Schweizer Wappen

CONFOEDERATIO HELVETICA
Die Bundesbehörden der Schweizerischen Eidgenossenschaft

Homepage
Mail
Suche

Sicherheit durch Kooperation - Der Bevölkerungsschutz als neue zivile Gesamtstruktur

3003 Bern, 27. September 1999

Presserohstoff
Sicherheit durch Kooperation
Der Bevölkerungsschutz als neue zivile Gesamtstruktur

Mit der veränderten sicherheitspolitischen Lage in und um Europa drängt sich
nicht nur für die Armee, sondern auch für den zivilen Bereich ein
Strategiewechsel auf. Aufgrund einer differenzierteren Berücksichtigung der
Risiken und Gefahren hat sich der Bevölke-rungsschutz primär auf
Katastrophen und Notlagen auszurichten. Die Verknappung der finanziellen
Mittel verlangt zudem eine engere Kooperation und ein Abbau von
Doppelspu-rigkeiten. Als zivile Gesamtstruktur soll der Bevölkerungsschutz
einfacher, effizienter und flexibler werden.

Notwendige Neuausrichtung
Die 95er-Reformen gingen unter den damaligen Voraussetzungen sicher in die
richtige Richtung. Sie berücksichtigten allerdings die tiefgreifenden
sicherheitspolitischen Folgen der Ereignisse vom Herbst 1989 erst in
Ansätzen. Zwar kam damals für den Zivilschutz - neben der Bewältigung von
bewaffneten Konflikten - als weiterer Hauptauftrag die Hilfeleistung bei
natur- und zivilisati-onsbedingten Katastrophen und Notlagen hinzu. Die
Organisation wurde gestrafft und Verbund-lösungen mit Partnerorganisationen,
vor allem mit den Feuerwehren, angestrebt. Die Mittel, Strukturen und
Bestände des Zivilschutzes blieben aber in erster Linie auf die Bewältigung
eines kriegerischen Grossereignisses - unter Einsatz von Nuklearwaffen -
ausgerichtet.
Das heutige sicherheitspolitische Umfeld erfordert eine Neugewichtung der
beiden Hauptaufträ-ge. Kriegerische Ereignisse sind aufgrund der langen
Vorwarnzeiten derzeit wenig relevant. Der damit entstandene zeitliche
Spielraum erlaubt eine Herabsetzung der Einsatzbereitschaft für den Fall
bewaffneter Konflikte. So soll mit minimalen Massnahmen nur noch die
Aufwuchsfähigkeit, d.h. das Hochfahren von Beständen, der notwendigen
Ausrüstung und Ausbildung sichergestellt werden. Für die heutige
Planungsperspektive bilden primär natur- und zivilisationsbedingte
Katastrophen und Notlagen das Einsatz- und damit das
Ausbildungsschwergewicht.

Zivile Gesamtstruktur
Die Grundlagen für das Konzept des Bevölkerungsschutzes finden sich im
sicherheitspolitischen Bericht des Bundesrates, der die Überschrift
“Sicherheit durch Kooperation” trägt. Ziel ist der Auf-bau einer zivilen
Gesamtstruktur auf der Stufe Kanton, Region und Gemeinde für Führung,
Schutz, Rettung und Hilfe. Sie besteht auf modular aufbaubaren und zum
grossen Teil bereits im Alltag vorhandenen Mitteln wie der Polizei, der
Feuerwehren, der technischen Werke und Betrie-be und des Sanitäts- und
Rettungsdienstes. Der Zivilschutz wird mit seinen Kernaufgaben in den
Bevölkerungsschutz integriert.
Der neue Begriff “Bevölkerungsschutz” kann die Meinung erwecken, dass etwas
völllig Neues geschaffen wird. Dies trifft nur bedingt zu. Das Konzept baut
auf Bestehendem sowie auf den be-reits 1995 in die Wege geleiteten Reformen
auf. Bevölkerungsschutz ist das, was manche Kanto-ne unter Ausnutzung ihres
Spielraums seither organisatorisch vorangetrieben haben.
Ein wichtiges Ziel der Reform besteht darin, das bisherige Nebeneinander der
verschiedenen Partnerorganisationen in eine enge Kooperation umzuwandeln.
Mögliche Synergien sollen in Zu-kunft noch konsequenter als bis anhin
genutzt werden. Durch den Abbau von Doppelspurigkeiten kann letztlich mit
weniger Mitteln gleichviel erreicht werden.
Der Wechsel zum Bevölkerungsschutz verlangt gesamthaft gesehen weniger eine
grosse Dok-trinschöpfung als vielmehr ein Umdenken, eine Mentalitätswandel
bei allen beteiligten Partneror-ganisationen.
Eine zivile Führung
Im Sinne eines Abbaus von Doppelspurigkeiten und einer Effizienzsteigerung
wird es auf Stufe Kanton, Region und Gemeinde nur noch ein einziges, durch
die politische Exekutive legitimiertes Führungsorgan geben. Das heisst
konkret, dass das heutige zivile Führungsorgan, das Kom-mando der Feuerwehr
und die Leitung der Zivilschutzorganisation zusammengelegt werden.

