Vernehmlassung zum Behindertengesetz eröffnet
Der Bundesrat hat am Montag die Kantone, Parteien und interessierten Organisationen eingeladen, bis Anfang September 2000 zum Entwurf eines Behindertengesetzes Stellung zu nehmen. Laut Artikel 8 Absatz 4 der Bundesverfassung hat das Gesetz Massnahmen zur Beseitigung von Benachteiligungen der Behinderten vorzusehen. Das Behindertengesetz setzt diesen Auftrag um. Gleichzeitig soll es der Volksinitiative "Gleiche Rechte für Behinderte" als indirekter Gegenentwurf gegenübergestellt werden. Eine entsprechende Botschaft an das Parlament muss der Bundesrat bis Mitte Dezember 2000 verabschieden.
Was bringt das Behindertengesetz?
Der Bundesrat umschreibt in seinem
Entwurf, was hinsichtlich des Zugangs zu den für die Öffentlichkeit bestimmten
Bauten, Anlagen und Dienstleistungen als Benachteiligung Behinderter im Sinne
von Artikel 8 Absatz 4 BV zu verstehen ist. Es wird Sache der kantonalen
Gesetzgeber sein, ihre Gesetzgebung (insbesondere die Baugesetze) auf diese
Konkretisierung der Verfassung auszurichten. In einer Variante stellt der
Bunderat aber auch Bestimmungen zur Diskussion, die den Menschen mit
Behinderungen für den Zugang zu Bauten, Anlagen und Dienstleistungen klagbare
Ansprüche einräumen.
Für den öffentlichen Verkehr wird der Bundesrat künftig
technische Vorschriften über die behindertengerechte Ausgestaltung von
Bahnhöfen, Haltestellen, Fahrzeugen und Informationssystemen erlassen
können.
Anerkannten Behindertenorganisationen wird in wichtigen Verfahren im
Bereich des öffentlichen Verkehrs sowie von Radio und Fernsehen ein
Beschwerderecht eingeräumt. Der Bund soll ferner als vorbildlicher Arbeitgeber
bei der Anstellung von Personal gleichwertig qualifizierten Behinderten den
Vorzug vor nicht behinderten Bewerberinnen und Bewerbern geben, bis ein
angemessenes Verhältnis zwischen behinderten und nicht behinderten Angestellten
besteht.
Das Behindertengesetz ermächtigt den Bund, Programme zur
Integration von Menschen mit Behinderungen sowie Informationskampagnen
durchzuführen.
Schliesslich konkretisiert der Entwurf den Begriff eines
ausreichenden Grundschulunterrichts, wie ihn Art. 19 der BV garantiert: Seh- und
gehörbehinderte Kinder und Jugendliche sollen in der Grundschule lernen, die
Gebärdensprache bzw. die Blindenschrift zu verwenden.
Der Entwurf gestaltet auch einige Spezialgesetze behindertenfreundlicher (Steuerrecht, Fernmeldewesen, Radio- und Fernsehgesetz usw.) und bringt damit den neuen Geist im Verhältnis behinderter und nicht behinderter Menschen zum Ausdruck.
Bern, 5. Juni 2000
Weitere Auskünfte:
Dieter Biedermann, Bundesamt für Justiz, Tel. 031 322 47 50 (d)
Béatrice
Aubert, Office fédéral de la justice, tél. 031 322 41 69
(f)