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„Financial Sector Assessment Program“ (FSAP) des IWF: Schlussbericht zur Schweizer Teilnahme

PRESSE-ROHSTOFF

„Financial Sector Assessment Program“ (FSAP) des IWF: Schlussbericht zur
Schweizer Teilnahme

Die internationalen Finanzkrisen Ende der 90er Jahre haben der Stärkung
der Finanzsystemstabilität neue Dringlichkeit verliehen. Auf den Plan
gerufen wurde auch der Internationale Währungsfonds (IWF), der im
Frühjahr 1999 in Zusammenarbeit mit der Weltbank das „Financial Sector
Assessment Program“ (FSAP) zur umfassenden Evaluation der
regulatorischen Rahmenbedingungen sowie der Krisenresistenz der
Finanzsektoren seiner Mitgliedländer lanciert hat. Die Schweiz hat als
eines der ersten Industrieländer am FSAP teilgenommen. Damit wurde die
Chance wahrgenommen, die Qualität der Regulierung und der Überwachung
unseres international stark exponierten Finanzsektors darzulegen sowie
für die laufenden regulatorischen Reformvorhaben von der Expertise des
IWF zu profitieren.

1. Hintergrund

Finanzkrisen sind keine Seltenheit. Seit den 80er Jahren waren etwa drei
Viertel aller Länder damit konfrontiert, darunter auch viele
Industrieländer. Die Währungs- und Finanzkrisen in Asien 1997 und
Russland 1998 haben jedoch insofern eine neue Phase eingeläutet, als sie
primär vom privaten Finanzsektor ihren Ausgang genommen und somit die
Wichtigkeit von soliden Finanzinstituten und intakten regulatorischen
Rahmenbedingungen in einem zunehmend global vernetzten Marktumfeld
eindrücklich unterstrichen haben. Für den IWF, dessen Kernmandat die
internationale Finanzsystemstabilität umfasst, leitete sich daraus
unmittelbarer Handlungsbedarf ab: Im Mai 1999 wurde in Zusammenarbeit
mit der Weltbank das „Financial Sector Assessment Program“ (FSAP)
lanciert. Letztlich geht es um die Früherkennung von regulatorischen
Defiziten und von strukturellen Fehlentwicklungen in den Finanzsektoren.
Obwohl das FSAP eine gemeinsame Initiative von IWF und Weltbank
darstellt, werden Industrieländer ausschliesslich vom IWF geprüft. Bei
dieser Standortbestimmung gelangen gleichzeitig drei Ansätze zur
Anwendung: Die makroprudenzielle Analyse dient der Erfassung der
relevanten volkswirtschaftlichen Kennzahlen einschliesslich aggregierter
Indikatoren auf Firmenebene. Mit Blick auf die rechtlichen und
institutionellen Rahmenbedingungen wird die Standard-Konformität in den
fünf Kernbereichen Banken, Versicherungen, Wertschriften,
Zahlungssysteme und Transparenz der Geld- und Finanzpolitik erörtert.
Ebenfalls Teil der Evaluation sind die Regelungen betreffend der
Geldwäscherei. Schliesslich werden im Rahmen des Stresstesting konkrete
Szenarienanalysen erstellt.

 2. Die Finanzsektor-Länderprüfung der Schweiz

Die Schweiz hat 2001 als eines der ersten Industrieländer auf
freiwilliger Basis am FSAP teilgenommen. Zur Durchführung der
FSAP-Evaluation vor Ort hat sich eine IWF-Delegation bestehend aus
IWF-Vertretern und externen Experten Anfang November 2001 in der Schweiz
aufgehalten. Im Rahmen dieses Arbeitsbesuches hat die IWF-Delegation
zahlreiche Gespräche mit den Behörden (Eidg. Bankenkommission, Bundesamt
für Privatversicherung, Eidg. Finanzverwaltung, Bundesamt für
Sozialversicherung, Schweiz. Nationalbank) und mit über 35 Vertretern
der Privatwirtschaft geführt. Diese Gespräche sind in einem offenen und
konstruktiven Rahmen verlaufen und haben es dem IWF ermöglicht, ein
detailliertes Bild über das Schweizer Finanzsystem zu gewinnen.
Schwerpunktthemen der Gespräche bildeten das Aufsichtssystem, die
Instrumente zur Krisenprävention und des Risikomanagements im
öffentlichen und im privaten Sektor sowie die Konformität mit
international anerkannten Finanzsektorstandards und -prinzipien. Im
Verlaufe der Gespräche wurden auch die wirtschaftlichen Auswirkungen der
September-Anschläge auf die USA angesprochen, welche einer weltweiten
Bewährungsprobe für das globale Finanzsystem gleichgekommen sind. In
Bezug auf Aspekte der Geldwäschereibekämpfung konzentrierte sich der IWF
auf die aufsichtsrechtlich relevante Regulierung und deren Umsetzung.
Prominent zur Sprache kamen ferner die regulatorischen Reformvorhaben
der Schweiz im Finanzbereich.

