"Leben mit dem Lawinenrisiko" - Lehren aus dem Winter ´99
MEDIENMITTEILUNG
"Leben mit dem Lawinenrisiko" - Lehren aus dem Winter ´99
In den Alpen liegen über zwei Meter Schnee. Siedlungen und Verkehrsachsen
sind im Moment nicht gefährdet. Anders im letzten Winter. Im Februar 1999
lagen über 8 Meter Schnee. Tausend Lawinen töteten Menschen, zerstörten
Siedlungen und unterbrachen Verkehrswege. Dank einem umfassenden
Lawinenschutz konnte eine Katastrophe verhindert werden. Dies zeigt eine
Analyse des Rekord-Lawinenwinters. Der Lawinenschutz hat seine grösste
Bewährungsprobe weitgehend bestanden. Die Analyse des Bundesamtes für
Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) und des Eidg. Institutes für Schnee-
und Lawinenforschung in Davos (SLF) zeigt auch Lücken auf: Verbessert
werden können die Frühwarnung und das Krisenmanagment.
Die Analyse des vergangenen Lawinenwinters wurde vom Bundesamt für Umwelt,
Wald und Landschaft (BUWAL) und dem Eidg. Institut für Schnee- und
Lawinenforschung in Davos (SLF) gemacht. Die Erkenntnisse sind in der
heute veröffentlichten illustrierten Publikation "Leben mit dem
Lawinenrisiko" zusammengefasst. Den Auftrag zur Aufarbeitung des
Lawinenwinters hatte der Bundesrat gegeben. Ende Dezember hat er die
Resultate zur Kenntnis genommen und das BUWAL beauftragt, mittel- und
langfristige Massnahmen zu planen.
Rund eine Milliarde Franken wurden seit den 50er Jahren in den
Lawinenschutz gesteckt, als Lehre aus dem Lawinenwinter 1950/51. Diese
Investition hat sich gelohnt. Das Risikomanagement, das seither aufgebaut
wurde, funktioniert. Dank der Kombination von Schutzwäldern,
Lawinenverbauungen, Gefahrenkarten und Lawinenwarnung konnten die Schäden
trotz der Extremsituation relativ tief gehalten werden. 1950/51, als die
Bedrohung ähnlich gross war, starben 98 Menschen in Lawinen. Diesmal waren
17 Todesfälle zu beklagen, obwohl sich während der Sportferien wesentlich
mehr Menschen in den Bergen aufhielten.
Handlungsbedarf bei Gefahrenkarten und Frühwarnung
Die 28seitige Publikation "Leben mit dem Lawinenrisiko" zieht die Lehren
aus dem Lawinenwinter 98/99. Sicherheitslücken bestehen in Gemeinden, die
noch keine oder ungenügende Gefahrenkarten haben. Diese müssen sofort
erstellt werden und in die kommunale Nutzungsplanung einfliessen. Wo
Lawinenarme über die bekannten Gefahrenzonen hinausgingen, muss die
Bedrohung neu beurteilt werden. Bei den Verkehrswegen gilt es,
Sicherheitslücken zu schliessen. Nicht alle Alpengebiete kennen regionale
Lawinebulletins. Das Lawinenforschungsinstitut in Davos wird die
Lawinenbulletins in Zukunft stärker regionalisieren, damit die
Verantwortlichen in den Gemeinden und Kantonen rechtzeitig Evakuationen
und Strassensperrungen anordnen können. Die dezentrale Organisation der
Krisenstäbe hat sich laut Analyse bewährt. Aber die Koordination zwischen
den einzelnen Organen (Polizei, Feuerwehr, Zivilschutz, Militär und
Hilfsorganisationen) kann noch verbessert werden. Die
Sicherheitsverantwortlichen in den Gemeinden sollen in Zukunft noch
gezielter im Lawinen-Krisenmanagment geschult werden. Erste Kurse haben
bereits stattgefunden.
Die Erfahrungen aus dem Lawinenschutz sollen vermehrt ins Risikomanagement
anderer Naturgefahren einfliessen. Für den Schutz vor Hochwasser,
Steinschlag, Rutschungen, Felssturz und Murgang werden Gefahrenkarten nach
dem Vorbild der Lawinenkarten erarbeitet.
