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CONFOEDERATIO HELVETICA
Die Bundesbehörden der Schweizerischen Eidgenossenschaft

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Herbstversammlung der KKJPD

Votum von Bundesrat Arnold Koller an der Herbstversammlung der KKJPD
vom 05./06. November 1998

Lage und Massnahmen im Asylbereich

I.	LAGEANALYSE UND PROGNOSEN

Bereits anlässlich der KKJPD-Konferenzen vom 24. April und 29. Juni
bildete die Lage im Asylbereich einen Schwerpunkt. Wir haben damals ein
Massnahmenpaket zur Verbesserung der Wegweisungen beschlossen. Herr
Regierungsrat Ritschard und Herr Direktor Gerber werden Sie
anschliessend im Detail über den Stand der Umsetzungsarbeiten
orientieren.

Seither hat sich die Situation grundlegend verändert. Aufgrund der
starken Zunahme von Asylbewerbern aus dem Kosovo befinden wir uns im
Asylbereich in einer ausserordentlichen Lage, die nach
ausserordentlichen Massnahmen ruft. Im Monat Oktober verzeichneten wir
5'932 Asylgesuche. Damit werden alle bisherigen, monatlichen
Höchstzahlen, auch jene aus dem Jahre 1991, erheblich übertroffen. Der
ausserordentlich hohe Zustrom ist durch den Kosovo-Konflikt bedingt. Von
Januar bis Ende Oktober dieses Jahres wurden 66 % mehr Asylgesuche
eingereicht als in der entsprechenden Periode des Vorjahres. Von den
Gesuchen des Monats Oktober fielen knapp 70 % auf Staatsangehörige der
Bundesrepublik Jugoslawien; in rund 95% der Fälle handelt es sich dabei
um Personen aus der Provinz Kosovo.

Mit diesem Trend steht die Schweiz in Europa inzwischen nicht mehr
alleine da. In allen europäischen Staaten ist die Zahl der Asylgesuche,
zum Teil sogar massiv, gestiegen.

Kurzfristig erwartet der Bundesrat überdies keine Trendwende. Wir können
nicht davon ausgehen, dass sich die Lage rasch wieder beruhigt. Auch
wenn im Kosovo das Holbrook-Abkommen umgesetzt wird und die Hilfe vor
Ort, an der sich die Schweiz stark beteiligt, noch verstärkt wird, ist
bei uns erst auf den Jahreswechsel hin, nach dem Wintereinbruch, mit
einer Beruhigung der Lage zu rechnen. Bis Ende Jahr könnten es anstelle
der prognostizierten 32'000 also durchaus mehr als 40'000 Asylgesuche
werden.

Der massive Anstieg der Asylgesuche aufgrund der Lage im Kosovo hat auch
entsprechende finanzielle Auswirkungen. Die eidgenössischen Räte haben
anlässlich der Wintersession 1997 für den Asyl- und Flüchtlingsbereich
(BFF und ARK) ein Budget von 980.4 Mio. Franken bewilligt. Die Zahlen
basierten auf einer Annahme von 18'000 neuen Asylgesuchen im Jahr 1998.
Aufgrund des sich bereits zur Jahresmitte abgezeichneten Gesuchsanstiegs
hat das Bundesamt für Flüchtlinge seine Prognose auf 32'000 Gesuche
erhöht und im Rahmen des Nachtragskreditverfahrens II zusätzliche Mittel
im Umfang von 193.4 Mio. Franken beantragt. Das Ausgabenbudget 1998 des
BFF inklusive Nachtragskredite beträgt 1'156 Mio. Franken.

