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4. IV-Revision in der Vernehmlassung

Medienmitteilung 28. Juni 2000

4. IV-Revision in der Vernehmlassung:
Finanzielle Konsolidierung und Modernisierung zu Gunsten der Behinderten

Der Bundesrat hat die Vorlage zur 4. IV-Revision bis Mitte September in die
Ver-nehmlassung geschickt. Er will die Invalidenversicherung längerfristig
finan-ziell konsolidieren, im Leistungsbereich gezielte, für die
Behinder-ten bedeutende Anpassungen vornehmen sowie Strukturen und Verfahren
der IV verbessern. Als Sparmass-nahmen sieht die Revision insbesondere das
Aus-laufenlassen der Zusatzrente und die Aufhebung der Härtefallrente mit
Ersatz durch die Schaffung eines Anspruchs auf Ergänzungsleistungen (EL)
auch für Bezüger/innen von Viertelsrenten vor. Eine Assistenzentschädigung
soll das heu-tige komplizierte und teilweise ungerechte System von
Leistungen für Behin-derte, die auf Pflege und Betreuung angewiesen sind,
ersetzen. Die Assistenzentschädigung will den Betrof-fenen mit Leistungen in
angemessener Höhe mehr Autonomie ermögli-chen und verursacht Mehrkosten von
rund 150 Mio. Franken. Ein re-gio-na-ler ärztlicher Dienst soll die
medizinischen Abklärungsverfahren überwachen, um eine gesamtschweizerisch
möglichst einheitliche Beurteilung der Leistungs-ge-suche zu garantieren.
Dies führt zu einem gerechteren Entscheidverfah-ren und dürfte sich
längerfristig auch entlastend auf die Ausgaben der IV auswirken. Zu-sam-men
mit der im Rahmen der 11. AHV-Revision vorgesehenen Erhebung von einem
zusätzlichen Mehrwertsteuer-Prozent und einem Kapitaltransfer aus dem Fonds
der Erwerbsersatzordnung im Jahre 2003, die zur Sanie-rung der IV not-wendig
sind, können der IV-Finanzhaushalt mittelfristig ins Gleich-gewicht
ge-bracht und die IV ganz schuldenfrei werden.

Die Invalidenversicherung, die zusammen mit der AHV und den
Ergänzungsleistun-gen die erste Säule des schweizerischen
Sozialversicherungssystems bildet, stellt das Rückgrat des sozialen Systems
zur Integration von Menschen dar, die aus gesundheit-lichen Gründen nicht
mehr oder nur noch teilweise selbst für ihren Lebensunterhalt auf-kom-men
können. In den vergangenen Jahren hat sich die finanzielle Situation der IV
zunehmend ver-schlechtert. Als rasch greifende Massnahme wurden 1998 Mittel
des genügend dotierten Fonds der Erwerbsersatzordnung (EO) in der Höhe von
2,2 Milliar-den Franken in die IV transferiert. Dadurch konnten die bis Ende
1997 aufge-laufenen Schulden der IV abgetragen werden, was auch die
Zinsbelastung deutlich re-duziert hat.

Die Übertragung von EO-Mitteln in die IV war eine vorgezogene Massnahme aus
dem umfassenden Paket, das der Bundesrat 1997 in seiner ersten Botschaft zur
4. IV-Revi-sion vorgeschlagen hatte. Das damalige Revisionsprojekt sah auch
gezielte Einsparun-gen sowie kostensteuernde Massnahmen vor, wurde aber im
Juni 1999 in der Volksab-stimmung abgelehnt - hauptsächlich wegen der
umstrittenen Aufhebung der Viertels-rente.

Nach wie vor steigen die Kosten der IV an, insbesondere für die Auszahlung
von Ren-ten, jedoch auch für die Beiträge an Institutionen, die Behinderte
beherbergen, be-schäftigen oder die ihnen bei der beruflichen
Wiedereingliederung hel-fen. Ende 1999 beliefen sich die Schulden der IV auf
1,5 Milliarden Franken. Das Kosten-wachstum ist vor allem auf die Zunahme
der Zahl der Menschen zurückzu-füh-ren, die Anrecht auf Leistungen der IV
haben.

Ziele der Revision: finanzielle Konsolidierung, gezielte
Leistungsanpassun-gen
Die mittel- und langfristig ausgeglichene Finanzierung bleibt oberste
Priorität für die Weiterentwicklung der Invalidenversicherung. Der Bundesrat
schickt nun ein neues Projekt zur 4. IV-Revision in die Vernehmlassung, das
die in der Volksabstim-mung 1999 weitgehend unbestrittenen Massnahmen wieder
aufgreift und mit zusätzlichen Vor-schlägen ergänzt. Die Hauptziele der
Revision sind die finanzielle Kon-solidie-rung der IV, gezielte, für die
Behinderten wichtige Leistungsanpassungen sowie Ver-besserungen der
Strukturen und des Verfahrens in der IV. Auch das neue Re-visi-onsprojekt
enthält Massnahmen zur Senkung und zur ver-stärkten Steuerung der Aus-gaben.
Trotzdem bleibt die Invalidenversicherung auf jeden Fall auf
Zusatzein-nahmen angewiesen.

Zusatzfinanzierung im Rahmen der 11. AHV-Revision
Die notwendige Zusatzfinanzierung der IV wurde im Sinne einer kohärenten und
trans-parenten Lösung im Rahmen der ersten Säule in der Botschaft zur 11.
AHV-Re-vision vorgeschlagen. Ab 2003 soll ein zusätzlicher
Mehrwertsteuer-Pro-zent-punkt für die IV erhoben werden. Um die Schulden der
IV und ihre Zinsbelastung möglichst rasch ab-zubauen, sollen zusätzlich auf
den 1.1.2003 noch einmal 1,5 Milliar-den Fran-ken aus dem EO-Fonds zur IV
verlagert werden. Diese Massnahme gefährdet den vor-ge-schriebenen
Mindeststand des EO-Fonds und dessen längerfristige Sicherheit nicht. Diese
Zusatzfinanzierungsmassnahmen im Rahmen der 11. AHV-Revision und die Vorlage
zur 4. IV-Revi-sion sollten es der IV erlauben, Einnahmen und Ausgaben ab
2003 mit langfristiger Wirkung im Gleichgewicht zu halten und bis zum Jahr
2008 schuldenfrei zu werden.

Massnahmen zur Konsolidierung der IV
Die 4. IV-Revision enthält mehrere Massnahmen zur Senkung der Ausgaben, zur
ver-stärkten Kostensteuerung und zur längerfristigen Eindämmung des
Ausgabenwachs-tums.

