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Zahlstellensteuer zur Verhinderung von Umgehungen der neuen EU-Zinsbesteuerung

PRESSEMITTEILUNG

Zahlstellensteuer zur Verhinderung von Umgehungen der neuen
EU-Zinsbesteuerung

Der wegen der geplanten EU-Zinsenbesteuerung von der Union befürchtete
Kapitalabfluss aus der EU in die Schweiz soll durch eine
Zahlstellensteuer auf ausländischen Zinserträgen verhindert werden.
Diese Steuer würde auf staatsvertraglicher Grundlage basieren, es
bräuchte dafür keine Verfassungsänderung. Zu diesem Schluss kommt die
von Finanzminister Kaspar Villiger eingesetzte „Arbeitsgruppe
Zahlstellensteuer“, deren Bericht respektive Machbarkeitsstudie der
Bundesrat heute zur Kenntnis genommen hat. Die Machbarkeitsstudie ist
rein technischer Art und politisch in keiner Weise bindend.

Am 13. März 2000 hat der Bundesrat das Eidg. Finanzdepartement (EFD)
beauftragt, eine Machbarkeitsstudie betreffend eine Zahlstellensteuer
auf ausländischen Zinserträgen zu erstellen. Zu diesem Zeitpunkt  ging
die EU für ihre eigenen Mitglieder bezüglich Sicherstellung der
Zinsbesteuerug noch von einem Nebeneinander zweier Modelle
(Quellenbesteuerung und automatisches Meldeverfahren) aus. Am Auftrag
der von Bundesrat Kaspar Villiger eingesetzen Arbeitsgruppe änderte sich
im Grundsatz nichts, als die EU am 20. Juni 2000 in Feira für ihre
Mitgliedstaaten und deren assoziierten Gebiete das automatische
Meldeverfahren als längerfristiges Ziel definierte, weil die EU von
Nichtmitgliedern ausdrücklich „gleichwertige“ und nicht „identische“
Lösungen erwartet (vgl. Kasten Seite 2).

In seiner Stellungnahme vom 28. Juni 2000 hat der Bundesrat zu den
EU-Beschlüssen von Feira Stellung genommen und festgehalten, dass es
nicht im Interesse der Schweiz liege, Geschäfte anzuziehen, die auf die
Umgehung einer allfälligen neuen EU-Regelung ausgerichtet sind. Sollte
sich die EU auf die geplante Richtlinie einigen,  sei die Schweiz
bereit, unter gewissen Bedingungen und unter Wahrung des
Bankgegheimnisses nach Wegen zu suchen, Umgehungen so unattraktiv wie
möglich zu machen. Der Bundesrat hat weiter klar gemacht, dass für ihn
eine Lösung auf der Basis einer Quellensteuer im Vordergrund stehe und
ein automatisches Meldeverfahren nicht in Frage komme.  Die
Arbeitsgruppe hatte sich auf den von der EU im Richtlinienentwurf
definierten sachlichen Geltungsbereich abzustützen.

Der Richtlinienentwurf der EU
Am 4. Juni 1998 hat die Europäische Kommission den Entwurf einer
„Richtlinie des Rates zur Gewährleistung eines Minimums an effektiver
Besteuerung von Zinserträgen innerhalb der Gemeinschaft“ vom 20. Mai
1998 vorgelegt. Ursprünglich basierte die geplante Zinsenbesteuerung auf
dem sogenannten Koexistenzmodell, einem geduldeten Nebeneinander von
Quellensteuer und Meldesystem. Am 20. Juni 2000 haben sich die
Finanzminister der EU in Santa Maria de Feira (Portugal) jedoch darauf
geeinigt, dass das Meldesystem (der automatische zwischenstaatliche
Austausch von Informationen über Zinszahlungen) die Quellensteuer nach
einer siebenjährigen Übergangsphase ab Inkrafttreten der definitiven
Richtlinie ablösen muss. Dieser Entscheid schliesst die sogenannten
abhängigen und assoziierten Gebiete  mit ein, das betrifft unter anderen
die Channel Islands (Jersey, Guernsey, Isle of Man), Gibraltar, Madeira
oder - in Übersee - die British Virgin Islands. Im Verhältnis zu
Drittstaaten, namentlich die USA, die Schweiz, Liechtenstein, Monaco,
Andorra und San Marino, sind weiterhin gleichwertige Modelle wie die
Quellensteuer zugelassen.