3. Beurteilung des IWF

Das generelle Fazit des IWF zur Stabilität des Schweizer Finanzsystems
ist sehr positiv. Die schweizerische Volkswirtschaft zeichnet sich
namentlich durch einen hohen Entwicklungsgrad und einen etablierten und
international renommierten Finanzsektor aus. Einige der weltweit
bedeutendsten Finanzinstitute sind hier domiziliert. Diese
internationale Ausrichtung ist für die Stabilität von grosser Relevanz:
Einerseits können dank der weltweiten Diversifikationsmöglichkeiten
heimische Schocks besser ausbalanciert werden wie während der
inländischen Immobilienkrise in den 90er Jahren geschehen. Auf der
anderen Seite besteht die Gefahr der Übertragung von Schocks aus dem
Ausland. Das Ergebnis hängt weitgehend von der Qualität des
regulatorischen Umfelds, vom System der Aufsicht und vom
Risikomanagement der einzelnen Institute ab. Alle drei
Kontrollmechanismen werden in der Schweiz als solid und intakt
beurteilt. Die grösste Unabwägbarkeit für die Stabilität des
schweizerischen Finanzsystems liegt heute in einer tiefen und globalen
wirtschaftlichen Rezession.

Der Bankensektor präsentiert sich mit den zwei global ausgerichteten
Grossbanken und den primär den Heimmarkt abdeckenden Kantonal-,
Regional- und Raiffeisenbanken als gut diversifiziert und stabil. Die
Grossbanken sind hochkapitalisiert und rentabel und erweisen sich dank
ihrer hochentwickelten Risikomanagement-Systeme als gut gerüstet für den
internationalen Wettbewerb. Bei den Regional- und Raiffeisenbanken wird
noch ein gewisses Konsolidierungspotential geortet aufgrund limitierter
Wachstumsaussichten auf dem Heimmarkt und anstehendem Investitionsbedarf
in neue Technologien. Konkurrenz erwächst ihnen von Seiten der
Kantonalbanken, deren regulatorische Vorzugsstellung mit Vorbehalten
kommentiert wird. Bezüglich der Aufsichtsstruktur befürwortet der IWF
die Zusammenlegung der Banken- und der Versicherungsaufsicht in eine
integrierte Aufsichtsbehörde uneingeschränkt angesichts der zunehmenden
Überschneidung dieser Geschäftstätigkeiten und -risiken.

Die Schweizer Versicherungsbranche kann auf eine lange Tradition soliden
Wachstums zurückblicken, welche durch keinen einzigen Konkursfall
getrübt wird. Der heimische Versicherungsmarkt ist praktisch gesättigt,
was Anreize zur Erschliessung internationaler Märkte liefert. Auch in
der Versicherungsbranche können sich einige Schweizer Unternehmen zu den
bedeutenden Global Players zählen. Nach den Terroranschlägen musste für
das Jahr 2001 mit einem gewissen Einbruch der Geschäftsabschlüsse der
(Rück-) Versicherer gerechnet werden, wobei diese Einbussen durch das
höhere Prämienvolumen mittelfristig wieder wett gemacht werden dürften.
Hingegen hat die bedeutende Korrektur der Wertschriftenpreise bei den
Versicherern Spuren hinterlassen, was zu einer Überprüfung der
Risikomanagement-Systeme und der internen Kapitalvorschriften geführt
hat.

