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Entscheide zu Unterbringung und Rückkehr der Kriegsvertriebenen

Entscheide zu Unterbringung und Rückkehr der Kriegsvertriebenen

Der Bundesrat hat am Mittwoch ein Rückkehr- und
Wiedereingliederungsprogramm für Kriegsvertriebene aus dem Kosovo
bewilligt und seine Positionen für die nationale Asylkonferenz vom
1. Juli 1999 festgelegt

Situation im Asylbereich

In der Schweiz haben in den ersten fünf Monaten des laufenden Jahres
20'264 Personen um Asyl ersucht. Im Vergleich mit der entsprechenden
Periode des Vorjahres bedeutet dies eine Zunahme um 64,5 Prozent. Der
Trend deutet auf einen weiteren Anstieg der Gesuchszahlen hin. Während
von Januar bis April 4'175, 3'834, 3'863 und 3'405 neue Asylsuchende
registriert wurden, waren es im Mai bereits 5'030. Im Juni dürften Werte
erreicht werden, wie sie nach dem Zweiten Weltkrieg nie mehr verzeichnet
wurden. Bis Mitte des Monats wurden 4'624 Personen gezählt, sodass für
den ganzen Monat Juni mit bis zu 9'000 Asylgesuchen gerechnet wird.

Dank der getroffenen Vorbereitungen konnte die Unterbringungskapazität
in den Empfangsstellen des Bundes von 1'000 auf 4'500 Betten erhöht
werden. Zudem wurde das Verfahren der Registrierung weiter beschleunigt.
Mit diesen Massnahmen und der Hilfe von Kantonen, Gemeinden und Privaten
gelang es bisher selbst an Tagen mit über tausend neuen Asylsuchenden,
Obdachlosigkeit zu vermeiden. Es werden alle Anstrengungen unternommen,
damit dies auch in Zukunft so bleibt.

Perspektiven

Der Trend hoher Gesuchszahlen dürfte in den nächsten Wochen trotz
Einmarsches der KFOR-Truppen im Kosovo anhalten. Die Zahl von täglich
1'000 neu eintreffenden Kriegsvertriebenen in Süditalien bestätigt diese
Einschätzung. Die längerfristige Perspektive hängt eng mit den
Fortschritten bei der Minenräumung, beim Wiederaufbau sowie bei der
Versorgung des Kosovo mit Lebensmitteln und andern dringend benötigten
Hilfsgütern zusammen. Wenn es in den kommenden vier Monaten vor dem
Wintereinbruch nicht gelingt, für die rund 1,5 Millionen
Kriegsvertriebenen in der Krisenregion wintersichere Unterkünfte zu
schaffen und die Grundversorgung sicherzustellen, werden im Herbst in
grossem Umfang neue Wanderungsbewegungen nach Westeuropa stattfinden.
Der Hilfe vor Ort kommt deshalb absolute Priorität zu.

Unterbringung von Asylsuchenden

Der Bundesrat hat nach Konsultation mit Vertreterinnen und Vertretern
kantonaler Direktorenkonferenzen beschlossen, an der bestehenden
Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen festzuhalten. Eine direkte
Zuteilung von Asylsuchenden an die Kantone ohne vorgängige Registrierung
und grenzsanitarische Untersuchung in den Empfangsstellen des Bundes
soll mit Blick auf die Gesundheitsrisiken und die administrative
Belastung kantonaler Behörden nicht erfolgen. Ebenso wenig kann der Bund
bei einer Überlastung der Kantone die dauernde Unterbringung von
Asylsuchenden übernehmen. Der Bundesrat  empfiehlt den dafür zuständigen
Kantonen, bestehende Notstrukturen wie Zivilschutzunterkünfte zu
verwenden oder selbst grössere Gemeinschaftsunterkünfte zu errichten und
zu betreiben.

Der Bund unterstützt die Kantone wie folgt:

Der Bund kann die Kantone bei Spitzenbelastungen dadurch unterstützen,
dass er seine eigenen Unterbringungskapazitäten erhöht. Das erreicht er,
indem er die Asylgesuchsteller während einer gewissen Dauer in seinen
Empfangsstellen bzw. in den Unterkünften des Bundes unterbringt
("Warteraum").