Sollte sich die Situation im Kosovo zudem weiter verschlechtern oder auf
heutigem Niveau stabil bleiben, ist mit einem weiteren Anstieg der Zahl
der anwesenden Personen des Asylbereichs mit entsprechenden Kostenfolgen
zu rechnen. Trotz der eingeleiteten bzw. bereits umgesetzten Massnahmen
rechnet der Bundesrat nicht damit, dass die Ausgaben des Asylbereichs
bis 2001 auf rund 1 Milliarde begrenzt werden können. Die Zunahme der
Gesuchseingänge lassen bestenfalls eine Stabilisierung der Ausgaben auf
Fr. 1,4 Mia. erwarten. Über die Entwicklung der Ausgaben im Asylbereich
ist der Bundesrat deshalb ernsthaft besorgt. Sie kann nicht tatenlos
hingenommen werden.

II.	GRÜNDE FÜR DIE ATTRAKTIVITÄT DER SCHWEIZ

Der wichtigste Grund für die massive Gesuchszunahme besteht im Umstand,
dass bereits rund 150'000 Kosovo-Albaner als Gastarbeiter in der Schweiz
leben, weshalb viele fliehende Kosovo-Albaner natürlich zu ihren
Bekannten oder Verwandten in der Schweiz gehen.

Weitere Gründe für die besondere Attraktivität der Schweiz sind die
europapolitische Isolierung (kein Anschluss an das Dublin-Abkommen) und
wie die jüngste wissen-schaftliche Studie des Schweizerischen Forums für
Migrationsstudien über den Leistungsvergleich der Kosten des Asylwesens
im europäischen Raum zeigt, ein relativ hoher Fürsorgestandard, wobei
allerdings die grossen kantonalen Unterschiede auffallen.

III.	BEREITS EINGELEITETE MASSNAHMEN

Zur Erhöhung der Effizienz im Asylwesen und zur Bekämpfung erkannter
Missbräuche haben wir folgende Massnahmen getroffen:

-	Wir haben den Bundesbeschluss über dringliche Massnahmen im
Asylbereich am vergangenen 1. Juli in Kraft gesetzt;

-	Wir haben die Totalrevision des Asylgesetzes in der Junisession
verabschiedet;

-	Wir haben mit Ihnen das Massnahmenpaket "Wegweisungsvollzug"
beschlossen.

-	Wir haben das Grenzwachtkorps um 100 Stellen verstärkt; und das
Grenzwachtkorps setzt nun auch vermehrt Helikopter zur Ueberwachung der
Grenzen ein.

-	Wir haben auf der internationalen Ebene im Zusammenhang mit Kosovo
eine Konferenz postuliert, die nun am 20. November stattfinden wird.

-	Wir haben die personellen Ressourcen des Bundesamtes für Flüchtlinge
und der Schweizerischen Asylrekurskommission im Juni um 155 Stellen
erhöht;

- Wir haben ebenfalls die Betreuerstellen der Kantone um 360 erhöht.

Der massive Zustrom von Vertriebenen aus dem Kosovo stellt Bund und
Kantone auch vor neue, vordringliche Herausforderungen. Es ist klar,
dass angesichts des Elends im Kosovo die humanitäre Verpflichtung
Vorrang hat. Indessen sind Bund und Kantone verpflichtet,
vorauszuschauen und die nötigen Planungen einzuleiten. Wir haben deshalb
verschiedene Massnahmen getroffen, vor allem um die Kapazitäten in den
Empfangsstellen zu erhöhen:

 -	Wir haben die Bettenzahl verdoppelt und die Verfahrenskapazitäten in
den Empfangsstellen vervierfacht.

 -	Wir haben die Eröffnung weiterer Notunterkünfte in Bronschofen, Rüti
und Riggisberg eingeleitet. Diese sind bereits oder werden demnächst
bezogen, was die zusätzliche Unterbringung von ca 500 Personen
ermöglichen wird. Insgesamt verfügt nun das BFF über rund 2'500 Plätze.

 -	Schliesslich hat der Bundesrat am 21. Oktober beschlossen, die Armee
für die Betreuung und Unterbringung von Asylsuchenden einzusetzen.

