Schweizer Wappen

CONFOEDERATIO HELVETICA
Die Bundesbehörden der Schweizerischen Eidgenossenschaft

Homepage
Mail
Suche

Zigarettenschmuggel: Zusammenarbeit mit der EU

PRESSEMITTEILUNG

Zigarettenschmuggel: Zusammenarbeit mit der EU

1. Aktueller Hintergrund

Im Mai 2000 ist der mutmassliche Mafiaboss Gerardo Cuomo in Zürich
verhaftet worden. Am 4. August folgte die Verhaftung des Präsidenten des
Tessiner Strafgerichts Franco Verda in Lugano. Die Ermittlungen im
Tessin und in Apulien sorgen seither unter dem einschlägigen Titel
„Ticinogate“ für Schlagzeilen in der Presse und den elektronischen
Medien. Die Schweiz wird dabei erneut als finanzielle und
organisatorische Drehscheibe des illegalen Zigarettenhandels
dargestellt. Grund dafür bilden die seit längerer Zeit seitens der
Europäischen Union (EU) erhobenen Vorwürfe, die Schweiz verhindere weder
die Finanzierung noch die Organisation des Zigarettenschmuggels und
leiste in solchen Fällen auch keine Rechtshilfe. Dabei wird jedoch
übersehen, dass die Schweiz bislang in zahlreichen Betrugsfällen zu
Lasten des EU-Haushaltes Rechtshilfe geleistet hat. Zudem bekräftigte im
Juli 2000 Bundesrat Joseph Deiss in Brüssel die Bereitschaft der Schweiz
zu zügigen Verhandlungen auch betreffend Kampf gegen Zoll- und
Fiskalbetrug.

2. Rechtshilfe wird bei Abgabebetrug gewährt

In den Medien wird immer wieder erwähnt, der Zigarettenschmuggel sei in
der Schweiz kein strafbarer Tatbestand. Deshalb könne in solchen Fällen
keine Rechtshilfe geleistet werden. Diese  Aussage trifft so nicht zu.
Die Schweiz leistet Rechtshilfe in Fiskalsachen, wenn Gegenstand des
Verfahrens ein Abgabebetrug ist (Bundesgesetz vom 20. März 1981 über
internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRSG), Artikel 3, Absatz 3*,
letzter Satz). Da bei den grossen, der organisierten Kriminalität
zuzurechnenden Zigarettenschmuggelfällen das Vorliegen von Abgabebetrug
stets bejaht werden konnte, hat die Zollverwaltung in zahlreichen Fällen
auf entsprechende Gesuche hin Rechtshilfe geleistet. Die
Antimafiabehörden in Bari beispielsweise haben denn auch am 9. August
2000 die Mitwirkung der Schweiz im Kampf gegen den internationalen
Zigarettenschmuggel ausdrücklich gelobt.

? 3 Einem Ersuchen wird nicht entsprochen, wenn Gegenstand des
Verfahrens eine Tat ist, die auf eine Verkürzung fiskalischer Abgaben
gerichtet erscheint oder Vorschriften über währungs-, handels- oder
wirtschaftspolitische Massnahmen verletzt. Jedoch kann einem Ersuchen um
Rechtshilfe nach dem dritten Teil des Gesetzes entsprochen werden, wenn
Gegenstand des Verfahrens ein Abgabebetrug ist.

3. Vorbeugende Massnahmen

Um den Zigarettenschmuggel gegen die EU zu verhindern, meldet die
Eidgenössische Zollverwaltung seit 1994 jeden Zigarettentransport, der
die Schweiz in einem Transitverfahren verlässt, auf elektronischem Weg
sowohl der Grenzübergangsstelle als auch der Bestimmungszollstelle und
der EU-Kommission (OLAF = EU-Betrugsbekämpfungsbehörde). Damit wird es
den Zollorganen der EU-Mitgliedstaaten ermöglicht, den Weg der Sendung
zu verfolgen und gegen allfällige Widerhandlungen einzuschreiten. Als
weitere Massnahme gegen den Zigarettenschmuggel akzeptiert die Schweiz
nur noch Einzelbürgschaften für im Transit transportierte Zigaretten und
hat zudem die Bürgschaftsbeträge für solche Sendungen massiv erhöht. Die
Abgaben betragen rund eine Million Franken pro Lastwagen mit Anhänger.
Die beiden Massnahmen haben dazu geführt, dass der Versand von
Zigaretten ex Schweizer Zollfreilager praktisch zum Erliegen gekommen
ist. Damit leistet die Schweiz einen erheblichen Beitrag zur
Schmuggelbekämpfung.