Der Bund kommt den Kantonen auch entgegen, indem er ihnen wenig genutzte
militärische Anlagen und Militärunterkünfte - sofern er sie nicht selber
benötigt - zur Verfügung stellt. Diese Unterkunftsbewirtschaftung von
verfügbaren Räumlichkeiten bei Bund und Kantonen wird bereits heute
flexibel gehandhabt. Demgegenüber erwartet der Bund, dass Kantone und
Gemeinden ihm bei Bedarf Zivilschutzunterkünfte in der Umgebung von
Empfangsstellen für die Erstunterbringung zur Verfügung stellen.

Diese "Warteräume" sollen auch der Entlastung der Empfangsstellen
dienen. Für ausserordentliche Situationen plant der Bund die Schaffung
einer grösseren Gemeinschaftsunterkunft.  Dort sollen Asylsuchende
untergebracht werden, wenn die Zahl der neu eintreffenden
Kriegsvertriebenen selbst mit den ausgebauten Empfangsstellen-Strukturen
nicht mehr zu bewältigen ist. Gleichzeitig wird das zwischen Bund und
Kantonen eingeführte Meldesystem in Bezug auf verfügbare Unterkünfte in
der Nähe der Empfangsstellen weitergeführt. Es soll dazu beitragen, dass
bei Bedarf innert Stunden neue Unterkünfte zusätzlich zu den
Empfangsstellen durch den Bund eröffnet werden können.

Rückkehr

Die Rückkehr der Kriegsvertriebenen wird in Absprache mit den
internationalen Organisationen geplant. Das UNO-Hochkommissariat für
Flüchtlinge (UNHCR) sieht vor, dass zunächst die innerhalb des Kosovo
vertriebenen Personen, danach jene aus den Nachbarstaaten und erst
zuletzt jene aus andern Aufnahmestaaten zurückkehren sollen. Angesichts
ihrer besonderen Betroffenheit drängt die Schweiz aber darauf, möglichst
früh mit einem Rückkehrprogramm beginnen zu können.

Der Bundesrat ist der Auffassung, dass es aufgrund der unklaren
rechtlichen Rahmenbedingungen, der Verminung und der Zerstörungen im
Kosovo problematisch sein wird, noch in diesem Jahr zwangsweise
Rückführungen von Kriegsvertriebenen aus dem Kosovo durchzuführen. Dies
mit einer wesentlichen Ausnahme: Wer in der Schweiz straffällig geworden
ist, soll in den Kosovo zurückgeführt werden, sobald dies technisch
wieder möglich ist.

Für alle andern Personen aus dem Kosovo sieht das vom Bundesrat
genehmigte Rückkehr- und Wiedereingliederungskonzept zwei Phasen vor: In
der ersten Phase soll ab 1. Juli 1999 die freiwillige Rückkehr gefördert
werden. Personen, die sich bereits im laufenden Jahr zur Rückkehr
entschliessen, erhalten individuelle Rückkehrhilfe. Sie umfasst einen
Barbetrag von 2'000 Franken und materielle Hilfe vor Ort, vor allem
Baumaterial.

In einer zweiten Phase sollen nach Aufhebung der kollektiven vorläufigen
Aufnahme die übrigen Kriegsvertriebenen im Zeitraum von rund drei Jahren
in den Kosovo zurückkehren. Wer pflichtgemäss ausreist, soll ebenfalls
von individuellen Rückkehrhilfen profitieren. Allerdings wird der Umfang
gegenüber der ersten Phase reduziert, um Anreize für eine möglichst
frühe Rückkehr zu schaffen. Die Leistungen werden aufgrund der
Erfahrungen der ersten Phase festgelegt.

Parallel zu beiden Phasen der Rückkehr leistet die Schweiz
Strukturhilfe. Sie konzentriert sich dabei auf die Bereiche Wohnungsbau,
Schulhäuser, Gesundheit, Trinkwasser und Landwirtschaft.

Um zu vermeiden, dass Kriegsvertriebene aus den Nachbarstaaten in die
Schweiz einreisen, um hier von Rückkehrhilfen zu profitieren, muss die
Teilnahme am Programm Personen vorbehalten bleiben, die vor dem 1. Juli
1999 in die Schweiz eingereist sind. Von dieser Befristung ausgenommen
sind jene Personen, die im Rahmen des UNHCR-Kontingentes einreisen. Das
Programm umfasst damit gegen 50'000 potentielle Teilnehmerinnen und
Teilnehmer und kostet unter Einschluss der Strukturhilfe rund 5'000
Franken pro Person. Auf lange Sicht wird dieser Betrag aber durch
wegfallende Fürsorgeleistungen mehr als kompensiert.