Zahlstellensteuer rechtlich und technisch machbar

Ziel der ins Auge gefassten Quellensteuer musste es sein, auf den
schweizerischen Zahlstellen (zB. Banken) Zinszahlungen aus ausländischer
Quelle an natürliche Personen, die in der EU wohnen, im gleichen Rahmen
zu belasten, wie dies nach EU-Zinsbesteuerungsmodell vorgesehen ist.
(Auf den Zinsen aus inländischer Quelle wird an der Quelle selber -
nicht auf der Zahlstelle - die Verrechnungssteuer von 35 Prozent
erhoben.) Die Arbeitsgruppe kam nach Prüfung verschiedener Ansätze zum
Schluss, dass eine geographische Ausdehnung der EU-Zahlstellensteuer auf
die Schweiz mittels einer staatsvertraglichen Abstützung rechtlich und
technisch machbar sei und keiner Änderung der Bundesverfassung  bedarf.
Dieses Modell wäre zudem geeignet, die von der EU formulierten Ziele zu
erreichen (Gleichwertigkeit).

Konkret sieht das Modell vor, dass die schweizerischen Zahlstellen einer
identischen steuerlichen Verpflichtung wie die EU-Zahlstellen
unterworfen werden. Die Lücke, welche die Schweiz im geographischen
Anwendungsbereich der EU-Zinsenbesteuerung darstellt, wäre somit
geschlossen. Rechtlich handelt es sich bei einem solchen Instrument
nicht um die Schaffung einer schweizerischen Steuer, sondern vielmehr um
die Umsetzung der EU-Zinsenbesteuerung durch die Schweiz. Und weil keine
schweizerische Steuer erhoben wird, bedarf das Instrument auch keiner
speziellen Verfassungsgrundlage. Als Basis genügen die Artikel 54, 55,
166 und 184 der Bundesverfassung.

Die Ausdehnung der schweizerischen Verrechnungssteuer auf ausländische
Quellen musste als Lösungsansatz verworfen werden, da sie eine
unzulässige Ausdehnung der schweizerischen Steuerhoheit über die
Landesgrenzen hinaus darstellt. Ebensowenig kam die autonome,
unilaterale Einführung einer schweizerischen Zahlstellensteuer für
Zinszahlungen aus ausländischer Quelle in Frage, weil dazu erstens keine
verfassungsmässige Grundlage vorhanden ist , weil zweitens gegen das in
der Verfassung vorgeschriebene Gleichheitsgebot verstossen würde (Steuer
nur für natürliche Personen in der EU) und weil drittens
Unverträglichkeiten mit den Doppelbesteuerungsabkommen der Schweiz
entstünden.

Wirtschaftliche Auswirkungen unumgänglich

Für die schweizerische Volkswirtschaft ist primär der Werk- und
Industrieplatz von Bedeutung. Doch auch der  Vermögensverwaltungssektor
ist traditionell verankert und trägt rund 10 Prozent zum
Bruttoinlandprodukt bei. Dieser Sektor beschäftigt rund 50'000 Personen.
Insgesamt beschäftigt der Finanzplatz in der Schweiz rund 220'000
Personen (rund 5,7 Prozent der Beschäftigten).

Die volkswitschaftlichen Auswirkungen einer Zahlstellensteuer lassen
sich nicht beziffern, weil sie von verschiedenen Faktoren abhängen.
Solche Faktoren sind der sachliche und geografische Geltungsbereich (die
EU-Richtlinie beschränkt sich auf natürliche Personen und ausgewählte
Drittländer) sowie das Verhalten der Anleger. Eine Zahlstellensteuer
führt in jedem Fall zu einem Rückgang der durch das
Vermögensverwaltungsgeschäft in der Schweiz erzielten Wertschöpfung und
ist auch für die Zahlstellen mit erheblichem Mehraufwand verbunden.
Andererseits verfügt der Finanzplatz Schweiz über Stärken (Kompetenz,
Know-how, Stabilität, Integrität), welche im weltweiten Vergleich
positiv ins Gewicht fallen und durch eine Zahlstellensteuer nicht
beeinträchtigt werden.

Unbestritten bleibt jedoch, dass das von der EU geplante
Zinsenbesteuerungsmodell - solange es nicht praktisch weltweit
eingeführt wird, was zur Zeit anscheinend nicht beabsichtigt ist - durch
blosse Verlegung der Zahlstelle aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie
hinaus leicht in einen steuerfreien Bereich verlegt werden kann. Je
geschlossener der geographische Anwendungsbereich des  Systems ist,
desto kleiner ist die zu erwartende Vermögensabwanderung und umgekehrt.
Eine alleinige Einbindung der Schweiz in die EU-Zinsenbesteuerung könnte
einen erheblichen Rückgang der im Vermögensverwaltungsgeschäft erzielten
Wertschöpfung und mithin eine substantielle Schwächung des Finanzplatzes
Schweiz im Besonderen und der schweizerischen Volkswirtschaft generell
bewirken. Eine Einbindung der Schweiz in ein „weltweites“ System würde
zu einem ertragbaren Verlust an Wertschöpfung führen.

EIDG. STEUERVERWALTUNG
Presse- und Informationsdienst

Auskunft: Thomas Jaussi, Eidg. Steuerverwaltung, Tél 031 322 73 63

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28.2.2001