Restrisiko akzeptieren und managen
Es wird dem Menschen im Alpenraum nie gelingen, alle Naturgefahren zu
kontrollieren. Ein Restrisiko bleibt. Gerade der Lawinenwinter 1999 zeigt,
dass sich Lawinen nicht in jedem Fall vorhersehen lassen, trotz grosser
Erfahrung und wissenschaftlicher Modelle über das Verhalten der
Schneedecke. Deshalb braucht es ein ganzheitliches Risikomanagement. Das
heisst: Mit verhältnismässigen Kosten soll ein Maximum an Schutz erzielt
werden. Zum Beispiel bei der Sicherheit des Verkehrs, der in den Alpen
ständig zunimmt. Hier muss abgewogen werden, wo zusätzliche Lawinen
-verbauungen notwendig sind, und wo dank optimaler Frühwarnung die Gefahr
reduziert und Strassensperrungen in Kauf genommen werden können.
Der billigste Lawinenschutz ist der Schutzwald. Trotz Rekord-Schneemengen
sind aus dem Lawinenwinter 1998/99 praktisch keine Lawinenanrisse aus
bewaldetem Gebiet bekannt. Die Sturmschäden des Orkans "Lothar" bedeuten
für diesen Winter kein erhöhtes Lawinenrisiko, sofern nicht wieder eine
Rekord-Schneemenge fällt. Damit der Wald auch in Zukunft seine
Schutzfunktion erfüllt, muss er nachhaltig gepflegt und verjüngt werden.
Das ist eine Daueraufgabe. Wegen der tiefen Holzpreise zahlt sich die
Waldpflege für die Waldbesitzer heute nicht mehr aus. Um den Schutz der
Siedlungen und der Verkehrswege im Alpenraum längerfristig aufrecht zu
erhalten, ist deshalb ein kontinuierliches finanzielles Engagement des
Bundes und der Kantone notwendig.
Schäden am Schutzwald durch Orkan "Lothar"
"Lothar" hat einige Schutzwälder stark beschädigt, zum Beispiel am
Stanserhorn oder im Kandertal. Aber auch das umgeworfene Holz verhindert
das Anreissen von Lawinen. Deshalb besteht keine erhöhte Lawinengefahr,
sofern nicht wieder extreme Schneemengen fallen. An gewissen Standorten
kann sich aber als Folge von Bodenerosion das Risiko von Steinschlag und
Rutschungen erhöhen. Im Einzugsgebiet von Wildbächen könnte das Sturmholz
selbst zu einer Bedrohung werden. Deshalb muss von Fall zu Fall geprüft
werden, ob Schutzmassnahmen getroffen werden müssen. Der Umfang der
Schäden am Schutzwald kann zur Zeit noch nicht genau beziffert werden.
Bern, 11. Januar 2000
UVEK Eidgenössisches Departement für
Umwelt, Verkehr, Energie, Kommunikation
Pressedienst
Auskünfte:
Peter Greminger, Bereichsleiter Schutzwald und Naturgefahren, Eidg.
Forstdirektion, Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL), Tel.
031 324 78 61.
Walter Ammann, Leiter des Eidg. Institutes für Schnee- und Lawinenforschung
(SLF) Tel. 081 417 02 31 / 01 739 22 06
Reto Baumann, Bereich Schutzwald und Naturgefahren, Eidg. Forstdirektion,
Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL), Präsident der Eidg.
Kommission für Lawinen und Steinschlag, Tel. 031 324 78 38
Informationsdienst des Bundesamtes für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL),
Tel. 031 322 93 56
Spezialisten aus den betroffenen Regionen:
Charly Wuilloud, Chef Sektion Naturgefahren, Kt. Wallis, Tel. 027 606 32 25
Thomas Rageth, Kreisförster Kt. Glarus und Präsident der Forstlichen
Arbeitsgruppe für Naturgefahren, Tel. 055 646 67 41
Wo kann die Publikation "Leben mit dem Lawinenrisiko" bestellt werden?
Weitere Exemplare in drei Landessprachen sind erhältlich bei: BBL/EDMZ,
3003 Bern, Fax 031 325 50 58, E-Mail: verkauf.zivil@edmz.admin.ch