Siehe Mediendokumentation, Teil A

? Auslaufenlassen der Zusatzrente für den Ehepartner/die Ehepartnerin
? Aufhebung der Härtefallrente mit Ersatz durch die Schaffung eines
Anspruchs auf Ergänzungsleistungen auch für Bezüger/innen von Viertelsrenten
? Bedarfsplanung für Werkstätten, Wohnheime und Tagesstätten
? Finanzierung von statistischen Erhebungen und Wirkungsanalysen

Leistungsverbesserungen

Assistenzentschädigung: Autonomes und selbstbe-stimmtes Leben von
Behin-derten
Behinderte, die Pflege und Betreuung benötigen, werden heute von der IV
durch ein äusserst kompliziertes und unübersichtliches Sys-tem von
Leistungen unter-stützt. Im Wesentlichen besteht es aus der
Hilflosenentschädigung, den Pflegebeiträ-gen an hilf-lose Minderjährige und
aus den Beiträgen an die Kosten der Hauspflege. Diese Ent-schädigungen, die
indirekt auch den Angehörigen zu Gute kom-men, welche Be-hin-derte selbst
betreuen und pflegen, reichen in den allermeisten Fällen nicht aus, um die
effektiven Be-treuungskosten zu decken. Das heutige System basiert auf dem
diskrimi-nierenden Begriff der "Hilflosigkeit" und schliesst psychisch und
leicht geistig Behin-derte in den meisten Fällen von den Leistungen aus. Bei
Kindern und Jugendlichen bis 20 Jahre ergibt sich eine krasse
Ungleichbehandlung abhängig davon, ob die Invalidität auf ein
Geburtsge-brechen oder auf eine erst später aufgetretene Krankheit
zurückgeht.

Die heutigen Leistungen für Pflege und Betreuung sollen durch eine
Assistenzentschä-digung ersetzt werden. Diese will behinderten Menschen mit
Betreu-ungsbedürfnissen mehr Autonomie und Selbstbestim-mung er-möglichen.
Der Anspruch auf die Leistung wird vereinheitlicht. Die Entschädigungen
werden auf ein Mass angehoben, das den effektiven Betreuungs-kosten eher
entspricht. Die Leistungen werden gezielt erhöht für Behinderte, die zu
Hause und nicht in einer Insti-tution wohnen. Die Ungleichbehand-lung von
Kindern und Jugendlichen mit oder ohne Geburtsgebrechen wird aufgehoben und
Menschen mit psy-chischen oder leichten geistigen Behinderungen er-halten
ebenfalls Anspruch auf die Assistenzent-schädigung.

Angesichts der begrenzten finan-ziellen Mittel wird kein grundlegender Umbau
mit be-trächtlichen Mehrkosten vor-geschlagen, sondern eine zielgerichtete
Umgestaltung des heutigen Systems mit massvollen Kostenfolgen. Die
vorgeschlagene Assistenzent-schädigung hat Mehrausgaben von 153 Mio. Franken
zur Folge. Sie sieht eine Ent-schädigung vor, deren Beträge für Behinderte,
die zu Hause leben, doppelt so hoch sind wie jene der heutigen
Hilflosenentschädigung.

Zivilstandsneutrale IV-Taggelder
Die IV-Taggelder ersetzen Versicherten während einer Eingliederungsmassnahme
der IV ein dadurch wegfallendes Einkommen zumindest teilweise. Das heutige
Taggeldsys-tem lehnt sich an das ehemalige Taggeldsystem der
Erwerbs-ersatzordnung an und behandelt Verheiratete und Alleinstehende
unterschiedlich, un-abhängig davon, ob sie Kinder haben oder nicht. Neu soll
ein transparentes, zivil-standsunabhängiges und ge-rechteres System
eingeführt werden, das für zahlreiche Bezüger/innen
Leis-tungsver-bes-serungen bringt und überdies die Durchführung erleichtert.

Verbesserung und Vereinfachung von Strukturen und Verfahren

Regionaler ärztlicher Dienst: Einheitlichere Beurteilung der
Leistungsgesuche
Die wichtigste mit der 4. IV-Revision vorgesehene Massnahme zur Verbesserung
der Strukturen und des Verfahrens in der IV ist die Schaffung eines
regionalen ärztlichen Dienstes. Eine der Ursachen des Ausgabenwachstums in
der IV sind die oft zu wenig auf die Anforderungen der Versicherung
ausgerichteten Berichte der behandelnden Ärztinnen und Ärzte zu Handen der
IV. Dazu kommt ein gewandeltes Krankheitsver-ständ-nis insbesondere bei den
psychischen Erkran-kungen, welches der Zweckbestim-mung der IV nicht immer
gerecht wird. Diese Situa-tion führt zu erheblichen Unter-schieden bei der
Beurteilung der Leistungsgesuche. Die-ses Problem kann mit den kantonal
strukturierten IV-Stellen, die heute jede für sich ei-gene Ärztinnen und
Ärzte - meistens nebenberuflich - beschäftigen, nicht befriedigend gelöst
werden.

Neu soll ein landesweiter, regional strukturierter ärztlicher Dienst unter
der direkten fachlichen Aufsicht des Bundesamtes für Sozialversicherung
eingeführt werden. Er un-terstützt die IV-Stellen, indem er die
medizinischen An-spruchs-vor-aussetzungen, ins-besondere im Bereich der
beruflichen Mass-nahmen und der IV-Renten, prüft. Diese Massnahme bewirkt
eine gesamt-schwei-zerisch möglichst ein-heitliche, gerechte, qua-litativ
verbesserte und speditive Beurtei-lung der Leistungs-ge-suche. Der Bundesrat
erhofft sich auch, dass dadurch das starke Ausgabenwachstum insbe-sondere im
Be-reich der Renten abgebremst werden kann. Das längerfristige
Einsparungs-potenzial kann allerdings nicht konkret beziffert werden.
Kurzfristig führt die Einführung der regio-nalen ärztlichen Dienste zu
Mehrausgaben.

Finanzielle Auswirkungen der 4. IV-Revision
Die Ausgaben für die Zusatzrenten, die nicht mehr zugesprochen werden
sollen, ver-ringern sich nicht sofort in grossem Umfang, sondern neh-men
allmählich ab, da für bisherige Leistungsbezüge-rinnen und -bezüger der
Besitzstand gewahrt wird. Im Durchschnitt der ersten 15 Jahre werden die
Ausgaben der IV insgesamt um 56 Millio-nen Franken pro Jahr vermindert.
So-bald sämtliche Zusatzren-ten ausgelaufen sind, hat die Revi-sion für die
IV Einspa-run-gen in der Höhe von 224 Mio. Franken pro Jahr zur Folge.

Die Revisionsmassnahmen haben auch Auswirkungen auf die Finanzhaushalte des
Bundes und der Kantone, da sich der Beitrag des Bundes an die IV gemäss
gesetzli-cher Regelung auf 37,5 Prozent und derjenige der Kantone auf 12,5
Prozent der jährli-chen Ausgaben der IV beläuft. Langfristig ergeben sich
für den Bund Einsparungen von 84 Millionen Franken und für die Kantone 13
Millionen Franken pro Jahr. Die Mass-nahmen zur Zusatzfi-nanzierung der IV
im Rahmen der 11. AHV-Revision und die Vor-lage zur 4. IV-Re-vi-sion sollten
es der IV erlauben, ihren Finanzhaushalt ab 2003 mit langfristiger Wirkung
im Gleichgewicht zu halten und bis zum Jahr 2008 die Schulden vollständig
abzubauen.