Die Wertschriften- und Derivatenmärkte werden grösstenteils von den
Banken bestritten und auf drei Handelsplattformen abgewickelt: Zum einen
Swiss Exchange (SWX) mit ihrem elektronischen und vollständig
integrierten Handelssystem; zweitens Eurex, die schweizerisch-deutsche
elektronische Derivatbörse in Frankfurt, und schliesslich Virt-x, die
von SWX initiierte und in Zusammenarbeit mit Tradepoint seit diesem Jahr
operative paneuropäische blue-chips-Handelsplattform in London. Alle
diese Projekte unterstreichen die Öffnungsstrategie der schweizerischen
Finanzbranche und ihr Interesse an der Entwicklung immer effizienterer
grenzüberschreitender Handelsinfrastrukturen. Als Kritikpunkt wird
jedoch die fehlende Unterstellung der unabhängigen Vermögensverwalter
unter die prudenzielle Aufsicht angeführt. Dies mit Blick auf den
Kundenschutz und Reputationsrisiken.

Sowohl das Zahlungssystem, Swiss Interbank-Clearing (SIC), als auch das
Wertschriftenabwicklungssystem, SECOM, sind sehr solide in ihrer
Struktur und genügen vollumfänglich den massgeblichen internationalen
Standards. Auch diese Systeme wurden im Herbst 2001 auf die Probe
gestellt und haben in dieser Situation ihre Standhaftigkeit bewiesen.
Als für die Systemstabilität relevante Herausforderung zeichnet sich in
unmittelbarer Zukunft der geplante Übergang zum Continuous Linked
Settlement (CLS) - ein System für die Zug-um-Zug Abwicklung von
Devisentransaktionen - ab. Der IWF empfiehlt auch die aufmerksame
Analyse von sich abzeichnenden strukturellen Entwicklungen seit der
Einführung des Euro.

In ihrer Rolle als institutionelle Investoren sind die Pensionskassen
wichtige Finanzmarktteilnehmer. Es handelt sich hierbei um generell gut
kapitalisierte Vorsorgeeinrichtungen, welche zum Teil ansehnliche
Vermögen verwalten. Die im Gesetz festgeschriebenen Vorgaben (4 Prozent
Mindestverzinzung, Mindestumwandlungssatz von 7.2 Prozent) könnten
jedoch in längeren Phasen wirtschaftlichen Abschwungs mit tieferen
Renditen auf dem Kapitalmarkt und angesichts der immer höheren
Lebenserwartung die langfristige Finanzierbarkeit der beruflichen
Vorsorge in Frage stellen. Empfohlen wird die Prüfung einer
Zentralisierung der prudenziellen Aufsicht im Pensionkassenbereich.

Mit der Einführung des Geldwäschereigesetzes 1998 sind bei der
Bekämpfung des Finanzmissbrauchs auf dem Schweizer Finanzplatz
bedeutende Fortschritte erzielt worden. Das schweizerische
Anti-Geldwäscherei-Dispositiv orientiert sich heute an höchsten
internationalen Standards. Nennenswert ist namentlich die Unterstellung
des Parabankensektors unter dieselben Sorgfalts- und Meldepflichten wie
sie schon zuvor für prudenziell beaufsichtigte Finanzintermediäre
gegolten haben. Es gilt nun, die Implementierung des neuen Regelwerks
vor allem in den neu erfassten Branchen voranzutreiben.

4. Würdigung

Als offene und im Handel und Finanzbereich international stark
verflochtene Volkswirtschaft hat die Schweiz ein überragendes Interesse
an einem stabilen globalen Finanzsystem. Mit der FSAP-Teilnahme wurde
ein Tatbeweis erbracht, dass die Schweiz bereit ist, ihren eigenen
Beitrag in Form einer nachhaltigen, an den internationalen Standards und
Prinzipien ausgerichteten Finanz- und Währungspolitik zu leisten.

EIDG. FINANZDEPARTEMENT
Presse- und Informationsdienst

Auskunft: René Weber, Eidg. Finanzverwaltung, Tel.: (031) 324 75 52

Der Stabilitätsbericht des IWF zur Schweiz (Financial System Stability
Assessment, FSSA) ist im Internet verfügbar (www.imf.org und
www.efd.admin.ch).

3.6.2002