Das zivile Führungsorgan ist für die gesamtheitliche Beurteilung der Risiken
und Gefahren und grundsätzliche Anordnungen zuständig. Es koordiniert die
Ausbildung der verschiedenen Mittel und trägt im Einsatz die
Führungsverantwortung. Die Gesamtverantwortung liegt bei der Exekuti-ve.
Das zivile Führungsorgan verfügt im Einsatz über die sogenannte
Führungsunterstützung. Zu ihr gehören die Information, die Alarmierung und
die Verbreitung von Verhaltensanweisungen an die Bevölkerung, das Lagewesen
(bisher: Nachrichtenwesen), die Übermittlung, der AC-Schutz und die
logistische Koordination. Personell wird die Führungsunterstützung primär
aus Mitteln des heutigen Zivilschutzes gebildet.

Fünf Aufgabenbereiche
Der Bevölkerungsschutz deckt als zivile Gesamtstruktur fünf Aufgabenbereiche
ab. Diese basie-ren auf teils professionellen und bereits im Alltag
vorhandenen Mitteln. Die einzelnen Aufgaben-bereiche sind so strukturiert,
dass sie je nach Bedarf modulartig aufgebaut werden können.

Sicherheit und Ordnung: Im Rahmen des Bevölkerungsschutzes löst die Polizei
in diesem Be-reich die anfallenden Aufgaben. Zu ihrer Unterstützung können
in bestimmten Fällen - neben bewaffneten Formationen der Armee - auch
Angehörige oder Formationen des Bevölkerungs-schutzes für unbewaffnete
Einsätze (z. B. Absperrungen, Verkehrsregelungen usw.) eingesetzt werden.
Rettung und Brandbekämpfung: Die Zuständigkeit für diesen Aufgabenbereich
liegt bei den Feu-erwehren. Sie bilden, zusammen mit der Polizei und dem
sanitätsdienstlichen Rettungswesen, auch das Ersteinsatzmittel.
Sicherstellung der technischen Infrastruktur: Die Aufgabenbereich wird
eigenverantwortlich durch die zuständigen Werke und Betriebe, Bauämter usw.
wahrgenommen. Je nach Bedarf können sie durch Mittel des
Bevölkerungsschutzes unterstützt werden.
Betreuung und Kulturgüterschutz: Dieser Aufgabenreich wird durch die
bisherigen Dienste der Zivilschutzorganisation - allerdings mit
strukturellen Anpassungen - abgedeckt. Der Bereich Be-treuung stellt, in
enger Zusammenarbeit mit Behörden und privaten Organisationen, die
Unter-bringung und Betreuung von Obdachlosen und schutzsuchenden Personen
sicher. Der Kultur-güterschutz sorgt im Ereignisfall für die Evakuation oder
den Schutz der Kulturgüter.
Gesundheit und Sanität: In diesem Bereich erfolgt eine vollständige
Neuorientierung. Die Verant-wortung für die sanitätsdienstliche Versorgung
liegt bei den Gesundheitsbehörden der Kantone. Die anfallenden Aufgaben
werden in erster Linie durch das öffentliche Gesundheitswesen und das
sanitätsdienstliche Rettungswesen wahrgenommen. Zur Unterstützung stellt der
Bevölke-rungsschutz Module an Personal und Ausrüstung zur Verfügung.

Unterstützung durch die Armee
Auch in Zukunft wird die Armee subsidiäre Unterstützung leisten. Diese kommt
dann zum Tragen, wenn die zivilen Mittel und Möglichkeiten des
Bevölkerungsschutzes - inklusiv diejenigen aus der interkantonalen
Zusammenarbeit - ausgeschöpft sind.
Von der Armee werden subsidiäre Sicherungseinsätze, Katastrophenhilfe und
falls notwendig all-gemeine Unterstützungseinsätze erwartet. Bei den
bewaffneten Sicherungseinsätzen steht der Einsatz zum Schutz von Personen,
Gebäuden und Sachen sowie der Grenzpolizeidienst im Vor-dergrund. Für die
Katastrophenhilfe ergibt sich der Bedarf an Armeeformationen bei
grossräumi-gen, die Bevölkerung schwerwiegend treffenden Ereignissen: Natur-
und zivilsationsbedingte Katastrophen sowie bewaffnete Konflikte. Für
allgemeine Unterstützungseinsätze - z. B. Stras-sen- und Lufttransporte oder
Genieeinsätze - stellt die Armee keine speziellen Mittel bereit.
Für die Kantone bedeutet diese Lösung, dass sie mehr Eigenverantwortung und
Eigenleistung in den Bereichen Sicherheit und Ordnung sowie
Katastrophenhilfe zu erbringen haben. Sie bedingt zudem eine verstärkte
interkantonale Zusammenarbeit.