 EIDG. DEPARTEMENT DES INNERN
 Presse- und Informationsdienst

Auskünfte: Tel. 031 / 322 91 32
 Beatrice Breitenmoser, Vizedirektorin
 Abteilung Invalidenversicherung
 Bundesamt für Sozialversicherung

Anhang: Finanzielle Auswirkungen der 4. IV-Revision auf die IV, die AHV und
die EL
im Durchschnitt der ersten 15 Jahre (Tabelle)

Beilagen: Mediendokumentationen:
- Die wesentlichen Elemente der Vorlage
- Ursachen des starken Ausgabenwachstums in der IV
  (Erklärungselemente)
 Erläuternder Bericht und Liste der Vernehmlassungsadressat/innen

Medienmitteilungen des BSV sowie weitere Informationen finden Sie im
Internet unter www.bsv.admin.ch
Auf der Homepage des BSV: Aktuelle Grundlageninformationen zur
Invaliden-versicherung («Faktenblätter», Mai 2000)
(Grundzüge der IV / Finanzierung / Missbräuche? / Autonomie von Behinderten
/ Ungleich-behandlung in der IV / Sparmassnahmen und Optimierungen)

Anhang:

Finanzielle Auswirkungen der 4. IV-Revision auf die IV, die AHV und die EL
im Durchschnitt der ersten 15 Jahre

Beträge in Millionen Franken  Basis 2003, zu Preisen von 2000
Massnahmen IV AHV EL
Auslaufenlassen der Zusatzrenten -231 -13 8
Aufhebung der Härtefallrenten und Schaffung eines EL-Anspruchs für
Bezüger/innen von Viertelsrenten -7 - 4
Einführung der Assistenzentschädigung (AE)  153 27 -
Neugestaltung des IV-Taggeldsystems 9 - -
Regionaler ärztlicher Dienst 20 - -
Total -56 14 12

Sobald sämtliche Zusatzren-ten ausgelaufen sind, hat die Revi-sion für die
IV Einspa-rungen in der Höhe von 224 Mio. Franken pro Jahr zur Folge.

 Mediendokumentationen EDI / BSV 28. Juni 2000

Vernehmlassung zur 4. IV-Revision:

Die wesentlichen Elemente der Vorlage

A Beiträge zur finanziellen Konsolidierung der IV S. 7-8
 1) Einsparungen auf der Leistungsseite
  a) Auslaufenlassen der Zusatzrente
  b) Aufhebung der Härtefallrente mit Ersatz durch Anspruch auf
   Ergänzungsleistungen
 2) Verstärkte Kostensteuerung
  a) Bedarfsplanung für Werkstätten, Wohnheime und Tagesstätten
  b) Finanzierung von statistischen Erhebungen und Wirkungsanalysen

B Leistungsverbesserungen  S. 9-12
 a) Assistenzentschädigung
 b) Neugestaltung des IV-Taggeldsystems

C Verbesserung und Vereinfachung von Strukturen und Verfahren S. 13-14
 a) Einführung eines regionalen ärztlichen Dienstes
 b) Weitere Massnahmen

Ursachen des starken Ausgabenwachstums in der IV
(Erklärungselemente)   S. 15-18

A Beiträge zur finanziellen Konsolidierung der IV

 1) Einsparungen auf der Leistungsseite

  a) Auslaufenlassen der Zusatzrente
Die Zusatzrente in der IV steht rentenberechtigten Verheirateten zu, die
unmittelbar vor ihrer Arbeitsunfähigkeit erwerbstätig waren. Sie erhalten
die Zusatzrente für den Ehe-partner oder die Ehepartnerin, der oder die
keinen eigenen Anspruch auf eine Alters- oder IV-Rente hat. Die Zusatzrente
beträgt derzeit zwischen 302 und 603 Franken pro Monat (bei voller
Beitragsdauer und Anspruch auf eine volle Rente).

Im Zuge der 10. AHV-Revision wurde die Zusatzrente für die Ehefrau in der
AHV auf-gehoben, in der IV hingegen beibehalten und gleichzeitig
geschlechtsneutral ausge-staltet (also auch für Ehemänner von
IV-Rentnerinnen vorgesehen). Nun soll auch in der IV die Zusatzrente
aufgehoben werden. Sie ist die letzte zivilstandsbezogene Leis-tung im
Rentensystem und widerspricht dem Gedanken des Splittings, das mit der 10.
AHV-Revision eingeführt wurde.

Alle bisherigen Zusatzrenten werden weiterhin ausgerichtet. Betroffen vom
Auslaufen-lassen sind also nur neue Rentner/innen. Eine durch das Fehlen der
Zusatzrente ent-stehende Einkommenslücke bei Personen in schwierigen
wirtschaftlichen Verhältnis-sen kann mit Ergänzungsleistungen geschlossen
werden.

  b) Aufhebung der Härtefallrente mit Ersatz durch Anspruch auf
Ergän-zungsleistungen
In wirtschaftlichen Härtefällen (=Einkommen, das unter einer bestimmten
Grenze liegt; Abgrenzungskriterien in Anlehnung an das System der EL) haben
heute Versi-cherte bereits bei einem Invaliditätsgrad von 40% bis 49%
Anspruch auf eine halbe statt nur auf eine Viertelsrente der IV. Die
Härtefallrenten sollen aufgehoben werden. In Zukunft können Personen, de-nen
eine Vier-telsrente der IV zusteht, statt einer Härtefallrente neu
Ergän-zungsleistungen beantragen, wenn sie sich in schwierigen finanziellen
Ver-hält-nissen befinden. Bei diesem Systemwechsel wird darauf geachtet,
dass Personen, welche be-reits Härtefallrenten beziehen, finanziell nicht
schlechter gestellt werden.

 2) Verstärkte Kostensteuerung

  a) Bedarfsplanung für Werkstätten, Wohnheime und Tagesstätten
Der Bundesrat hat auf den 1. April 1996 den Bedarfsnachweis für
Werkstät-ten, Wohn-heime und Tagesstätten auf Verordnungsstufe eingeführt.
Danach müssen die Kan-tone diese Institutionen nach quantitativen und
qualitativen Krite-rien in eine kan-tonale oder interkantonale
Be-darfsplanung aufnehmen. Diese muss vom BSV genehmigt werden. Somit werden
Bau- und Betriebsbeiträge der IV nur noch ausgerichtet, wenn die
Insti-tution in eine vom BSV genehmigte kantonale oder interkantonale
Planung eingebettet ist.

Die Bedarfsplanung wird nun mit der 4. IV-Revision auf Gesetzesstufe
verankert. Falls eine Bedarfsplanung vom BSV nicht oder nur mit Vorbehal-ten
oder Auflagen geneh-migt wird, soll der Kanton direkt bei einer
verwaltungsun-abhängi-gen Be-schwerde-instanz, der neu zu schaffenden
Rekurs-kommission für kollektive Leistungen der IV, Beschwerde erheben
können.