4. Teilweise unterschiedliche Rechtsauffassung

Einer der Hauptgründe dafür, dass die Schweiz gleichwohl immer wieder
ins Kreuzfeuer der Kritik gerät, beruht auf der unterschiedlichen
Rechtsauffassung zwischen der Schweiz und der EU über den
Anwendungsbereich des Zusatzprotokolls vom 9. Juni 1997 zum
Freihandelsabkommen zwischen der Schweiz und der EU über die
gegenseitige Amtshilfe im Zollbereich (AS 1999 II 1822). So verlangt die
EU auf dem Weg der Amtshilfe oft Massnahmen, deren Vollzug nach
schweizerischer Rechtsauffassung nur im Rahmen der Rechtshilfe zulässig
ist. Im Weiteren wird auch die oft allzu lange Dauer der
Rechtshilfeverfahren beanstandet. Dass diese Verfahren zum Teil oft
lange dauern, hat die Schweiz nicht alleine zu vertreten. Oft genügt der
Inhalt eines Rechtshilfeersuchens den gesetzlichen Anforderungen nicht,
so dass der Vollzug erst nach mehrmaligen Rückfragen angeordnet werden
kann.

Die Amtshilfe
Die gegenseitige Amtshilfe im Zollbereich zwischen der Schweiz und der
EU ist aufgrund eines Zusatzprotokolls zum Freihandelsabkommen Schweiz -
EU von 1972 wird von der Schweiz seit dem 1. Juli 1997 (AS 1999 1820)
angewendet.
Im Rahmen dieses Abkommens leisten die Vertragsparteien einander - auf
Ersuchen oder spontan - Amtshilfe bei der Aufdeckung von Widerhandlungen
gegen das Zollrecht. Es betrifft dies die Ein-, Aus- und Durchfuhr von
Waren einschliesslich der Verbote, Beschränkungen und Kontrollen. Die
Amtshilfe kann zwischen den Direktionen, aber auch z.B. zwischen
gegenüberliegenden Zollstellen erfolgen. Jährlich werden Hunderte von
Informationen - insbesondere mit unsern Nachbarländern, die alle
EU-Mitglieder sind - ausgetauscht.
Insbesondere ermöglichen es diese Auskünfte
- Handlungen, die gegen das Zollrecht verstossen könnten (z.B.
Hinterziehung von Abgaben, Subventionsbetrug),
- Unrechtsmässige Bewegungen von Waren und Beförderungsmitteln (z.B.
unverzollte Auslieferung),
- Ordnungsgemäss exportierte, aber nicht zur Einfuhr deklarierte
Sendungen (z.B. Umgehung der Mehrwertsteuer) aufzudecken.

Die Rechtshilfe
Die Rechtshilfe umfasst alle Massnahmen, die eine ersuchte Behörde
trifft, um ausländische Behörden bei einem Strafverfahren zu
unterstützen. Unerheblich ist, ob sie zu Verfolgungszwecken oder zur
Urteilsvollstreckung anbegehrt wurde. Dazu gehören namentlich die
Befragung von Beschuldigten, Auskunftspersonen oder Zeugen, die
Sicherstellung oder Herausgabe von Beweismitteln, Hausdurchsuchung und
Beschlagnahme, Zustellung von Vorladungen, Urteilen usw. Ausländische
Behörden richten ihr Gesuch an das Bundesamt für Justiz in 3003 Bern.

5. Verhandlungen werden vorbereitet

Beim Zigarettenschmuggel zum Nachteil der EU handelt es sich um ein
gesamteuropäisches Problem. Die Bekämpfung des organisierten Verbrechens
im Bereich des Zigarettenschmuggels ist daher mit der EU gemeinsam
anzugehen. Die Schweiz hat ihre Bereitschaft dazu den damaligen
EU-Kommissaren Gradin und van den Broek mit Schreiben vom 9. September
1998 signalisiert. Diese Bereitschaft wurde während des Brüsseler
Besuchs von Bundesrat Joseph Deiss im Juli erneuert. Die Schweiz hat
keinerlei Interesse daran, als Drehscheibe des organisierten
Zigarettenschmuggels zu dienen. Sie ist im Gegenteil an einem gut
funktionierenden Zollwesen, an einer effizienten Betrugsbekämpfung sowie
an einer funktionierenden internationalen Zusammenarbeit interessiert.

Die gestützt auf den besagten Briefwechsel im vergangenen Jahr
durchgeführten Gespräche zwischen Experten beider Seiten bilden die
Grundlage für Verhandlungsmandate, die derzeit beiderseits ausgearbeitet
werden. Im Herbst findet zwischen der EU-Kommission und der Schweiz eine
Auslegeordnung über die verschiedenen von beiden Seiten auch ausserhalb
dieses Bereiches gestellten Verhandlungsbegehren statt, an der die
einzuschlagende Vorgehensweise festgelegt werden soll.

EIDG. FINANZDEPARTEMENT
Presse- und Informationsdienst

Auskunft:
Hermann Kästli, Oberzolldirektion, Chef Hauptabteilung Recht und
Abgaben, 031 322 65 03

24.8.2000