Energiepolitische Weichenstellungen: Elektrizitätsmarktöffnung und Kernenergie
MEDIENMITTEILUNGEnergiepolitische Weichenstellungen: Elektrizitätsmarktöffnung und
KernenergieDer Bundesrat hat die Botschaft zum Elektrizitätsmarktgesetz (EMG) zuhanden
des Parlaments verabschiedet. Der Entwurf sieht eine schrittweise Öffnung des Elektrizitätsmarktes
vor. Sechs Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes soll der Elektrizitätsmarkt voll
liberalisiert sein. Im Hinblick auf die Totalrevision der Atomgesetzgebung hat der
Bundesrat wesentliche Vorentscheide getroffen. Gleichzeitig hat er den Verordnungsentwurf
über den Entsorgungsfonds für Kernkraftwerke ins Vernehmlassungsverfahren geschickt
und davon Kenntnis genommen, dass die Transporte von abgebrannten Brennelementen
in die ausländischen Wiederaufarbeitungsanlagen in nächster Zeit wieder aufgenommen
werden können.1. ElektrizitätsmarktgesetzMit dem Elektrizitätsmarktgesetz soll der
Strommarkt auf der Basis des geregelten Netzzugangs, des sogenannten Regulated Third
Party Access (TPA), geöffnet werden. Das heisst, dass die Betreiber von Elektrizitätsnetzen
verpflichtet sind, auf nicht diskriminierende Weise vertraglich Elektrizität für
berechtigte Kunden durch ihr Netz zu leiten. Dafür sollen sie eine angemessene Vergütung
erhalten.Die Liberalisierung soll gestaffelt und in der Weise erfolgen, dass der
Strommarkt sechs Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes vollumfänglich geöffnet ist.
In einer ersten Phase sollen die Grosskonsumenten mit einem Jahresverbrauch von
mehr als 20 Gigawattstunden ihren Strom bei einem Produzenten ihrer Wahl kaufen
können. Das sind in der Schweiz rund 110 Unternehmen. Zusätzlich sollen auch die
Verteilwerke Zugang zum Markt haben, und zwar im Umfang der Bezugsmengen für berechtigte
Kunden sowie im Umfang von 10 Prozent ihres Jahresabsatzes an feste Kunden. Damit
können auch die kleinen und mittleren Konsumenten von der Strommarktöffnung profitieren.
Nach drei Jahren soll der Schwellenwert für Grossverbraucher auf 10 Gigawattstunden
gesenkt und gleichzeitig der Umfang des Jahresabsatzes der Verteilwerke auf 20 Prozent
erhöht werden. Auf den Beginn des siebten Jahres soll der Elektrizitätsmarkt vollständig
geöffnet sein.Der Entwurf verlangt zudem, dass die Elektrizitätswirtschaft innert
drei Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes eine gesamtschweizerische Netzgesellschaft
errichtet. Eine solche ist erforderlich, damit der Strommarkt korrekt funktionieren
kann.Der Gesetzesentwurf enthält keine Bestimmungen bezüglich nicht amortisierbarer
Investitionen (NAI). Der Bundesrat lehnt eine Abgeltung der NAI im Bereich Kernenergie
ab. Die auf Einzelfälle beschränkte, restriktive Entschädigung bei Wasserkraftwerken
soll in dem sich in der parlamentarischen Beratung befindlichen Förderabgabebeschluss
geregelt werden.2. Totalrevision der AtomgesetzgebungDas Atomgesetz ist revisionsbedürftig;
zudem ist der Bundesbeschluss zum Atomgesetz befristet. Im Hinblick auf das neue
Kernenergiegesetz hat der Bundesrat folgende Vorentscheide getroffen:- Auf die Wiederaufarbeitung
der abgebrannten Brennelemente wird verzichtet, wobei die Kernkraftwerkbetreiber
die bestehenden privatrechtlichen Verträge erfüllen können.- Das UVEK setzt eine
Gruppe unabhängiger Experten ein mit dem Auftrag, bis Ende 1999 den Vorschlag
der Umweltorganisationen (kontrollierte und rückholbare Langzeitlagerung) inhaltlich
zu konkretisieren und mit dem Konzept geologische Endlagerung zu vergleichen.
Der Vorentwurf zum Kernenergiegesetz soll für die schwach- und mittelaktiven Abfälle
von der Endlagerung mit langer Rückholbarkeit ausgehen, wobei je nach dem Ergebnis
der Überprüfung durch die Expertengruppe das eine oder andere Konzept der nachfolgenden
Botschaft zugrunde gelegt werden soll. Das Entsorgungskonzept für die hochaktiven
Abfälle soll im Vorentwurf Kernenergiegesetz offen bleiben; der Bundesrat soll
darüber zu gegebener Zeit unter Berücksichtigung der technisch-wissenschaftlichen
Diskussion entscheiden.Das UVEK wird beauftragt, auf der Basis dieser Entscheide
den Vorentwurf zum Kernenergiegesetz zu bereinigen und in der zweiten Hälfte dieses
Jahres dem Bundesrat zur Eröffnung des Vernehmlassungsverfahrens zu unterbreiten.
