und in bestehende oder neue
Firmen zu investieren.
Die Arbeitnehmer müssen dementsprechend auf eine hochwertige
Ausbildung, die Unternehmen auf freie Entfaltungsmöglichkeiten, die
Konsumenten auf einen wirksamen Wettbewerb und die Investoren auf eine
angemessene Abgeltung ihrer Risiken zählen können.
(Wer „macht“ mehr für das Wachstum?)
Die Kritiker dieser liberalen Auffassung einer Wachstumspolitik
bemängeln, dass dem Staat dabei eine zu wenig aktive Rolle
zugesprochen werde. Sie werfen uns vor, zu wenig Wirtschaftspolitik zu
„machen“.
Tatsächlich scheint eine Politik des staatlichen Interventionismus auf
den ersten Blick aktiver und damit attraktiver. Doch wohin führte sie
die Schweizer Volkswirtschaft?
Die Antwort ist einfach: kurzfristig zu einer höheren staatlichen
Nachfrage und damit zu einer - vielleicht - höheren Zunahme des
Bruttoinlandprodukts.
Längerfristig führt sie aber klar zu weniger Wirtschaftswachstum als
bei einer liberalen Politik, wie wir sie gestalten wollen.
Welche Überlegungen führen mich zu dieser Überzeugung?
Wir müssen uns dazu nur drei Schlüsselbereiche des
Wirtschaftswachstums in Erinnerung rufen, bei denen die Meinungen
zwischen interventionistischer und liberaler Wirtschaftspolitik stark
auseinandergehen:
 Geringe Anpassung der staatlichen Einflussnahme an den
Strukturwandel. Folgt die Schweizer Politik in den Bereichen wie
Elektrizität, Swisscom, Post einem Kurs der starken staatlichen
Einflussnahme, werden die Unternehmen in ihrer Entfaltungsmöglichkeit
gehemmt. Die Schweizer Unternehmen wachsen dann nicht mit den
internationalen Märkten mit. Sie verpassen den Anschluss an die
internationale Konkurrenz. Die Folge davon: geringe
Wettbewerbsfähigkeit, weniger Investitionen, weniger neue
Arbeitsplätze, weniger Wachstum.
 Übermässig kritische Haltung gegenüber neuen Technologien.
Unser Forschungsplatz gehört nach wie vor zu den besten der Welt. Die
Karten werden jedoch in den nächsten zehn Jahren neu gemischt. Wer
sich gegenüber neuen Technologien wie der Biotechnologie offen zeigt,
wird zu den Gewinnern gehören.
Wer jedoch in den neuen Forschungsgebieten vor allem Risiken sieht,
die Folgen jeder neuen Technologie bis ins letzte Detail abklären will
und das gesellschaftliche und wirtschaftliche Potenzial
vernachlässigt, nimmt in Kauf, dass die Schweiz als Forschungsstätte
an Bedeutung verlieren wird. Damit verringert sich langfristig die
Innovationsfähigkeit der Wirtschaft und das Wachstumspotenzial der
Schweiz.
 Steigende Fiskal- und Staatsquote. Die wohl entscheidende
Frage, bei der sich die Geister der Interventionisten und der
Vertreter der liberalen Politik scheiden, ist diejenige nach dem Trend
der fiskalischen Gesamtbelastung und der zunehmenden Staatsausgaben.
 (Vertrauen auf den bisherigen Weg)
Es ist kein grosses Geheimnis: Das Wirtschaftswachstum wird letztlich
durch das Volumen an Arbeit und Kapital sowie durch den Einsatz von
Technologie bestimmt.
Diese drei Faktoren bestimmen, wie viele Güter und Dienstleistungen in
einem Land produziert werden.
Ein höheres Wachstum ist also nur möglich, wenn gesamtwirtschaftlich
entweder mehr Arbeitsstunden geleistet werden oder mehr Kapitalgüter
oder eine bessere Technologie zum Einsatz kommen.
Diese ökonomische Gesetzmässigkeit kann nicht aus den Angeln gehoben
werden - auch nicht über einen wie auch immer definierten „Dritten
Weg“.
Natürlich muss die Wirtschaftspolitik die wirtschaftliche Entwicklung
gestalten; gestalten ist aber nicht gleichzusetzen mit verwalten.
Wirtschaftspolitik gestalten bedeutet, den Akteuren im täglichen
Wirtschaftsleben den Weg in die Zukunft zu ebnen. Diesen Weg sollen
sie aber selbständig beschreiten können.
Das Jahrhundert, auf das wir zurückblicken können, brachte der Schweiz
in den fünfziger und sechziger Jahren die wirtschaftliche
Erfolgsstory; wir sind mit gutem Grund noch heute darauf stolz.
Die Neuauflage des Schweizer Erfolges schreibt sich jedoch nicht von
selbst. Es liegt an uns allen, an der Fortsetzung mitzuwirken.
Der materielle Wohlstand nimmt in der Schweiz heute wieder zu, weil
wir in den letzten zehn Jahren den Mut, die Kraft und die Ausdauer
hatten, die zum Teil veralteten Strukturen zu erneuern.
Nutzen wir die Gunst der Stunde, um auf diesem Weg fortzuschreiten.
Wir müssen die Herausforderungen des kommenden Jahrzehnts antizipieren
und klug agieren.
Ich möchte zum Abschluss noch einmal unterstreichen, dass eine
Wirtschaftspolitik allein, ohne ein soziales und regionales
Gleichgewicht, eine unvollständige Politik ist. Liberale Politik ist
nicht nur ein Bekenntnis zu einer liberalen Wirtschaftspolitik. Sie
ist auch ein Bekenntnis zu anderen Werten wie soziale Verantwortung
und Toleranz. Alle Politiken müssen ineinandergreifen, denn nur eine
offene Gesellschaft ist fähig, sich laufend zu reformieren. Dies wird
auch im 21. Jahrhundert notwendig sein.