Stärken und Schwächen der Schweizer Forstpolitik
MEDIENMITTEILUNGInternationale Studie über Schweizer ForstpolitikStärken und Schwächen
der Schweizer ForstpolitikEine Gruppe international anerkannter Experten hat im
Auftrag der Eidgenössischen Forstdirektion die Nachhaltigkeit in der schweizerischen
Forstpolitik untersucht. Der Schweizer Wald steht in bezug auf Fläche und Zustand
gut da. Trotzdem deckt die Studie Mängel vor allem bei der Wirtschaftlichkeit der
Nutzung von Wald und Holz sowie bei der Erhaltung der Artenvielfalt auf. Das Bundesamt
für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) will die in der Studie angeführten Schwächen
im Rahmen der künftigen Forstpolitik korrigieren.Die Eidgenössische Forstdirektion
des BUWAL hat eine Gruppe international anerkannter Experten damit beauftragt, die
nachhaltige Bewirtschaftung der Wälder in der Schweiz unter die Lupe zu nehmen (vgl.
Kasten 1). Erstmals in Europa berücksichtigten externe Experten bei einer solchen
Überprüfung neben den ökologischen auch die ökonomischen und sozialen Aspekte der
Waldbewirtschaftung (vgl. Kasten 2). Die Untersuchung liefert wertvolle Impulse
für die nationale Forstpolitik, die das Prinzip der nachhaltigen Entwicklung in
Zukunft konsequent umsetzen will.Das Gutachten bringt folgende Schwächen der schweizerischen
Forstpolitik ans Licht:- Forstliche Ressourcen: Die Massnahmen zur Walderhaltung
sind darauf ausgerichtet, die Bedrohung des Bestandes abzuwehren. Vor allem in
den Bergregionen hat die Waldfläche im vergangenen Jahrzehnt auf Kosten von subalpinen
Weiden zugenommen, was weder gewollt ist noch hinterfragt wird. Zielsetzungen
und Instrumente für eine sinnvolle Planung der Waldflächenzunahme fehlen bislang
in der schweizerischen Forstpolitik. - Gesundheit und Vitalität: Es sind noch
zusätzliche umweltpolitische Massnahmen nötig, um die Emission von Schadstoffen
weiter zu reduzieren. Die beschlossenen forstpolitischen Massnahmen müssen in
Zukunft konsequenter durchgesetzt, verbessert und überwacht werden, um der zunehmenden
Überalterung des Schweizer Waldes wirksam entgegen treten zu können. Die Schaffung
von Waldreservaten, naturnaher Waldbau, Weiterführung von Vorbeugungsmassnahmen
gegen Schädlinge, Überwachung des Gesundheitszustandes und die konsequente Verjüngung
der alternden Bestände sollen helfen, die Biodiversität im Wald, eine günstige
Altersstruktur, eine nachhaltige Holzproduktion sowie stabile und schützende Wälder
im Gebirge zu fördern.- Nutzfunktion: Vor allem in bezug auf die nicht-forstlichen
Produkte des Waldes (z.B. Waldfrüchte, Pilze, Jagd) besteht ein Informationsdefizit.
Die Studie fordert, dass in Zukunft periodisch systematische Daten zu diesen Produkten
erhoben, analysiert und veröffentlicht werden sollen. Waldbesitzer sollen für
die auf ihren Grundstücken anfallenden Nicht-Holz-Produkte (z. B. Dienstleistungen
wie Schutzfunktion oder Erholungsfunktion) Entschädigungen erhalten. Im Mittelland
sollen keine weiteren Waldstrassen mehr erstellt werden.- Biodiversität: In diesem
Bereich fehlen nach wie vor klare politische Ziele, Vollzugsanweisungen und funktionsfähige
Einrichtungen, obwohl die Bedeutung der Biodiversität allgemein anerkannt wird.
Forstliche oder landwirtschaftliche Nutzung bedrohen die Waldränder, weshalb das
eidgenössische Waldgesetz von den Kantonen fordert, Minimaldistanzen zwischen
Waldrändern und Gebäuden festzulegen.- Schutzfunktion: Die forstpolitischen Massnahmen
wollen die überalterten Schutzwälder verjüngen. Sie scheinen jedoch nicht zu greifen.
Die Überalterung der Schutzwälder wird in Zukunft Probleme aufwerfen. Deshalb
müssen die Bemühungen, die Stabilität der Schutzwälder zu erhalten, intensiviert
werden, was jedoch innovative Ansätze bedingt.- Sozio-ökonomische Funktionen und
Bedingungen: Die Wirtschaftlichkeit der Forstbetriebe muss verbessert werden.
