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Teil-Revision Raumplanungsgesetz (RPG)/ Medienkonferenz vom 11.01.1999

Es gilt das gesprochene Wort
Teil-Revision Raumplanungsgesetz (RPG) Medienkonferenz vom 11.01.1999

Statement Bundesrat Arnold Koller

Anrede

Die Teilrevision des Raumplanungsgesetzes, über die wir am 7.  Februar
abstimmen werden,verfolgt zwei Ziele: Sie will eine
landschaftsverträgliche Weiterentwicklung unserer Landwirtschaft
ermöglichen und zur Erhaltung unserer lebendigen Kulturlandschaft
beitragen.
Sie kennen die Ausgangslage: Innert der letzten zehn Jahre ist die Zahl
der landwirtschaftlichen Betriebe von rund 99'000 auf rund 79'500
geschrumpft. Das bedeutet jährlich rund 2000 Landwirtschaftsbetriebe
weniger und damit eine grosse Zahl von Bauten, die nicht mehr gebraucht
werden.
Das Umfeld, in dem sich unsere Landwirtschaft heute behaupten muss, ist
in Bewegung geraten und stellt unsere Bäuerinnen und Bauern vor immer
neue Herausforderungen. Herr Bundesrat Couchepin wird sich hiezu und zur
Bedeutung dieser Vorlage für die Landwirtschaft äussern. Vorab nur so
viel:
Will sich die Landwirtschaft in der modernen Industrie- und
Dienstleistungsgesellschaft behaupten können, müssen ihr unbedingt neue
Möglichkeiten eröffnet werden, um wettbewerbsfähig zu bleiben und
künftig vermehrt unternehmerisch tätig sein zu können.
Innovatives Unternehmertum velangt jedoch nach zusätzlichem Spielraum
für Eigeninitiative und Kreativität. Genau diesen Spielraum wollen
Bundesrat und Parlament unserer Landwirtschaft mit der Vorlage eröffnen.

Daneben stellt sich zwangsläufig die Frage, welche baulichen
Möglichkeiten die Landwirtschaft künftig haben muss, um die neuen
Herausforderungen bewältigen zu können; genau hier setzt die
Teilrevision des Raumplanungsgesetzes an.
Um der Landwirtschaft marktgerechtere Produktionsmethoden zu
ermöglichen, sollen in der Landwirtschaftszone künftig sämtliche Bauten
als zonenkonform bewilligt werden können, die für die Erzeugung
landwirtschaftlicher Produkte nötig sind - und zwar unabhängig davon, ob
die Produktion bodenabhängig oder bodenunabhängig erfolgt. Staatlich
gefördert wird freilich auch in Zukunft nur die bodenabhängige
Produktion.
Im Interesse einer gelebten Kulturlandschaft widerspricht es dem
gesunden Menschenverstand, bestehende Bauten, die in ihrer Substanz noch
erhalten sind und die man ohne Schaden für Natur und Landschaft anders
nutzen könnte, nur deshalb verfallen zu lassen, weil sie für die
Landwirtschaft nicht mehr benötigt werden. Hier bringt die
Revisionsvorlage klare Verbesserungen. Derartige Bauten sollen daher -
unter bestimmten Voraussetzungen - künftig zu landwirtschaftsfremden
Zwecken umgenutzt werden können.

Die Gesetzesvorlage bringt neu auch die ausdrückliche Verankerung des
Grundsatzes "Wohnen bleibt Wohnen". Das kantonale Recht kann in
landwirtschaftlichen Wohnbauten, die in ihrerSubstanz erhalten sind,
landwirtschaftsfremde Wohnnutzungen zulassen.