Die Bedarfsplanung für Werkstätten, Wohnheime und Tagesstätten erlaubt es
den Kantonen und der IV, das Angebot besser zu steuern und an die effektive
Nachfrage anzupassen. Die Dienstleistung dieser Institutionen wird somit
effizienter, was positive Auswirkungen auf die Kosten hat. Gleichzeitig
ermöglicht die kantonale oder interkan-tonale Planung den Aufbau eines
gesamtschweizerischen Überblicks über das notwen-dige Angebot.

  b) Finanzierung von statistischen Erhebungen und Wirkungsanalysen
Im Gegensatz zu anderen Sozialversicherungen (z.B. Arbeitslosen- und
Krankenversi-cherung) verfügt die IV heute nicht über eigene Mittel, um
statistische Erhebungen oder Wirkungsanalysen durchführen zu können. Die
Revision schafft die Gesetzesgrundlage und Flexibilität zur Durchführung
ins-besondere von Datenerhebungen als Grundlage für die Entwicklung von
Steuerungs-instrumenten in der IV. Dringend sind auch zusätz-liche
Untersuchungen zur Erklärung der Zunahme der Zahl der IV-Rentenbezügerinnen
und -bezüger. Es handelt sich dabei um die Erarbeitung von grundlegenden
Kennzah-len der Versiche-rung, die unabhängig von der Budgetsituation des
Bundes erhoben werden müssen. Ohne finanzielle Mittel der Versicherung
selbst ist eine zeitgerechte Erarbeitung dieser Grundlagen praktisch
unmöglich.

B Leistungsverbesserungen

 a) Assistenzentschädigung
Die IV erbringt heute unterschiedliche Leistungen im Bereich der Pflege und
Betreu-ung behinderter Personen:

Hilflosenentschädigung:
Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung der IV haben Versicherte, die das
18. Altersjahr vollendet haben und hilflos sind. Sie dürfen keinen Anspruch
auf eine Hilflosenentschädigung der obligatorischen Unfallversicherung oder
der Militärversiche-rung haben. Die Entschädigung wird nur bei Wohnsitz und
Aufenthalt in der Schweiz ausgerichtet. Hilflos im Sinne des Gesetzes ist,
wer wegen der Invalidität für die alltägli-chen Lebensverrichtungen
(Aufstehen/Absitzen/Abliegen, An-/Auskleiden, Essen, Kör-per-pflege,
Verrichten der Notdurft, Fortbewegung/Kontaktaufnahme) dauernd der Hilfe
Dritter oder der persönlichen Überwachung bedarf. Es wird unterschieden
zwischen schwerer, mittelschwerer und leichter Hilflosigkeit.

Pflegebeiträge an hilflose Minderjährige:
Die Pflegebeiträge an hilflose Minderjährige sind das «Pendant» zur
Hiflosenentschädi-gung für Erwachsene und werden an hilflose minderjährige
Versi-cherte, die das zweite Altersjahr zurückgelegt haben, ausgerichtet.
Die Hilflosigkeit wird gleich definiert wie bei der Hiflosenentschädigung.
Die Pflegebeiträ-ge werden pro Aufenthaltstag zu Hause ausgerichtet. Für die
Tage, an denen sich das Kind oder der/die Jugendliche zur Durchführung von
Eingliederungs-massnahmen in einer entsprechenden Einrichtung (z.B.
Sonderschulinter-nat) aufhält, besteht kein Anspruch auf einen
Pflegebeitrag. Bei Heimaufenthalt, wel-cher nicht zur Durchführung von
Eingliederungs-massnahmen dient, besteht zusätz-lich Anspruch auf einen
Kostgeldbeitrag.

Beiträge an die Kosten der Hauspflege:
Die Hauspflegebeiträge stellen nicht auf Hilflo-sigkeit, sondern auf den
invaliditätsbe-dingten Betreuungsaufwand ab, der pro Tag durchschnittlich
nötig ist. Folgende Vor-aussetzungen müssen erfüllt sein:
? Es müssen medizinische Massnahmen der IV in Hauspflege durchgeführt
werden, d.h. es muss ein von der IV anerkanntes und behandlungsbedürftiges
Geburtsge-brechen vorliegen. Ferner muss zu Hause eine medizinische Pflege
erforderlich sein.
? Der invaliditätsbedingte Betreuungsaufwand muss durch dieses Gebrechen
bedingt sein und das zumutbare Mass überschreiten. Das zumutbare Mass ist
überschritten, wenn in Folge von Invalidität eine Betreuung von mindestens
zwei Stunden oder eine dauernde persönliche Überwachung not-wendig ist. Es
gibt vier Betreuungs-stufen, je nach Intensität des Betreuungsaufwandes.
? Der Betreuungsaufwand muss voraussichtlich während mehr als drei Monaten
an-dauern.
? Durch die Anstellung von Hilfskräften müssen Kosten entstehen.

Das heutige System der Leistungen für Pflege und Betreuung weist
verschiedene Män-gel auf:
Die Entschädigungen sind im Vergleich zu den tatsächlichen Betreuungs-kosten
zu tief.
Der Begriff "hilflos" ist diskriminierend.
Das System ist unübersichtlich und kompliziert.
Psychisch und leicht geistig Behinderte können in den meisten Fällen keine
Leistungen für benötigte Hilfe beanspruchen.
Kinder und Jugend-liche bis 20 Jahre mit anerkannten und
behand-lungsbe-dürf-tigen Geburtsgebre-chen können heute gleichzeitig
Pflegebeiträge und Hauspfle-gebeiträge beziehen. Das heisst, dass Kin-der
und Jugendliche mit krankheitsbedingten Behinderungen bis zu dreimal tiefere
Leistungen erhalten können.
Hilflosenent-schädigungen und Pflegebeiträge einerseits und
Hauspflege-bei-träge anderseits de-cken gleiche oder ähnliche Aufwendungen
ab.

An Stelle dieses heutigen Leistungssystems für Pflege und Betreuung führt
die 4. IV-Revision eine Assistenzentschädigung ein. Sie soll behinderten
Menschen mit Betreu-ungsbedürfnissen mehr Autonomie und Selbstbestimmung
er-möglichen und die beste-henden Mängel ausräumen. Angesichts der
begrenzten finan-ziellen Mittel wird dabei kein grundlegender Umbau mit
beträchtlichen Mehrkosten vor-geschlagen, sondern eine zielgerichtete
Umgestaltung des heutigen Systems mit massvollen Kostenfolgen.