Anstelle der forstlichen Kleinbetriebe sollten grössere Wirtschaftseinheiten treten
(z. B. durch freiwillige Betriebszusammenschlüsse). Es fehlen klare Ziele. Die
allzu zahlreichen und detaillierten Vorschriften sowie der zu hohe Ansatz an Subventionen
verhindern einen effizienten Einsatz der öffentlichen Beiträge. Forstliche Arbeiten,
die nur auf die Holzproduktion ausgerichtet sind, sollten nicht subventioniert
werden. Der Frauenanteil in Forstberufen ist zu erhöhen. Dazu müssen die Ein-
und Aufstiegschancen in forstlichen Berufen überprüft und allenfalls angepasst
werden. Das Gutachten führt folgende Stärken der schweizerischen Forstpolitik an:-
Forstliche Ressourcen: Das zunehmende Wachstum der Siedlungen und der Ausbau der
Verkehrsinfrastruktur stellen die grössten Bedrohungen für den Waldbestand dar.
Die gegenwärtige Forstpolitik will die Waldfläche nicht reduzieren. Waldboden
bleibt Wald und muss nach Waldbränden oder ähnlichen Ereignissen wiederhergestellt
werden. Als Gegenleistung für eine Rodungsbewilligung muss in derselben Region
eine entsprechende Fläche mit standortgemässen Baumarten aufgeforstet werden.
Kahlschläge sind verboten.- Gesundheit und Vitalität: Die Reduktion von Schadstoffen
in der Luft ist für die Gesundheit der Wälder sehr wichtig. Die Schweiz hat in
den vergangenen Jahren grosse Anstrengungen unternommen, um die Emission von Schadstoffen
zu reduzieren. Dies ist eine äusserst positive Leistung, vor allem wenn man den
hohen Grad der Industrialisierung in der Schweiz berücksichtigt.- Nutzfunktion:
Der schweizerische Wald ist durch Waldstrassen sehr gut erschlossen. Dies erleichtert
forstliche Eingriffe.- Schutzfunktion: Der Wald ist für den Schutz von menschlichen
Siedlungen vor Naturereignissen sehr wichtig - vor allem im Berggebiet. Das neue
Waldgesetz richtet die Bewirtschaftung und den Waldbau in Schutzwäldern primär
auf die Erhaltung der Schutzfunktion und nur in geringerem Mass auf die Produktion
von Holz aus.- Sozio-ökonomische Funktionen und Bedingungen: Die wirtschaftliche
Bedeutung des Forstsektors hat in der Schweiz das tiefste Niveau seit dem 2. Weltkrieg
erreicht. Trotzdem verfügt die Schweiz im Forstsektor über gut ausgebildetes Personal,
welches alle Bewirtschaftungsaufgaben erfüllen kann. Das BUWAL will die angeführten
Mängel im Rahmen der künftigen Forstpolitik beheben.Bern, 12. Juli 1999Bundesamt
für Umwelt, Wald und LandschaftInformationsdienstAuskünfteAndrea Semadeni, Abteilungschef,
Eidg. Forstdirektion, Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL), Tel. 031
324 77 82, Fax 031 324 78 66Publikationen- Gutachten über die Nachhaltigkeit in
der Schweizerischen Forstpolitik, Schlussbericht, 1999. (provisorischer Titel)-
Gutachten über die Nachhaltigkeit der Schweizerischen Forstpolitik, Hintergrundbericht,
1999. (provisorischer TitelKasten 1Die ExpertengruppeDie Expertengruppe bestand
aus folgenden Personen:- Professor Peter Glück, Universität für Bodenkultur, Wien
(Vorsitz)- Dr. Jag Maini, Sekretär des Intergovernmental Forum on Forests, New York-
Pekka Patosaari, Berater für Agrar- und Forstwirtschaft, Botschaft von Finnland,
London- Stefan Leiner, WWF, Verantwortlich für die europäische Forstpolitik, Brüssel-
Frank Flasche, später Jean-Marie Barbier, Europäischer Verband der Waldbesitzer,
Brüssel- Professor Davide Pettenella, Universität von Padua, ItalienDiese Expertengruppe
vereinigte Kenntnisse und Kompetenzen in den drei "Pfeilern" der Nachhaltigkeit
(Ökonomie, Ökologie und Soziales) und ermöglichte damit eine ausgewogene Begutachtung
der Schweizerischen Forstpolitik.Kasten 2Kriterien und Indikatoren der nachhaltigen
WaldbewirtschaftungIm Rahmen der europäischen Ministerkonferenzen zum Schutz des
Waldes in Europa sind zur Beurteilung der nachhaltigen Entwicklung der Wälder die
folgenden Kriterien festgelegt worden:1. Erhaltung und angemessene Steigerung der
Waldressourcen und ihr Beitrag zu den globalen Kohlenstoffzyklen2. Erhaltung
von Gesundheit und Vitalität des Ökosystems Wald3. Erhaltung und Förderung der Nutzfunktion
der Wälder4. Erhaltung, Schutz und angemessene Förderung der Biodiversität in Waldökosystemen5.
Erhaltung und angemessene Förderung der Schutzfunktion in der Waldbewirtschaftung
(insbesondere Boden und Wasser)6. Erhaltung weiterer sozio-ökonomischer Funktionen
und BedingungenDie Fortschritte in Richtung dieser Ziele werden mittels quantitativer
und deskriptiver Indikatoren beschrieben.