In diesem Zusammenhang danke ich den Kantonen, die dem Bund spontan und
auf unbürokratische Weise geholfen haben, den Ansturm auf die
Empfangsstellen durch die Eröffnung von Notunterkünften abzufedern.

Vom starken Zustrom von Asylbewerbern werden zunehmend auch die Kantone
betroffen. Ich bin mir bewusst, dass Sie mit den nun erweiterten
Verteilkapazitäten des Bundes in den nächsten Wochen vor schwierige
Probleme bei der Unterbringung und Betreuung gestellt werden. Ich wende
mich daher mit der Bitte an Sie, auch weiterhin volle
Kooperationsbereitschaft in dieser ausserordentlichen Situation zu
zeigen und auf kantonaler Ebene weiterhin für die Bereitstellung der
notwendigen Kapazitäten besorgt zu sein. Angesichts der finanziellen
Lage sind im Unterkunftsbereich möglichst kostengünstige Massnahmen zu
treffen. Eine Situation wie zu Beginn der 90-er Jahre ist unbedingt zu
vermeiden.

IV.	SPANNUNGSFELD FINANZEN

Heute vor einer Woche habe ich bereits mit einer Delegation Ihrer
Konferenz wie der kantonalen Sozialdirektoren die Finanzlage im
Asylbereich besprochen. Welches sind die Perspektiven?
Der Bundesrat und das Parlament haben in den vergangenen Jahren im
Rahmen der materiellen Bereinigungen des Voranschlages des BFF
wiederholt mit Sparmassnahmen reagiert. Die Chronologie der jeweiligen
Rechtsänderungen, die Änderungen der Asylverordnung 2 in den Jahren
1993, 1994, 1995 und 1996 sowie die Aenderung des Asylgesetzes mit dem
dringlichen Bundesbeschluss über Sparmassnahmen im Asyl- und
Ausländerbereich dokumentieren diese Entwicklung eindrücklich. Die
entsprechenden Einsparungen sind auf weit über 100 Millionen Franken pro
Jahr zu beziffern.

Die heftigen Reaktionen der Kantone auf die Sparbemühungen des
Bundesrates in den beiden letzten Jahren machten zudem deutlich, dass
der Handlungsspielraum des Bundesrates gering und das
freundeidgenössische Verhältnis zwischen Bund und den vollziehenden
Kantonen im Asylbereich angespannt ist.

Zu erinnern ist in diesem Zusammenhang auch, dass der Bundesrat
beispielsweise im Jahre 1996 auf Druck der Kantone hin seinen Beschluss
betreffend den Verzicht auf die Übernahme der
Krankenversicherungsprämien für Asylsuchende rückgängig machen musste.

Ebenso haben die Verhandlungen in den Eidgenössischen Räten zur
Totalrevision des Asylgesetzes und zum Bundesbeschluss über dringliche
Massnahmen im Asyl- und Ausländerbereich klar aufgezeigt, dass dem
Bundesrat in der Asylpolitik Grenzen gesetzt sind. Das Parlament hat
schon beim Bundesgesetz über Zwangsmassnahmen und bei der Totalrevision
des Asylgesetzes die bundesrätlichen Vorschläge teilweise aufgeweicht.

Trotz diesem engen Rahmen sind wir - Bund und Kantone - gefordert, die
Kosten in den Griff zu bekommen. Auch das Parlament fordert
Einsparungen. Die Finanzkommission hat Ende Oktober bei den Beratungen
zum Stabilisierungsprogramm den Bundesrat aufgefordert, ihr einen
entsprechenden Bericht abzuliefern. Der Bundesrat hat diesen Bericht
gestern zuhanden der Finanzkommission verabschiedet. Die wichtigsten
Punkte sind:

V.	KURZFRISTIGE MASSNAHMEN IM FINANZIELLEN BEREICH

Der Bundesrat wird im Rahmen der Totalrevsion der Asylverordnung 2 die
Herabsetzung der Unterstützungspauschale in der Asylbewerberfürsorge auf
14 Franken und die Neufestsetzung der Unterstützungspauschale in der
Flüchtlingsfürsorge auf 20 Franken vorschlagen. Eine Kürzung der
entsprechenden Pauschalsätze betrachtet der Bundesrat aus folgenden
Gründen als gerechtfertigt:

 -	Der Fürsorgestandard für Asylsuchende ist in der Schweiz relativ
hoch;

	In den vergangenen 4 Jahren konnte ein Wechsel in der
Bevölkerungsstruktur bei Personen des Asylrechts festgestellt werden.
Die Anzahl Familien bzw. Mehrpersonenhaushalte hat sich erhöht, so dass
die Kantone grundsätzlich auch tiefere durchschnittliche Kosten pro
Person verzeichnen müssten;

 -	Rund 80 % der anerkannten Flüchtlinge gehen keiner Erwerbstätigkeit
nach. Diese müssen besser in den Arbeitsprozess integriert werden. Das
gilt auch für vorläufig Aufgenommene, bei denen sich abzeichnet, dass
der Vollzug noch einige Zeit sistiert ist.

Der Entwurf der Asylverordnung 2 sieht zudem eine Vielzahl von
Änderungen vor, auf die ich jetzt nicht eingehen möchte. Im Rahmen der
Vernehmlassung zur Asylverordnung 2 werden sie auch zu diesen Punkten,
die ich hier nicht im einzelnen aufzählen möchte, Stellung nehmen. Die
erwähnten Massnahmen sollen mit Inkrafttreten des revidierten
Asylgesetzes und den entsprechenden Verordnungen per 1. Juli 1999
umgesetzt werden.

Ueberdies sollen auch die bereits getroffenen Massnahmen zu finanziellen
Entlastungen führen, namentlich die bereits eingeführten
Missbrauchsartikel des neuen Asylgesetzes, die Massnahmen zur
Verfahrens- und Vollzugsbeschleunigung und die im Juni beschlossene
Erhöhung des Personals bei BFF und ARK um 155 Stellen. Ebenfalls
entlastend werden die auf Basis des Schlussberichts der "Arbeitsgruppe
Wegweisungsvollzug" erfolgten Beschlüsse des Bundesrats und der KKJPD
wirken.

VI.	MITTELFRISTIGE MASSNAHMEN IM FINANZBEREICH

Allerdings geht der Bundesrat davon aus, dass damit die Finanzen im
Asylbereich noch nicht wieder ins Lot gebracht werden können. Die
Teilnehmerinnen und Teilnehmer des "Runden Tisches" äusserten die
Erwartung, dass die Ausgaben im Asyl- und Flüchtlingsbereich bis 2001
wieder auf den Finanzplan, d. h. auf 1 Milliarde zurückgeführt werden
können. Dies hätte Einsparungen von 300 bis 350 Millionen Franken
erfordert, wobei die aktuelle andauernde problematische Lage im Kosovo
hiebei nocht nicht berücksichtigt wurde. Alle die erwähnten Massnahmen
werden bei weitem nicht ausreichen, Einsparungen in den genannten
Grössenordnungen zu bewirken. Aus diesem Grund müssen das EJPD, das EFD
und die Kantone gemeinsam Ueberlegungen anstellen, wie man mittelfristig
mit einschneidenderen Massnahmen im Asylbereich weitere Einsparungen
erzielen kann. Dabei dürften Kostenverlagerungen von Bund auf die
Kantone politisch wenig aussichtsreich sein. Die Stossrichtung muss
daher Sparen und Attraktivitätsminderung des Asyllandes Schweiz im
internationalen Vergleich sein.

An der Sitzung vom 29.Oktober 1998 haben wir mit Vertretern der SODK und
der KKJPD beschlossen, eine gemeinsame paritätische Arbeitsgruppe - nach
dem Modell der AG Wegweisungsvollzug - bestehend aus insgesamt rund 12
Mitgliedern, zu bilden und sie zu beauftragen, neue Fürsorge- und
Finanzierungsmodelle zu prüfen und Vorschläge für eine verbesserte
Anreizstruktur für ein kostengünstiges Asylwesen zu erarbeiten. Diese
Arbeitsgruppe soll bis im Mai 1999 dem EJPD erste Vorschläge
unterbreiten.

