Zwischenbericht
Zwischenbericht
Dieser Zwischenbericht enthält eine Schilderung bereits gesicherter
Tatsachen. Aufgrund des laufenden Untersuchungsverfahrens werden diese
Befunde weder interpretiert noch beurteilt. Bis zum Abschluss der
Untersuchung wird auf die Nennung von Ursachen ver-zichtet. Entsprechend
dem Abkommen über die Internationale Zivilluftfahrt (ICAO Annex 13) ist
das alleinige Ziel der Untersuchung eines Flugunfalles die Verhütung
künftiger Unfälle. Es ist nicht Zweck dieser Untersuchung, ein Verschulden
festzustellen oder Haf-tungsfragen zu klären.
Alle Zeiten sind als Lokalzeit (LT = UTC + 1) angegeben. Mit Ausnahme des
Aufschlag-zeitpunkts, welcher durch den Schweizerischen Erdbebendienst
ermittelt wurde, basieren sämtliche Zeitangaben auf der Systemzeit von
SWISSCONTROL.
1. ÜBERSICHT
Luftfahrzeug und Immatrikulation SAAB 340B, Seriennummer 213, HB-AKK
Baujahr und Hersteller 1990 bei SAAB Aircraft AB, Schweden
Anzahl und Art der Triebwerke 2 Propellerturbinen General Electric CT7-9B
Unfallort Au, Nassenwil/ZH
Koordinaten 677 850/258 200
3.17 NM in Richtung 283° (missweisend) vom Bezugspunkt des Flughafens
Zürich
Datum und Zeit 10. Januar 2000, 17:56:28 Lokalzeit
Betriebsart Linienflug
Insassen Besatzung - 3, Passagiere - 7
Personenschaden Besatzung - 3 tödlich verletzt
Passagiere - 7 tödlich verletzt
Schaden am Luftfahrzeug zerstört
Ausweis des Kommandanten moldawischer Linienpilotenausweis (ATPL) -
validiert durch das Bundesamt für Zivil-luftfahrt (BAZL) für den Einsatz
auf SAAB 340 bei CROSSAIR
Alter des Kommandanten 41 Jahre
Ausweis des Copiloten slowakischer Berufspilotenausweis (CPL/IR) -
validiert durch das BAZL für den Einsatz auf SAAB 340 bei CROSSAIR
Alter des Copiloten 35 Jahre
Ausweis der Flugbegleiterin Periodischer Kurs über Notverfahren (Emergency
Procedure Refresher) SAAB, ausgestellt von CROSSAIR
Alter der Flugbegleiterin 26 Jahre
2. FLUGVERLAUF
Das Flugzeug HB-AKK traf am 10. Januar 2000 um 1654 Uhr von Guernsey (EGJB)
her-kommend als CROSSAIR-Flug CRX 842 in Zürich ein. Um 1700 Uhr erreichte
die Ma-schine den Standplatz F74 auf dem Vorfeld des Flughafens Zürich.
Während der Boden-zeit wurde die Maschine beladen und für den nächsten
Flug vorbereitet. Um 1712 Uhr begann die Betankung des Flugzeuges mit 1800
Litern Flugpetrol. Der Treibstoff wies eine Temperatur von 4° C auf und
seine Dichte wurde mit 0.805 kg/dm3 angegeben. Die Eidgenössische
Materialprüfungsanstalt (EMPA) hat Proben des Brennstoffs analysiert und
keine Anomalien festgestellt.
Das Flugzeug wurde vor dem Flug weder enteist noch wurden vor dem Start
Eisverhü-tungsmassnahmen getroffen.
Parameter für den Start:
Betriebsleermasse (Dry operating mass) 8689 kg
Nutzlast (Traffic load) 624 kg
Treibstoffmenge (Block fuel) 2100 kg
Masse beim Wegrollen (Ramp mass) 11 413 kg
Trimmstellung Höhensteuer (Trim setting) + 1.4 Einheiten (+ 2.8° ANU)
Es liegt eine Kopie des Ladungsplanes vor, die der Kommandant unterzeichnet
hat. Die Bodenmannschaft, die mit der Betreuung des Fluges CRX 498
beauftragt war, hat sowohl bezüglich des Flugzeuges als auch bezüglich der
Besatzung keine besonderen Beob-achtungen gemacht. Auch die Besatzung,
welche das Flugzeug von Guernsey nach Zü-rich überflog gab an, dass ihr
die Besatzung des Unfallfluges in guter Verfassung erschie-nen ist.
Um 1748 Uhr war die Maschine HB-AKK als CROSSAIR-Flug CRX 498 bereit für
den Flug nach Dresden (EDDC). Die Abflugfreigabe lautete auf einen Ausflug
über das UKW-Drehfunkfeuer ZURICH EAST (ZUE 1Y Departure) und ordnete dem
Flugzeug einen Er-kennungscode 3004 für das Sekundärradarsystem zu. Um
1749 Uhr verlangte CRX 498 bei der Vorfeldverkehrsleitstelle ZUERICH APRON
die Rollfreigabe und wurde angewie-sen, kurz zu warten. Eine Minute später
erhielt die Maschine die Erlaubnis zum Warte-punkt der Piste 28 zu rollen.