Die Ausreisefristen der zweiten Phase müssen gestaffelt werden, um die
Aufnahmefähigkeit des Kosovo nicht zu überfordern. Nach welchen
Kriterien die Staffelung erfolgt, wird der Bundesrat nach Konsultationen
mit dem UNHCR, den anderen Aufnahmestaaten und den Kantonen
voraussichtlich im August oder September entscheiden. Gleichzeitig wird
er festlegen, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit eine
Rückkehr der Kriegsvertriebenen wieder als zumutbar gilt und die
kollektive vorläufige Aufnahme aufgehoben werden kann.

Kontingentsaufnahme

Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement beschloss am 22. April
1999, gestützt auf eine Ermächtigung des Gesamtbundesrats, ein
Kontingent von 2'500 Kriegsvertriebenen aus den Flüchtlingslagern
Stankovac I und II in Mazedonien in der Schweiz aufzunehmen. Zwischen
dem 5. Mai und dem 15. Juni wurden in der Folge 1'687 Kriegsvertriebene
in die Schweiz überführt.

Mit der neuen Situation im Konfliktgebiet stellt sich die Frage, ob die
Evakuierungen weitergeführt werden sollen. Der Bundesrat hat vom
Ergebnis der Aussprache zwischen dem UNHCR und den Aufnahmestaaten vom
18. und 22. Juni 1999 Kenntnis genommen. In Übereinstimmung mit dem
UNHCR und den übrigen Staaten hat er beschlossen, die Kontingentsflüge
in der bisherigen Form einzustellen, das Kontingent aber trotzdem zu
erfüllen. Die restlichen 813 Plätze sollen dazu dienen, auf Ersuchen des
UNHCR Personen in der Schweiz aufzunehmen, die schwere gesundheitliche
Probleme haben oder als Härtefälle gelten müssen. Eine enge
Verwandtschaft mit Angehörigen in der Schweiz wird mitberücksichtigt.

Asylkonferenz vom 1. Juli 1999

Am 1. Juli 1999 treffen sich Bund und Kantone, um über ausserordentliche
Massnahmen zur Bewältigung der Aufgaben im Asylbereich zu beraten.
Vorgespräche mit Vertretern der kantonalen Direktorenkonferenzen fanden
bereits am 16. Juni statt.

Gegenstand der Beratungen werden vor allem folgende Themen sein:
· Das bereits erwähnte Unterbringungskonzept soll mit den Kantonen
besprochen werden. Auch die Frage einer Erhöhung der durch den Bund
finanzierten Betreuerstellen in den Kantonen wird  - angesichts der
stark erhöhten Zahl der Asylsuchenden - Gegenstand der Diskussion sein.
·  Arbeitsverbot / Beschäftigungsprogramme: Der Bundesrat zieht ein
Arbeitsverbot für neueinreisende Asylbewerber in Erwägung. Mit den
Kantonen sollen Vor- und Nachteile eines Verbotes und eine Befristung
besprochen werden. Um die allfälligen Nachteile eines Arbeitsverbotes
aufzufangen, zieht der Bundesrat Beschäftigungsprogramme in Erwägung.
· Zudem soll mit den Kantonen überprüft werden, ob die Visumpraxis
einzuschränken oder beizubehalten sei.
· In Zusammenarbeit mit der Erziehungsdirektorenkonferenz sollen
Lösungen zu Gunsten von schulpflichtigen Kindern aus dem Kosovo geprüft
werden.
·  Die Kantone sollen hinsichtlich Einsparungen bei den
Gesundheitskosten aufgefordert werden, die vorhandenen Möglichkeiten wie
die Einschränkung des  Zugangs zu Leistungserbringern, zu nutzen.

Der Bundesrat hat am Mittwoch seine Position im Sinne eines
Verhandlungsmandats zu all diesen Fragen festgelegt. Er hat eine
Delegation bestimmt, die den Bundesrat am 1. Juli 1999 vertreten wird:
Bundespräsidentin Ruth Dreifuss, Bundesrätin Ruth Metzler-Arnold und
Bundesrat Joseph Deiss.

Über die Ergebnisse der Asylkonferenz vom 1. Juli wird im Anschluss an
die Konferenz informiert.

Bern, 23. Juni 1999

Weitere Auskünfte:
Roger Schneeberger, Informationschef BFF, 031-325 93 50