Ich will nun zu zwei konkreten Fragen, die in den letzten Wochen
gestellt wurden, Stellung nehmen.

A	BUNDESZENTREN UND INTERNIERUNGSLAGER

In der Öffentlichkeit wurden wieder vermehrt Internierungslager für
Straffällige und Bundeszentren für Dissoziale gefordert.

Das Institut der freiheitsentziehenden Internierung wurde durch das
Bundesgesetz über Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht aufgehoben und
durch die Vorbereitungs- und Ausschaffungshaft sowie durch die Ein- und
Ausgrenzung ersetzt. Grund für die Aufhebung bildete die Unvereinbarkeit
der damaligen Regelung mit der Europäischen Menschenrechtskonvention
(EMRK; Gutachten Professor Trechsel). Auch die nun wieder
verschiedentlich laut gewordenen Forderungen auf Wiedereinführung einer
freiheitsentziehenden Internierung auf unbestimmte Zeit wäre laut
Strassburger Rechtsprechung nicht mit Artikel 5 EMRK zu vereinbaren.
Dies geht klar aus einem Entscheid der Strassburger
Menschenrechtskommission vom 26. Februar 1997 hervor, als die Kommission
einstimmig zum Schluss kam, dass die altrechtliche Internierung der
Schweiz Art. 5 EMRK verletze (Samie Ali c. Suisse, No 24881/94).

Ich bin weiterhin davon überzeugt, dass die im Zwangsmassnahmengesetz
vorgesehenen Massnahmen den zuständigen kantonalen Behörden bei
konsequenter Anwendung genügend Handhaben bieten, um Missbräuche zu
bekämpfen und einen Grossteil der bestehenden Probleme zu bewältigen.
Ich konnte auch feststellen, dass es Missverständnisse bei der Anwendung
des Gesetzes über die Zwangsmassnahme gibt, nicht zuletzt deshalb, weil
wichtige Entscheide des Bundesgerichtes nicht veröffentlicht wurden.
Meine Verwaltung hat Ihnen in den letzten Tagen einen solchen Entscheid
aus dem Jahre 1995 bezüglich die sogenannten "Ameisendealer" zukommen
lassen. Bevor wir daher rechtspolitische Forderungen stellen, müssen
Bund und Kantone zunächst die bestehenden Gesetze konsequent anwenden.

B	MASSNAHMEN BEI PAPIERLOSEN

Verschiedentlich wurde in letzter Zeit die zweite Frage nach Massnahmen
gegenüber papierlosen Asylbewerbern aufgegriffen. Lassen Sie mich dazu
folgendes ausführen:

Mit Inkrafttreten des Bundesbeschlusses über dringliche Massnahmen im
Asyl- und Ausländerbereich am 1. Juli 98 wurde neu die
Mitwirkungspflicht des Asylsuchenden bei der Papierbeschaffung
eingeführt (Art. 12b Abs. 6 AsylG). Die neu verankerte
Mitwirkungspflicht bei der Papierbeschaffung ist im Zusammenhang mit dem
Nichteintretenstatbestand des Artikels 16 Abs.1 Bst. a bis AsylG zu
betrachten, welcher ebenfalls mit dem dringlichen Bundesbeschluss neu
eingeführt wurde. Demnach ist die asylsuchende Person verpflichtet, bei
der Beschaffung eines vollzugsgenüglichen Reisepapieres mitzuwirken.