Landwirte, die ihren Betrieb ohne zusätzliche Einkommensquelle nicht
mehr aufrechterhalten könnten, erhalten die Möglichkeit, die nicht mehr
benötigten Gebäude zu betriebsnahen gewerblichen Zwecken umzunutzen.
Denkbar ist dabei etwa der Betrieb einer kleinen Schreinerei, einer
mechanischen Werkstätte für Landmaschinen oder der Einbau von
Wohnräumen, um "Ferien auf dem Bauernhof" anbieten zu können.
Und schliesslich sollen bestehende, schützenswerte Gebäude unter
restriktiven Voraussetzungen auch zu anderen als landwirtschaftlichen
Zwecken verwendet werden dürfen.
Für die Raumplanung birgt - mit Blick auf den verfassungsrechtlichen
Grundsatz, das Baugebiet vom Nichtbaugebiet zu trennen - jede Öffnung
der Landwirtschaftszone für nichtlandwirtschaftlich Zwecke
unbestrittenermassen ein gewisses Konfliktpotential in sich.
Bezüglich der Umsetzung der Motion Zimmerli ist denn auch immer wieder
von einer Gratwanderung gesprochen worden, galt es doch, einen gangbaren
Mittelweg zwischen den Forderungen nach grösstmöglicher Marktausrichtung
und nach grösstmöglicher Landschaftsschonung zu finden.
Bundesrat und Parlament haben sich daher intensiv darum bemüht, der im
Interesse der Landwirtschaft und einer gelebten Kulturlandschaft
unabdingbar erforderlichen Öffnung die nötigen Schranken zu setzen.
Das schwierige Unterfangen ist unseres Erachtens geglückt: Was heute
vorliegt, ist ein ausgewogener Kompromiss, der den unterschiedlichen
Interessen in hinreichendem Masse Rechnung trägt.
Die Gesetzesvorlage ist insbesondere - auch wenn dies von gegnerischer
Seite immer wieder behauptet wird - kein Freipass für die Zersiedelung
der Landschaft.
Eine "Ankurbelung" der Neubautätigkeit ausserhalb der Bauzonen ist
nämlich mit der in Frage stehenden Revisionsvorlage klarerweise nicht
verbunden.
Landwirtschaftsfremde Nutzungen werden nur in bestehenden Gebäuden
zulässig sein. Die vorhandene Bausubstanz darf zu diesem Zweck nicht
erweitert werden.
Die Erhaltung der Landschaft und des Erholungsraums ist und bleibt eine
zentrale Funktion der Landwirtschaftszone, der die Kantone im Rahmen
ihrer Planungen von Bundesrechts wegen Rechnung zu tragen haben.
Im Interesse des Landschaftsschutzes hat das Parlament beschlossen, dass
Bauten wie Hors-Sol-Gewächshäuser oder grössere Geflügel- und
Schweineställe ohne eigene Futtermittelbasis nur in jenen Gebieten
erstellt werden dürfen, die vom Kanton in einem Planungsverfahren hiefür
freigegeben worden sind. Die Kantone haben es somit in der Hand,
derartige Bauten nur dort zuzulassen, wo ihnen dies unter sorgfältiger
Abwägung sämtlicher auf dem Spiele stehender Interessen und mit Blick
auf die unterschiedlichen Empfindlichkeiten der Landschaft vertretbar
erscheint.
Es bleibt insbesondere möglich, grossflächige Landwirtschaftsgebiete der
bodenbewirtschaftenden Landwirtschaft vorzubehalten.
Räumliche Fehlentwicklungen lassen sich so wirkungsvoll vermeiden. Wir
sind überzeugt, dass die Kantone hier ihre Verantwortung wahrnehmen
werden. Frau Regierungsrätin Schneider, Präsidentin der Schweizerischen
Bau-, Planungs- und Umweltschutzdirektorenkonferenz, wird sich hierzu
äussern.
Um der Gefahr einer fortschreitenden Zersiedelung zu begegnen, soll die
Weiterverwendung ehemaliger landwirtschaftlicher Gebäude nur innerhalb
enger Grenzen möglich sein.
Die Schranken sind dabei so gesetzt, dass weder "Gewerbeinseln" auf der
grünen Wiese noch eine Fülle von zu Ferienhäusern umgebauten Ställen und
Scheunen zu gewärtigen sind:
Reine Gewerbebetriebe gehören - dies möchte ich hier ausdrücklich
betonen - auch weiterhin in die Bauzonen. Die landwirtschaftliche
Tätigkeit muss daher auch bei jenen Betrieben die Hauptsache bleiben,
die durch ein gewerbliches Standbein ergänzt werden. Neu-, An- oder
Aufbauten zu gewerblichen Zwecken sind nicht zulässig. Einer
Verselbständigung oder Abtrennung des nichtlandwirtschaftlichen
Nebenbetriebs steht das bäuerliche Bodenrecht entgegen.

Ebenso unbegründet ist die Befürchtung, die Landschaft werde durch eine
sehr starke Zunahme an Ferienhäusern zusätzlich zersiedelt.
Umnutzungen sind nämlich unter anderem nur zulässig, wenn sich die in
Frage stehende Baute für die neue Nutzung eignet und ihre äussere
Erscheinung und bauliche Grundstruktur - trotz der Umnutzung - im
wesentlichen unverändert bleiben. Ställe und Scheunen werden diese
Voraussetzungen kaum je erfüllen.

Aus der Sicht der Raumplanung darf ich somit festhalten, dass die
Gratwanderung, auf die wir uns mit der Umsetzung der Motion Zimmerli
begeben haben, geglückt ist. Die nötigen Sicherungen, die uns vor der
von verschiedener Seite befürchteten Zersiedelung des Landes bewahren
werden, sind eingebaut. Kantone und Bund werden sie allerdings
konsequent durchsetzen müssen.
Leider klaffen heute wegen des genannten Strukturwandels in der
Landwirtschaft Gesetz und Wirklichkeit immer mehr auseinander. Dem
können und dürfen wir nicht tatenlos zusehen. Wir dürfen das Feld auch
nicht ausschliesslich den Gerichten überlassen. Die massgeblichen
Leitlinien müssen vom Gesetzgeber festgelegt werden.
Die Revisionsvorlage schafft die nötige Klarheit und steckt den Rahmen
dessen, was künftig zulässig sein soll, deutlich und transparent ab.
Mit der Möglichkeit, bestehende Bauten landschaftsverträglich
weiternutzen zu dürfen, leistet die Revisionsvorlage überdies einen
wichtigen Beitrag, um unsere Kulturlandschaft, deren Reiz häufig gerade
durch die darin befindlichen Bauten  ausgemacht wird, lebendig zu
erhalten. Die Gesetzesvorlage ist damit auch ein Beitrag zur Stärkung
des ländlichen Raums und ein Akt der Solidarität der Stadtbevölkerung
mit den heute hart geforderten Bauern.

Letzlich gilt es zu wählen zwischen einer angesichts des Strukturwandels
notwendigen Öffnung der Landwirtschaftszone innerhalb klarer Schranken
und einem Festhalten am heute überholten Gesetz - mit der Folge, dass
sich in den Kantonen immer mehr Praktiken ausserhalb und sogar gegen das
geltende Recht durchsetzen werden. Denn das geltende Recht behindert den
Strukturwandel in unvernünftiger Weise. Ein kantonaler Wildwuchs kann
aber nicht im Interesse der Raumplanung liegen.
Bundesrat und Parlament empfehlen daher die Annahme der wohlüberlegten,
mit klaren Schranken versehenen Gesetzesrevision.