Die Hauptziele der Assistenzentschädigung sind:
Mehr Transparenz und Gerechtigkeit durch Vereinheitlichung und Vereinfachung
des Systems
Stärkung von Autonomie und Eigenverantwortung
Schaffung besserer Grundbedingungen für eine erfolgreiche berufliche
Eingliederung
Einheitliche und zeitgemässe Bezeichnung
Einheitlicher und erweiterter Anspruch: Anspruch auf die
Assistenzentschädigung sollen (minderjäh-rige und erwachsene) Behinderte
haben, die einen (definierten) Assistenzbedarf nachweisen. Mass-gebend für
den Anspruch soll nicht mehr die Hilflosigkeit sein, sondern der Bedarf an
persönlicher Assistenz in-folge der Behinderung. Neu sollen erwachsene
psychisch oder leicht geistig Behinderte, die nicht im Heim oder im Spital
wohnen, einen Anspruch auf eine Assistenzentschädigung erhalten.
Im Unterschied zu den heutigen Pflegebeiträgen für Minderjährige Anspruch
bereits nach Vollendung des ersten Lebensjahres statt erst nach zwei Jahren

Die Entschädigungen werden bei Erwachsenen als monatliche Pauschalen, bei
Min-derjährigen - analog zu den heutigen Pflegebeiträgen - für jeden
Aufenthaltstag zu Hause ausgerichtet. Der Kostgeldbeitrag soll für die
Minderjähri-gen unverändert bei-behalten werden. Die Beträge der
Assistenzentschädigung sind wie heute als Prozent-sätze der Altersrente
definiert. Wie die heutige Hilflosenentschädigung wird die
Assis-tenzentschädigung nur in der Schweiz ausgerichtet.

Die heutige Situation soll in drei Bereichen verbessert werden:

Kinder und Jugendliche, die zu Hause betreut werden
Pflegebedürftige Kinder und Jugendliche erhalten neu unabhängig von der
Ursache ihrer Behinderung eine Assistenzentschädigung, die höher ist als die
heutigen Pflege-beiträge. In besonders schweren Fällen wird die
Assistenzentschädigung um einen In-tensivpflegezuschlag erhöht. Dieser steht
Minderjährigen mit einem mittleren oder ei-nem hohen Assistenzbedarf zu.
Voraussetzung ist, dass zusätzlich zum Assistenzbe-darf ein
invaliditätsbedingter Betreuungsaufwand von mindestens vier respektive sechs
Stunden pro Tag ausgewiesen ist. Die Höhe des Intensivpflegezuschlags
beträgt umge-rechnet auf den Monat 302 oder 603 Franken.

Erwachsene Behinderte, die zu Hause leben
Erwachsene Behinderte, die zu Hause wohnen und somit nicht in einer
Institution um-fassend betreut werden, sollen mehr Autonomie erhalten. Dazu
haben sie Anspruch auf eine Assistenzentschädigung, die höher ist, als die
heutige Hilflosenentschädigung.

Erwachsene psychisch oder leicht geistig Behinderte, die zu Hause leben
Diese Behinderten haben heute oftmals keinen Anspruch auf
Hilflosenentschädigung. Wenn sie einen Assistenzbedarf nachweisen
(lebenspraktische Begleitung, z.B. Hilfe beim Kontakt mit Ämtern oder Gefahr
einer dauernden Isolation), so haben sie neu An-spruch auf eine
Assistenzentschädigung der untersten Stufe.

Die vorgeschlagene Assistenzentschädigung geht von einer Verdoppelung der
Beträge der heutigen Hilflosenentschädigung aus und hat im Jahr 2003 für die
IV Mehr-ausga-ben im Vergleich zu heute (zu Preisen von 2000) von insgesamt
153 Millionen Franken zur Folge.

Heutige Leistungen (in Fr./ Monat)
Hilflosigkeit/ Betreuungsaufwand Hilflosenentschädi-gung* Pflegebeiträge**
Hauspflegebeiträge***
leicht / gering  201.--  201.--  max. 503.--
mittel  503.--  503.--  max. 1'005.--
schwer / hoch  804.--  804.--  max. 1'508.--
- / sehr hoch    max. 2'010.--
* Die Entschädigung wird als Pauschale pro Monat ausgerichtet.
** Der Beitrag wird als Pauschale pro Aufenthaltstag zu Hause ausgerichtet.
Der Betrag entspricht der monatlichen Entschädi-gung, wenn ein Kind dauernd
zu Hause ist.
*** Der Beitrag wird als Kostenersatz ausgerichtet. Entschädigt werden die
tatsächlich entstandenen und ausgewiesenen Kosten bis zum Höchstbetrag. Der
Betrag entspricht dem monatlichen Höchstbetrag, wenn ein Kind dauernd zu
Hause ist.

Leistungen der Assistenzentschädigung
(Beträge in Franken pro Monat)

 Assistenzentschädigung, allenfalls mit Intensivpfle-gezuschlag Z 1 oder Z 2
Assistenzbedarf zu Hause im Heim
gering  402  201
mittel
- mit Z 1
- mit Z 2  1'005
 1'307
 1'608  503
hoch
- mit Z 1
- mit Z 2  1'608
 1'910
 2'211  804
Bedarf an lebensprakt. Begleitung
 402
 ---

 b) Neugestaltung des IV-Taggeldsystems
Das Taggeld der IV hat den Zweck, Versicherten während einer
Eingliederungsmass-nahme der IV das deswegen entgehende Einkommen zumindest
teilweise zu ersetzen. Das heutige IV-Taggeldsystem beruht auf dem bis Juni
1999 geltenden Taggeldsystem der Erwerbsersatzordnung für Dienstleistende in
Armee, Zivildienst und Zivilschutz (EO). Am 1.7.1999 ist die 6. EO-Revision
in Kraft getreten, welche das System der EO-Entschädigungen grundlegend
umgestaltet hat. Für die IV wurde das bisherige System unverändert
beibehalten, dem noch die Vorstellung einer Versorgerehe zu Grunde liegt. So
erhalten verheiratete Personen grundsätzlich höhere Taggelder als
Alleinste-hende - unabhängig davon, ob sie Kinder haben oder nicht. Dazu
kommen verschie-dene Zulagen. Insgesamt ergibt sich eine komplizierte
Leistungspalette, was immer wieder Verständnis- und Durchführungsprobleme
verursacht.

Der Bundesrat schlägt nun für die IV ein neues Taggeldsystem vor, welches
sich mit gewissen Abweichungen an jenes der obligatorischen
Unfallversicherung anlehnt. Es handelt sich um ein einfaches, geschlechts-
und zivilstands-neutrales System. Alle Ver-sicherten erhalten grundsätzlich
die gleiche Grundentschädigung. Diese beträgt 80 Prozent des
Erwerbseinkommens, welches zuletzt ohne gesundheitliche Einschrän-kung
erzielt worden ist. Der versicherte Verdienst basiert auf dem massgebenden
AHV-Lohn. Im Unterschied zum versicherten Verdienst in der
Unfallversicherung sind darin Kinder- und Familienzulagen nicht
eingeschlossen. Zusätzlich zur Grundentschädigung wird deshalb ein
Kindergeld gewährt. Die Grundentschädi-gung und das Kindergeld machen
zusammen das Taggeld aus.

Das neue, wesentlich transparentere Taggeldsystem beseitigt durch die
Zivil-stands-neutralität Ungerech-tigkeiten, bringt namhafte
Leistungsverbesserungen für zahlreiche Bezüger/innen und verursacht nur
marginale Verschlechterungen. Für Versi-cherte mit einem Kind im mittleren
Einkom-mensbereich gibt es mit dem Kindergeld in der vor-ge-schlagenen Höhe
gegenüber dem heutigen System eine minime Leistungs-ver-schlech-te-rung. Bei
finanziellen Notlagen können diese Versicherten Er-gän-zungs-leis-tungen
beantragen. Das neue Tag-geldsys-tem ist im Vergleich zum heutigen Sys-tem
wesent-lich einfacher und transparenter.