Über die Frage einer allfälligen Befristung des Betriebs der bestehenden Kernkraftwerke
wird der Bundesrat nach den Sommerferien entscheiden.3. Verordnung über den Entsorgungsfonds
für KernkraftwerkeDie Finanzierung der Stilllegung der Kernkraftwerke und der Entsorgung
der radioaktiven Abfälle ist im geltenden Recht unterschiedlich geregelt. Seit 1984
werden die Kosten für die Stilllegung durch den Stilllegungsfonds sichergestellt.
Dieser Fonds wird durch jährliche Beiträge der Kernkraftwerkbetreiber gespiesen.Neu
soll eine vergleichbare Regelung für die Entsorgung der radioaktiven Abfälle eingeführt
werden. Nach dem Verordnungsentwurf werden sämtliche Entsorgungskosten, die nach
Betriebsende der jeweiligen Kernkraftwerke entstehen, durch den Entsorgungsfonds
sicher-gestellt. Die Kernkraftwerkbetreiber werden verpflichtet, jährliche Beiträge
an den Fonds zu leisten, so dass nach einem 40-jährigen Betrieb die erforderlichen
finanziellen Mittel im Fonds vorhanden sind. Die vor Betriebsende anfallenden Entsorgungskosten
sollen die Betreiber wie bis anhin direkt bezahlen. Die Vernehmlassungsfrist dauert
bis 15. September 1999.4. Transporte abgebrannter BrennelementeBeim Transport abgebrannter
Brennelemente in die ausländischen Wiederaufarbeitungsanlagen gab es in den vergangenen
Jahren erhebliche Überschreitungen der Kontaminationsgrenzwerte von Transportbehältern.
In deren Folge hat das Bundesamt für Energie (BFE) diese Transporte im Mai 1998
sistiert. In der Zwischenzeit hat die Hauptabteilung für die Sicherheit der Kernanlagen
(HSK) die Vorfälle zusammen mit den zuständigen Sicherheitsbehörden Deutschlands,
Frankreichs und Englands untersucht und die erforderlichen Massnahmen in die Wege
geleitet. Durch die Grenzwertüberschreitungen sind in der Schweiz keine gesundheitlichen
Folgen für die Bahnarbeiter oder die Bevölkerung aufgetreten. Selbst bei Messwerten,
die deutlich höher als die Grenzwerte liegen, kommt es im Zusammenhang mit den Transporten
laut HSK zu keinen gesundheitlichen Schädigungen. In ihrer Stellungnahme zu den
Kontaminationen bei Transporten abgebrannter Brennelemente kommt die HSK zum Schluss,
dass Häufigkeit und Ausmass von Grenzwertüberschreitungen in Zukunft durch zusätzliche
Massnahmen deutlich reduziert werden können - eine absolute Verhinderung ist jedoch
nicht erreichbar. Die HSK ordnet Massnahmen in technischer, radiologischer und organisatorischer
Hinsicht an, wie zum Beispiel regelmässige Hochdruckreinigungen der verwendeten
Behälter, Verbesserungen an den Qualitätssicherungssystemen der Versender, Spediteure,
Beförderer und Empfänger und eine Meldepflicht bei Grenzwertüberschreitungen. Der
Bundesrat hat davon Kenntnis genommen, dass das BFE beabsichtigt, in der zweiten
Hälfte dieses Jahres wieder Bewilligungen zum Transport abgebrannter Brennelemente
zu erteilen.Bern, 7. Juni 1999UVEK Eidgenössisches Departement fürUmwelt, Verkehr,
Energie, KommunikationPressedienstAuskünfte:- Elektrizitätsmarktgesetz: Renato Tami,
Bundesamt für Energie, Tel. 031/322 56 03- Kernenergiefragen: Dr. Werner Bühlmann,
Leiter des Rechtsdienstes, Bundesamt für Energie, Tel. 031 322 56 17Beilagen:-
Botschaft Elektrizitätsmarktgesetz- Vorentwurf Verordnung Entsorgungsfonds- Erläuternder
Bericht zur Vernehmlassung Verordnung Entsorgungsfonds- Stellungnahme der HSK zu
den Kontaminationen beim Transport abgebrannter Brennelemente: auf dem Internet
abrufbar unter www.hsk.psi.ch oder auf Anfrage erhältlich bei der HSK (Informationsdienst
Tel. 056/310 38 70) und beim Pressedienst UVEK (Tel. 031/322 55 11)