Nach den üblichen Flugvorbereitungen gab der Copilot um 1754 Uhr bekannt,
dass er die Checklisten beendet habe und die Maschine somit für den Start
bereit sei.
Nach dem Erhalt der Startfreigabe wurde auf Befehl des Kommandanten
Startleistung gesetzt und die Maschine hob um 17:54:30 Uhr von der Piste
28 ab. Fliegender Pilot war der Kommandant. Sowohl der Start als auch der
Anfangssteigflug wurden gemäss dem für die Piste 28 mit diesem Flugzeugtyp
üblichen Verfahren mit eingefahrenen Auftriebs-hilfen (Flaps 0°)
durchgeführt. Die Maschine beschleunigte normal und ging anschlie-ssend in
einen stabilen Steigflug über. Die Längsneigung (15° ANU) und die Geschwin
-digkeit (136 KIAS) entsprachen dem Fluggewicht und den üblichen
Flugverfahren. Das Fahrwerk wurde eingefahren und 15 Sekunden nach dem
Abheben wurde der Flight di-rector (Steuerbefehlanzeiger) eingeschaltet,
der NAV-mode aktiviert und anschliessend der LRN1-Kurs erflogen.
Das erste Radarecho wurde um 17:54:35 Uhr durch die Radarstation HOLBERG
aufge-zeichnet. Der Anfangssteigflug wies, abgesehen von einer
Steuerkursänderung von ca. 7° gegen Süden, einen normalen Kurs über Grund
auf.
Als die Maschine im Steigflug eine Höhe von 2500 Fuss über Meer (1084 Fuss
über Grund) erreicht hatte, wurde sie von der Flugverkehrsleitstelle
ZURICH TOWER aufgefor-dert, mit ZURICH DEPARTURE Verbindung aufzunehmen.
Von dieser Leitstelle erhielt CRX 498 die Freigabe auf Flugfläche 110 zu
steigen. Um 17:55:42 Uhr und in einer Di-stanz von ungefähr 1.9 NM vom UKW
-Drehfunkfeuer ZUERICH KLOTEN (VOR KLO) gab ZURICH DEPARTURE der Besatzung
die Anweisung nach links zum UKW-Drehfunkfeuer ZURICH EAST (VOR ZUE) zu
drehen. Diese Anweisung wurde durch den nichtfliegenden Piloten korrekt
zurückgelesen. In diesem Augenblick erreichte die Maschine eine Distanz
von 2.1 NM vom UKW-Drehfunkfeuer ZURICH KLOTEN (VOR KLO). Das Standard Ab
-flugverfahren nach Instrumentenflugregeln ZUE 1Y sieht vor, dass an diesem
Punkt die Linkskurve eingeleitet wird, um den Leitstrahl 255° des UKW
-Drehfunkfeuers ZUERICH KLOTEN (VOR KLO) zu erfliegen. Die HB-AKK flog für
ca. 7 Sekunden eine Linkskurve, deren Beginn in den Aufzeichnungen des
Flugdatenschreibers durch einen entsprechen-den Querruderausschlag
ersichtlich ist.
Während dieser Linkskurve wurde durch den nichtfliegenden Piloten eine
Eingabe ins Flight management system (Flugleitsystem) vorgenommen. Der
fliegende Pilot, welcher das Flugzeug noch immer von Hand steuerte,
leitete als Folge davon einen Kurvenwech-sel nach rechts ein. Dieser
Kurvenwechsel stimmt mit den Befehlen des Flight directors
(Steuerbefehlanzeiger) überein, wenn diese durch das Flugleitsystem für
eine Kursände-rung "direct to ZURICH EAST" errechnet werden. An der
geographischen Position bei welcher der nichtfliegende Pilot seine Eingabe
gemacht hat, führt die Kursänderung "di-rect to ZURICH EAST" zu einem
Befehl für eine Rechtskurve gegen das UKW-Drehfunkfeuer ZURICH EAST (VOR
ZUE), weil die Rechtskurve dem kürzeren Weg ent-spricht. Während diesem
Kurvenwechsel antwortete der Copilot auf eine Frage des Kommandanten, dass
ZURICH EAST im Flight management system eingegeben worden sei.
Während dieser Flugphase war der nichtfliegende Pilot mit dem Funkverkehr,
mit der Na-vigation (Eingaben in das Flugleitsystem) und mit
Manipulationen beschäftigt, die im Steigflug verrichtet werden müssen.
Die Rechtskurve wurde fortgesetzt und die Querlage vergrösserte sich bis
auf einen Wert von 42°. Die Steigrate war vorerst noch konstant während
die Längsneigung sich gleich-zeitig auf 0° verringerte. Querlage und
Längsneigung blieben daraufhin für einige Sekun-den unverändert. Der
stabilen Phase folgend vergrösserte sich die Rollrate aufgrund ei-nes
Querruderausschlags nach rechts wiederum beträchtlich. In dieser Phase
machte der Copilot den Kommandanten darauf aufmerksam, dass die Maschine
eigentlich nach links drehen sollte. Auch die Längsneigung nahm nun rasch
ab und es fand eine drastische Zunahme der Geschwindigkeit statt.