C Verbesserung und Vereinfachung von Strukturen und Verfahren

 a) Einführung eines regionalen ärztlichen Dienstes
Jede Abklärung des Anspruchs auf Leistungen der IV beinhaltet auch eine
ärztliche Untersuchung der versicherten Person. Diese Untersuchung wird in
der Regel von den behandelnden Ärztinnen und Ärzten durchgeführt. Eine der
Ursachen des Ausga-ben-wachstums in der IV sind die oft zu wenig auf die
Anforderungen der Versicherung aus-gerichteten Berichte der behandelnden
Ärztinnen und Ärzte zu Handen der IV. Dazu kommt ein gewandeltes
Krankheitsverständ-nis insbesondere bei den psychischen Er-krankungen,
welches der Zweckbestim-mung der IV nicht immer gerecht wird. Diese
Situation führt zu uneinheitlichen Beurtei-lungen der Leistungsgesuche, was
Ungleich-behandlungen und Ungerechtigkeiten zur Folge hat.

Es ist daher unerlässlich, dass die Berichte über die hausärztliche
Untersuchung von Ärztinnen und Ärzten der Invalidenversicherung überprüft
werden. Diese im Abklä-rungsprozess entscheidende Aufgabe obliegt den
IV-Stellen. Um sie erfüllen zu kön-nen, verfügt schon heute jede IV-Stelle
über ärztliches Personal im Anstellungsverhält-nis - bei kleineren
IV-Stellen sind es häufig freipraktizierende Ärztinnen und Ärzte in
Teilzeitpensen. Bei unklaren oder komplizierten Krankheits-bildern können
die IV-Ärzt-innen und -Ärzte wei-tergehende me-dizinische Abklä-rungen durch
Spezialis-tinnen und Spezialisten oder in medizinischen Abklärungs-stellen
(MEDAS) vorschlagen. Sie dürfen aber keine ärztlichen Untersuchungen bei
Ver-sicherten selber vornehmen.

Es hat sich gezeigt, dass das System der Überprüfung der ärztlichen Angaben
durch die IV-Stellen nicht ausreicht, um die starke Zunahme der
IV-Rentenbezügerinnen und -bezüger in den Griff zu bekommen und für eine
möglichst einheitliche, gerechte medizi-nische Beurteilung zu sorgen. Selbst
wenn den IV-Stellen-Ärztinnen und -Ärzten eine Untersuchungskompetenz
eingeräumt würde, wäre das Problem nicht gelöst. Die star-ken kantonalen
Unterschiede in der Wahrscheinlichkeit, dass jemand IV-Bezüger/in wird,
belegen die Notwendigkeit eines eigenständigen kantonsübergreifenden
ärztli-chen Dienstes der Versicherung, welcher eine einheitlichere Praxis
bei den medizini-schen Abklärungen sicherstellt.

Die-sen landesweiten, regional strukturierten ärztlichen Dienst will die 4.
IV-Revision nun einführen. Er soll die IV-Stellen unterstützen, indem er die
medizinischen An-spruchs-vor-aussetzungen, insbesondere im Bereich der
beruflichen Mass-nahmen und der IV-Renten, prüft. Dazu gehört die Prüfung
und die allfällige Vervollständigung der von den IV-Stellen zugestellten
medizinischen Unterla-gen. Wenn nötig kann der ärztli-che Dienst
Unter-suchungen vornehmen. Die Verantwortung für die Durchführung von
Ab-klä-rungen sowie die Entscheidkompetenzen bei der Anordnung
spezialärztlicher oder polydisziplinärer Untersuchungen liegen weiterhin bei
den IV-Stellen. Wie die IV Stellen ist der ärztliche Dienst unmittelbar der
fachlichen Aufsicht des Bundesamtes für Sozialversicherung unterstellt.

Diese Massnahme bewirkt eine Vereinheitlichung der für das
Entscheidverfahren not-wendigen medizinischen Grundlagen sowie eine
gesamt-schwei-zerisch möglichst ein-heitliche, gerechte, qualitativ
verbesserte und speditive Beurtei-lung der Leistungs-ge-suche. Der Bundesrat
erhofft sich auch, dass dadurch das starke Wachstum insbe-sondere im Bereich
der Rentenausgaben abgebremst werden kann. Das Einsparungs-potenzial kann
allerdings nicht konkret beziffert werden. Zunächst führt die Einführung des
regionalen ärztlichen Dienstes nach einer groben Schätzung zu jährlichen
Mehr-aus-gaben von ca. 20 Millionen Franken. Langfristig dürfte sich die
Massnahme ein-dämmend auf das Ausgabenwachstum im Bereich der IV-Renten
auswirken.

 b) Weitere Massnahmen
- Schaffung einer eidgenössischen Rekurskommission für kollektive Leistungen
und da-mit einer verwal-tungsunabhängigen Gerichtsbehörde
- Einführung eines Einspracheverfahrens, womit vermieden werden soll, dass
direkt ein Gericht an-gerufen werden muss, um Fehlbeurteilungen oder
Missverständ-nisse abzu-klären
- Einführung eines Schiedsgerichtes für Tarifstreitigkeiten
- Verstärkung der Zusammenarbeit von Organen der IV, der
Ar-beitslosenversiche-rung und der Sozialhilfe, um die rasche berufliche
Eingliederung Behinderter zu för-dern
- Finanzielle Mittel für eine gesamtschweizerische Informationsarbeit

 Bundesamt für Sozialversicherung
 Informationsdienst

Auskünfte: Tel. 031 / 322 91 32
 Beatrice Breitenmoser, Vizedirektorin
 Abteilung Invalidenversicherung
 Bundesamt für Sozialversicherung

Medienmitteilungen des BSV sowie weitere Informationen finden Sie im
Internet unter www.bsv.admin.ch
Auf der Homepage des BSV: Aktuelle Grundlageninformationen zur
Invaliden-versicherung («Faktenblätter», Mai 2000)
(Grundzüge der IV / Finanzierung / Missbräuche? / Autonomie von Behinderten
/ Ungleich-behandlung in der IV / Sparmassnahmen und Optimierungen)

 Mediendokumentation EDI / BSV 28. Juni 2000

Ursachen des starken Ausgabenwachstums in der IV
(Erklärungselemente)
Diese Mediendokumentation basiert im Wesentlichen auf den Faktenblättern des
Medien-gesprächs von Mai 2000 (siehe Hinweis am Schluss dieser
Dokumentation)

Die Renten stellen den grössten Ausgabenposten der IV dar. Das Wachstum der
Ren-tenzahlungen hat in den letzten Jahren ein beunruhigendes Ausmass
angenommen.