Aufgabenteilung Bund und Kantone
Die Zuständigkeit und die Verantwortung für den Bevölkerungsschutz wird
primär bei den Kanto-nen liegen. Angestrebt wird ein möglichst dezentrale
Aufgabenteilung zwischen Bund und Kanto-nen. Dies bedeutet, dass die Kantone
den Bevölkerungsschutz in ihrem Zuständigkeitsbereich selbständiger und
eigenverantwortlicher aufbauen und umsetzen können als bisher. Dies betrifft
vor allem den heutigen Zivilschutz. Die anderen Mittel wie etwa die
Feuerwehr oder das öffentli-che Gesundheitswesen liegen bereits heute im
Kompetenzbereich der Kantone.

Unbestritten ist die verfassungsmässige Zuständigkeit des Bundes bei
bewaffneten Konflikten. Dies gilt auch für die Bewältigung bestimmter
Ereignisse in ausserordentlichen Lagen wie z. B. Verstrahlungslagen,
Epidemien oder schwere Erdbeben. Der Bund wird für diese Ereignisse den
Kantonen die zu erbringenden Leistungen vorgeben.
Für die Bewältigung von Alltags- und Grossereignissen sind die Kantone
zuständig und verant-wortlich. Diese Zuständigkeit gilt umfassend, d. h. für
alle Mittel des Bevölkerungsschutzes, für deren Bereitschaft und für die
Führungsorganisation. Die Kantone regeln zudem die interkanto-nale
Zusammenarbeit, allenfalls mittels Konkordatslösungen.

Fragen der Finanzierung und des Finanzausgleichs können erst angegangen
werden, wenn die neue Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen konkret
geregelt ist. Die anteilsmässige Ge-samtbelastung des Bundes einerseits und
der Kantone andererseits soll aber im Gesamtbereich Armee und
Bevölkerungsschutz grundsätzlich gleich bleiben.

Dienstpflicht und Ausbildung
Am Milizprinzip und damit an der Dienstpflicht wird festgehalten. Angestrebt
wird das sogenannte “Zwei-Säulen-Prinzip”: In Zukunft soll die Dienstpflicht
entweder in der Armee oder im Bevölke-rungsschutz - die Feuerwehren mit
eingeschlossen - geleistet werden können.
Die Neuausrichtung des Bevölkerungsschutzes auf Katastrophen und Notlagen
erlaubt, die Be-stände markant zu reduzieren. Damit wird gleichzeitig eine
Senkung des Dienstpflichtalters möglich.

Als zukünftige Lösung wird eine gemeinsame Dienstpflicht für alle
Milizelemente des Bevölke-rungsschutzes angestrebt. Dies betrifft vor allem
die Angehörigen des heutigen Zivilschutzes und der Feuerwehren. Als
Kompensation für die heutige Feuerwehrpflicht-Ersatzabgabe, die eine
wichtige finanzielle Ressource der Feuerwehren darstellt, wird die
Einführung einer Bevölke-rungsschutz-Ersatzabgabe geprüft.
Die Schaffung einer gemeinsamen Dienstpflicht bedingt eine Revision der
Bundesverfassung so-wie Anpasssungen der kantonalen Rechtsgrundlagen. Aus
diesem Grund kann dieses Dienst-pflichtsystem erst nach dem Beginn der
Umsetzung des Bevölkerungsschutzes im Jahr 2003 ein-geführt werden. Als
Übergangslösung werden die heutigen Dienstpflichtregelungen
(Schutzdienstpflicht auf Stufe Bund, Feuerwehrdienstpflicht auf Stufe
Kanton) beibehalten. Aller-dings sind Anpassungen, unter anderem im Bereich
der heute unbefriedigend gelösten Frage der Ersatzabgaben vorzunehmen (z. B.
Reduktion der Feuerwehrpflicht-Ersatzabgabe für geleistete Diensttage der
heutigen Zivilschutzangehörigen).

Die Ausbildung des Bevölkerungsschutzes wird konsequent auf die Bewältigung
von natur- und zivilsationsbedingten Katastrophen und Notlagen ausgerichtet
und intensiviert. Damit sollen für die Führungsorgane und die
Pikett-Elemente Einsätze “aus dem Stand” sichergestellt werden.
Im Ausbildungsbereich sind Synergien unter den Partnerorganisationen des
Bevölkerungsschut-zes und mit der Armee optimal zu nutzen. Dabei ist von
bereits vorhandenem Ausbildungs-Know-how sowie von Rentabilitätsüberlegungen
auszugehen.