Um 17:56:20 fragte die Flugverkehrsleitstelle ZURICH DEPARTURE aufgrund
ihrer Ra-darbeobachtungen die Besatzung von Flug CRX 498 nach dem Drehsinn
der geflogenen Kurve. Der Copilot antwortet daraufhin mit "Moment please,
stand by" worauf ZURICH DEPARTURE dem Flug mit den Worten "Okay, continue
right turn to Zurich East" eine neue, abgeänderte Freigabe erteilte.
Zu diesem Zeitpunkt befand sich das Flugzeug bereits in einem
spiralförmigen Sinkflug, der durch eine hohe Geschwindigkeit und eine
grosse Sinkrate gekennzeichnet war (kein Trudeln). Um 17:56:28 Uhr
registrierte der Schweizerische Erdbebendienst den Aufschlag der Maschine
auf einem offenen Feld bei Nassenwil/ZH. Keiner der sieben Passagiere und
der drei Besatzungmitglieder überlebten das Unglück. Die Maschine wurde
durch den Aufprall zerstört und es brach ein Feuer aus.
3. WETTER
Meldung von 1750 Uhr: Bodenwind aus 290° mit 3 Knoten. Sicht: 6 km,
zeitweilige Sichtreduktion auf 5 km, Nieselregen, stark bewölkt mit einer
Wolkenuntergrenze bei 500 Fuss über Grund, Temperatur 2° C, Taupunkt 1° C,
auf Meereshöhe reduzierter Luftdruck (QNH) von 1032 hPa.
4. FRÜHERE FLÜGE
Unmittelbar vor dem Unfallflug wurde das Flugzeug HB-AKK durch eine Crew
auf der Strecke Zürich - Jersey (UK) - Guernsey (UK) - Zürich geflogen.
Der Kommandant die-ser Crew gab an, dass die Maschine und alle ihre
Systeme - eingeschlossen das Naviga-tions- und Flugleitsystem - während
des gesamten Umlaufs problemlos funktioniert hät-ten. In der Mängelliste
des Flugzeugunterhaltsbetriebes waren die folgenden Eintragun-gen
vorhanden:
1. LH ENG SN:785135 IS DERATED DUE TO NEGATIVE MARGIN.
2. WHISTLING NOISE OVER SEAT 6A WHEN 1 OR 2 RECIRC FANS ON. NOISE
DISAPPEARS WHEN BOTH RECIRC OFF.
3.
5. TÄTIGKEIT DER BESATZUNG VOR DEM UNFALLFLUG
Die Besatzung des Unfallfluges trat ihren Dienst um 1335 Uhr an. Sie führte
mit einem anderen Flugzeug bereits einen Flug nach Nürnberg und zurück
nach Zürich aus (CRX 574 und CRX 575).
6. VORFLUGKONTROLLE
Die HB-AKK erreichte den Standplatz F74 um 1700 Uhr. Es wurden die normalen
Verfah-ren durchgeführt und keine Besonderheiten festgestellt.
7. UNTERSUCHUNG
Der Chef des Büros für Flugunfalluntersuchungen hat gemäss dem Schweizer
Luftrecht eine Untersuchung nach den Bestimmungen des Annex 13 der
Internationalen Zivilluft-fahrtorganisation (ICAO) angeordnet. Das BFU
verfügt für die Untersuchung von Flugun-fällen von Grossflugzeugen mit
Katastrophencharakter über einen Personalpool von Spe-zialisten. Für die
vorliegende Untersuchung wurde das in Anhang 3 aufgeführte Team gebildet.
Schwerpunkte der Untersuchung sind momentan:
· Verfeinerte Analyse der Daten von Flugdatenschreiber und
Sprachaufzeichnungsgerät
· Untersuchung der Systeme des Flugzeuges
· Flugtechnische Aspekte
· Menschliche Faktoren
· Ausbildung und Training der Besatzung
· Flugverfahren
Bern, 20. März 2000
Anhang 1: Ausschnitt aus "AIP Switzerland" RAC 4-3 LSZH APP 3R/3R.1
AIRAC 01/99 WEF 99 FEB 25
Standardabflugverfahren nach Instrumentenflugregeln für Piste 28
In der Ausschnittsvergrösserung ist der Flugweg von CRX 498 und die Frei
-gabe der Flugverkehrsleitstelle (ATC) skizziert.
ZURICH EAST (ZUE) ONE YANKEE DEPARTURE
(...)
Climb straight ahead. At D2.1 KLO turn left to intercept R255 KLO. At ZH
552 or when instructed by ATC, turn left (MAX IAS 210kt during turn) to
intercept R234 ZUE. Proceed to ZUE.
Cross ZH552 at 5000ft or above, ZUE at 6000ft or above.
INITIAL CLIMB CLEARANCE FL 80.
(...)
Anhang 2: Radaraufzeichnung des Unfallfluges CRX 498 (SWISSCONTROL)
Anhang 3: Untersuchungsteam Unfall CRX 498 vom 10. Januar 2000