Bezüger/innen von IV-Renten 1965 - 1998
(Alle Rentner und Rentnerinnen, Schweizer und Ausländer, im In- und Ausland;
Anzahl Bezüger/-innen)
Jahr Invalidenrenten Zusatzrenten
 Einfache Invalidenrenten Ehepaar-inva-lidenrenten1) 2) Total
Inva-lidenrenten 1)
 Männer Frauen Zusammen
1965 3) 4) 37 704 32 521 70225 16 026 86 521 41 961
1975 5) 48 894 40 605 89 499 16 748 106 247 67 008
1985 6) 76 782 48 144 124 926 19 656 144 582 89 841
1990 6) 86 612 55 377 141 989 22 340 164 329 93 556
1995 6) 104 502 66 877 171 379 27 886 199 265 114 111
1998 5) 2) 120 752 76 887 197 639 23 464 221 103 133 993
1) Anzahl Personen, d.h. Paare mit Ehepaar-Invalidenrenten werden als zwei
Bezüger gezählt.
2) Mit der 10. AHV-Revision wurden die Ehepaarrenten abgeschafft. Bei
Ehepaaren, die ab 1997 ren-tenberechtigt sind, erhalten die Ehefrau und der
Ehemann eine eigene Rente. Die bereits beste-hen-den Ehepaarrenten werden im
Prinzip bis Ende des Jahres 2000 weitergeführt und dann in indi-vidu-elle
Renten überführt.
3) Jahresergebnisse 4) Ohne AusländerInnen im Ausland
5) Monatsergebnisse im Januar 6) Monatsergebnisse im März

Entwicklung der Rentenausgaben
Zwischen 1993 und 1999 ist die Summe der von der IV ausgerichteten Renten
von 3'264 Mio. Franken auf 4'759 Mio. Franken gestiegen. Dies entspricht
einem durch-schnittlichen jährlichen Zuwachs von 6,5%.

Entwicklung der Zahl der Rentenbezüger/innen
Zwischen 1993 und 1999 ist die Zahl der Bezügerinnen und Bezüger von
IV-Renten in der Schweiz jährlich um durchschnittlich 4,3 Prozent gestiegen.
22 Prozent des jährli-chen Wachstums werden durch die veränderten
demografischen Verhältnisse verur-sacht. Der Anteil der Menschen knapp
unterhalb des AHV-Rentenalters nimmt stetig zu. In dieser Altersgruppe ist
das Invaliditätsrisiko am grössten. Die übrigen 78 Prozent des jährlichen
Wachstums sind Folge davon, dass in den letzten Jahren die
Invalidie-rungswahrscheinlichkeit in allen Altersklassen, insbesondere bei
den 30- bis 44-Jähri-gen, zugenommen hat. Die neuen IV-Rentner/innen werden
also immer jünger.

Dabei ist Folgendes festzustellen:
Als Krankheitsursachen treten immer häufiger Beeinträchtigungen der Knochen
oder Bewegungsorgane sowie psychische Erkrankungen auf.
Die Hausärztinnen und -ärzte berücksichtigen in ihren Berichten vermehrt
psychische oder soziale Fakto-ren. Zudem tragen sie den
versicherungsspezifischen Anforderungen der IV häufig zu wenig Rechnung.
Der Wandel des Krankheitsbegriffs hat zur Folge, dass die Ärzte ihre
Patienten vermehrt als arbeitsunfä-hig erklären.

Zusammenhang zwischen Invalidität und Arbeitslosigkeit?
Die Ausgaben für IV-Renten hängen stark mit der wirtschaftlichen Entwicklung
zusam-men: Je kleiner das Wirtschaftswachstum, desto stärker nehmen die
Rentenausgaben zu. Zudem erhöhen sich die Ausgaben der IV bei tiefem
Wirtschafts-wachstum mar-kant, gehen aber in Zeiten besserer
wirtschaftlicher Entwicklung nicht im selben Mass wieder zurück.

Angesichts der wirtschaftlichen Entwicklung in den letzen Jahren liegt es
nahe, einen Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und Invalidität zu
vermuten. Verschiedene Untersuchungen zeigen aber, dass zwar ein gewisser
Zusammenhang besteht, dass für die Zunahme des Invaliditätsrisikos der
Bevölkerung neben der Arbeitslosenquote jedoch noch weitere Faktoren
relevant sind. Die verbreitete Meinung, Bezüger/innen von Leistungen der
Arbeitslosenversicherung seien potenzielle IV-Bezüger/innen, stimmt nicht.

Eine Untersuchung des BSV zeigt, dass die Zahl der ausgesteuerten
Arbeitslosen bis 1994 stark anstieg, dass hingegen der Anteil derjenigen
Personen, die anschliessend innerhalb von zwei Jahren eine IV-Rente
erhielten, mit gut 2 Prozent stabil blieb. Damit wird die Behauptung
widerlegt, dass der Anstieg der IV-Renten-bezügerinnen und -bezüger auf
einen beinahe schon institutionalisierten Übertritt der ausgesteuerten
Ar-beitslosen zur IV zurückzu-führen sei. Allerdings muss geltend gemacht
werden, dass das für die Unter-suchung berücksichtigte Zeitintervall von
zwei Jahren zu kurz ist, um die Auswir-kungen der Langzeitarbeitslosigkeit
mit ausreichender Sicherheit zu erfas-sen.

IV-spezifisches Fachwissen von Ärztinnen und Ärzten und gewandelter
Krank-heitsbegriff beeinflussen die Zahl der IV-Bezüger/innen
Die ärztliche Beurteilung der Arbeitsfähigkeit und der verbleibenden
Erwerbsmöglich-keiten einer Person sind für das Entscheidverfahren der IV
von grundlegender Bedeu-tung. Aufgrund einer Untersuchung ist davon
auszugehen, dass die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit versicherter Personen
für Ärztinnen und Ärzte oftmals schwierig ist. Sie sind zu wenig vertraut
mit den Anforderungen der einzelnen Arbeitsstellen, verfü-gen nicht über
genaue Kriterien zur Beurteilung der Arbeitsfähigkeit, haben begrenzte
Kenntnisse im Bereich der Arbeitsmedizin und ungenügendes IV-spezifisches
Fachwis-sen.

In diesem Zusammenhang fällt auf, dass die psychischen Erkrankungen als
Ursache für einen Rentenbezug in den letzten Jahren markant zugenommen
haben. Die er-wähnte Untersuchung kommt zu folgenden Ergebnissen: Der von
Ärztinnen und Ärzten verwendete Krankheitsbegriff wandelt sich. Es ist zudem
von grosser Bedeutung, wie Ärztinnen und Ärzte ihre Rolle, welche sie
gegenüber Versicherten und der Gesell-schaft einnehmen, definieren. In
neuerer Zeit wird bei der ärztlichen Beurteilung den psychischen und
sozialen Bedingungen sowie deren Auswirkungen vermehrt Rechnung getragen.
Insbesondere bei der Beurteilung psychischer Erkrankungen sind die
Ärzt-innen und Ärzte stark von den Aussagen der Patientinnen und Patienten
ab-hängig. Nicht nur Ärztinnen und Ärzte, sondern auch die Versicherten
reagieren auf psychische und soziale Faktoren ihres Umfeldes mit grösserer
Sensibilität. Psychische Erkrankun-gen sind in der Gesellschaft kein
Tabuthema mehr.

