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Steuerhinterziehungsverfahren: Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte hebt

PRESSEMITTEILUNG

Steuerhinterziehungsverfahren: Europäischer Gerichtshof für
Menschenrechte hebt Ordnungsbusse auf

Wenn sich ein Beschuldigter in einem Steuerhinterziehungsverfahren
weigert, der Steuerbehörde Belege auszuhändigen, so darf er nicht wegen
Verletzung seiner Mitwirkungspflichten gebüsst werden. Dies geht aus
einem gegen die Schweiz gefällten Urteil des Europäischen Gerichtshofs
für Menschenrechte (EGMR) hervor.

Hintergrund des neuesten Urteils aus Strassburg bildet ein in der
Schweiz durchgeführtes Verfahren wegen Steuerhinterziehung. Die
kantonale Steuer-behörde hatte in Anwendung des früheren
Bundesbeschlusses über die di-rekte Bundessteuer den heutigen
Beschwerdeführer mehrfach aufgefordert, bestimmte, genau bezeichnete
Belege beizubringen. Da er diesen Aufforde-rungen nicht nachkam, wurde
er wegen Verletzung seiner Mitwirkungspflichten mit einer Ordnungsbusse
bestraft. Vor den Gerichten machte er geltend, dass er in einem
Steuerhinterziehungsverfahren keine Auskünfte geben müsse. Sein Einwand,
damit werde gegen die Garantien von Artikel 6 Absatz 1 der Europäischen
Menschenrechtskonvention (EMRK) ver-stossen, blieb vor Bundesgericht
ohne Erfolg (BGE 121 II 273).

In seinem einstimmig gefällten Urteil* bestätigt nun der Europäische
Gerichtshof zunächst seine frühere Rechtsprechung, wonach Artikel 6
Absatz 1 EMRK auch auf das Verfahren wegen Steuerhinterziehung anwendbar
ist. Er gelangt im Weiteren zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführer
nicht zur eigenen Verurteilung beitragen müsse. Ordnungsbussen, die
gegen diesen Grundsatz verstossen, verletzten die EMRK.

Das vorliegende Urteil hat Konsequenzen in Bezug auf die schweizerischen
Steuerstrafordnungen. Die bisherigen Mitwirkungspflichten des
Pflichtigen im Steuer-hinterziehungsverfahren sind zu überprüfen. Nicht
betroffen vom Urteil sind die eigentlichen Steuerstrafen (Strafsteuern,
Bussen wegen Steuerhinterziehung usw.). Die Eidg. Steuerverwaltung wird
das Urteil gemeinsam mit den Kantonen auswerten und Vorschläge
unterbreiten.

*Entscheid vom 3. Mai 2001 i. S. J.B.; www.echr.coe.int/fr/judgments.htm
- liste des arrêts récents/Fall 9

EIDG. FINANZDEPARTEMENT
Presse- und Informationsdienst

Auskunft: Paul Weidmann (Tel.: 031 322 74 08) und Pierre Bulloz (Tel.:
031 322 74 39), beide Eidg. Steuerverwaltung Texte français voir au
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10.5.2001