Diese Situation führt auch zu uneinheitlichen Beurtei-lungen der
Leistungsgesuche, was Un-gleichbehandlungen und Ungerechtigkeiten zur Folge
hat. Unter anderem aus die-sem Grund sieht die 4. IV-Revision die Einführung
eines regionalen ärztlichen Diens-tes vor.

Erfolgsquote der beruflichen Massnahmen der IV
Die Entwicklung der Renten wird ebenfalls durch die Wiedereingliederung
invalider Personen in die Berufswelt beeinflusst. Festzustellen ist, dass
die Erfolgsquote der be-ruflichen Massnahmen der IV seit 1993 mit rund 66
Prozent bemerkenswert konstant ist. Aufgrund einer Untersuchung beziehen
zwei Drittel der Versicherten, denen eine berufliche Massnahme gewährt
wurde, im nachfolgenden Jahr keine Rente (56 %), eine halbe oder eine
Viertelsrente (11 %).

Zunahme der Ausgaben für kollektive Leistungen
Auch im Bereich der IV-Beiträge an Institutionen und an Organisationen für
Behinderte ist ein deutlicher Anstieg der Ausgaben festzustellen. Der Anteil
der Ausgaben für kol-lektive Leistungen am Gesamttotal der Ausgaben der IV
ist jedoch stabil geblieben.

Die gestiegenen Ausgaben sind auf verschiedene Faktoren zurückzuführen.
Zunächst ist die Zunahme der IV-Rentnerinnen und -Rentner von Bedeutung,
weil eine höhere Anzahl behinderter Personen einen entsprechend grösseren
Bedarf an kollektiven Leis-tungen auslöst. Zudem wurde bei den Werkstätten
und Wohnheimen für Behinderte das Angebot in den letzten Jahren gesamthaft
deutlich erweitert, dies in erster Linie weil Behinderte vermehrt in eigens
für sie geschaffenen Einrich-tungen statt in psychia-trischen Kliniken oder
in Alters- und Pflegeheimen untergebracht werden. Ein Ausbau hat auch bei
den Institutionen für Drogenabhängige stattgefunden. Ein sprunghafter
An-stieg in den Jahren 1996 und 1997 bei den Beiträgen an Institu-tionen und
an private Organisationen ist auch auf die Aufarbeitung und Abrechnung von
grösseren Rück-ständen bei der Bearbeitung von Beitragsgesuchen
zurückzuführen.

Um die Kostensteigerung im Bereich der kollektiven Leistungen in den Griff
zu bekom-men, sind verschiedene Massnahmen eingeleitet worden. Hierzu
gehören insbeson-dere die Reduktion des Beitragssatzes bei den Bau- und
Einrichtungs-beiträgen sowie eine konsequente Prüfung der
Anspruchsvoraussetzungen und eine entsprechende Anpassung der Beiträge.
Weiter befinden sich verschiedene Steuerungsinstrumente im Aufbau, die es
erlauben, das Angebot besser an den effektiven Bedarf anzupassen und somit
die Leistungen effizienter zu erbringen: Aufgrund der 1996 auf
Verordnungsstufe eingeführten kantonalen oder interkantonalen
Bedarfs-planung für Wohnheime und Werkstätten hat das BSV für die Jahre 1998
bis 2000 lediglich einen Ausbau von 12 statt der von den Kantonen
ursprünglich beantrag-ten 16 Prozent der Plätze bewilligt. Ferner wird
derzeit vom geltenden nachschüssigen Beitragssystem auf im Voraus
ver-einbarte Leistungsverträge umgestellt: Per 1999 wurden mit den ersten
Werkstätten Leistungsver-träge abgeschlossen. Das neue Beitragssystem wird
per 2001 mit sämtli-chen Organisationen der privaten Behindertenhilfe
verwirklicht sein. Die Leistungsver-träge werden ausschliesslich mit
nationalen bzw. sprachregionalen Dachorganisationen abgeschlossen. Regionale
oder lokale Behindertenorganisa-tionen werden nur noch indirekt, d.h. via
Dachorganisationen, Beiträge erhalten können.

Entwicklung der Ausgaben im europäischen Vergleich
Für ganz Westeuropa werden hohe und meist kontinuierlich steigende Ausgaben
im Bereich der Invalidenversicherung ausgewiesen. Die Schweiz hat ein
vergleichsweise tiefes Ausgabenniveau zu verzeichnen. Wie die Schweiz weisen
sämtliche Vergleichs-staaten in der Altersgruppe der 55 bis 61/64-jährigen
den grössten Anteil an IV-Rent-ner-innen und -rentnern auf. Eine Schweizer
Besonderheit ist jedoch der überdurch-schnittlich hohe Anteil an
Rentenbezügerinnen und -bezügern in der Altersgruppe der unter 49-jährigen
Ver-sicherten.

Im Ländervergleich weist die Schweiz sowohl einen tiefen Anteil der
IV-Rentnerinnen und -Rentner als auch der jährlichen Neuzugänge auf. Dieser
positiven Beurteilung der aktuellen Situation steht aber eine eher
ungünstige Entwicklung gegenüber. In den meisten Vergleichsstaaten haben die
aktuellen Zahlen der Neuzugänge im Vergleich zu jenen von 1980 abgenommen.
Demgegenüber haben in der Schweiz die Neuzugänge zugenommen, insbesondere in
der Altersgruppe der unter 50-Jährigen.

Eine Studie widerlegt die Vermutung, dass die IV für die Wirtschaft ein
geeignetes Auf-fangbecken für Frühpensionierungen ist: Die Schweiz weist im
Vergleich zu Staaten, die soge-nannte Frührentensysteme kennen, keinen
entsprechend höheren Anteil an IV-Rentnerinnen und IV-Rentnern in der
betreffenden Altersgruppe auf.

Zusätzliche Erhebungen notwendig
Die heute vorliegenden Daten tragen nur zu einer begrenzten Erklärung des
Phäno-mens der Zunahme der IV-Rentenbezügerinnen und -bezüger bei. Zur
Klä-rung weite-rer Fragen sind zusätzliche Studien vorgesehen. So sollen
u.a. die Motiva-tionsgründe der Arbeitgeberschaft, behinderte Personen zu
beschäftigen, unter-sucht werden. Weiter wird es darum gehen, im Verfahren
zum Rentenentscheid ein System zur Qua-litäts-siche-rung zu erarbeiten. Die
4. IV-Revision sieht die Schaffung der gesetzlichen Grundlage für die
Finanzierung der notwendigen Erhebungen und Analysen vor.

Auskünfte: Tel. 031 / 322 91 32
 Beatrice Breitenmoser, Vizedirektorin
 Abteilung Invalidenversicherung
 Bundesamt für Sozialversicherung

Medienmitteilungen des BSV sowie weitere Informationen finden Sie im
Internet unter www.bsv.admin.ch
Auf der Homepage des BSV: Aktuelle Grundlageninformationen zur
Invaliden-versicherung («Faktenblätter», Mai 2000)
(Grundzüge der IV / Finanzierung / Missbräuche? / Autonomie von Behinderten
/ Ungleich-behandlung in der IV / Sparmassnahmen und Optimierungen)