Die offensichtliche Verweigerung dieser Mitwirkungspflicht kann neu im
Rahmen des Wegweisungsvollzuges oder nach Vorliegen eines
Nichteintretensentscheides durch die Anordnung der Ausschaffungshaft
sanktioniert werden. Denn die fehlende Mitwirkungspflicht bei der
Papierbeschaffung und passives Verhalten können neu
"Untertauchensgefahr" begründen; einer der wichtigsten Haftgründe bei
der Ausschaffungshaft. Aus dem Dargelegten können Sie entnehmen, dass
mit der Einführung des dringlichen Bundesbeschlusses durchaus griffige
Massnahmen getroffen wurden, die eine Wegweisung auch von sogenannten
"Papierlosen" zu beschleunigen vermögen. Dies zeigen auch die Zahlen
bezüglich Papierabgabe; so hat sich der Prozentsatz derjenigen Personen,
die Identitätspapiere abgeben seit Einführung des BMA bereits um 10 %
(auf insgesamt 38%) erhöht. Die Auswirkungen generell des BMA sind
derzeit noch etwas schwierig abzuschätzen, das sie von der Kosovo-krise
überlagert werden. Nichtsdestotrotz ist es aber wichtig, dass die
Möglichkeit der Anordnung von Ausschaffungshaft im Zusammenhang mit der
Mitwirkungspflichtverletzung und Nichteintretensentscheiden bereits
heute genutzt wird, um präventive Wirkung zu entfalten. Die Kantone
haben somit auch in diesem Bereich bereits heute genügend
Handlungsmöglichkeit, um Missbräuche zu bekämpfen.

Schliesslich wurde in den letzten Wochen, im Zusammenhang mit der
grossen Zunahme von Asylsuchenden aus dem Kosovo gefordert, Asylsuchende
entsprechend ihren geltend gemachten verwandtschaftlichen und
bekanntschaftlichen Beziehungen in der Schweiz auf die Kantone zu
verteilen. Dies sei notwendig, um die Privatunterbringung in den
Kantonen zu ermöglichen und die Betreuungsstrukturen zu entlasten. Ich
habe die Vertretung der SODK und der KKJPD an unserer Aussprache vom
vergangenen 29. Oktober gebeten, uns die diesbezügliche Haltung der
Kantone mitzuteilen.

IV. SCHLUSSBEMERKUNGEN

Bund und Kantone haben eine schwierige Situation zu meistern. Ich bin
überzeugt, dass wir es - wie bereits 1991, als wir 42'000
Gesuchseingänge zu verzeichnen hatten - wieder schaffen werden,
vorausgesetzt, dass wir am gleichen Strick ziehen. Für die beiden
wichtigsten Akteure in der Asylpolitik - Bund und Kantone - muss deshalb
weitestgehend Einigkeit in folgenden Punkten herrschen:

1. Wir wollen unsere Türen vor den Flüchtlingen und Schutzbedürftigen
nicht schliessen angesichts des Elends im Kosovo. Das Schweizervolk hat
schon mehrmals bewiesen, dass es bereit ist, wirklich Schutzbedürftigen
zu helfen.

2. Bund und Kantone sollen in ihrem Aufgabenbereich alles daran setzen,
die Schutzbedürftigen vorläufig zu betreuen.

3. Klar muss auch von Anfang an sein, dass es sich bei den meisten
Vertriebenen um einen Schutz für beschränkte Zeit handelt, weil sie -
ähnlich wie im Fall Bosnien - nach der Befriedung des Landes in ihre
Heimat zurückkehren müssen.

4. Die Hilfe vor Ort, d. h. im Kosovo oder den Nachbarländern ist die
beste Hilfe. Die Schweiz hat sich hier bereits stark engagiert und will
ihre Hilfe noch verstärken.

5. Wir müssen gemeinsam die Asylkosten wieder in den Griff bekommen.
Dieses Ziel erreichen wir mit Sparen und mit einer
Attraktivitätsminderung des Asyllandes Schweiz im internationalen
Vergleich.

6. Auf internationaler Ebene stehen zwei Bestrebungen im Vordergrund:
Angesichts des Ausmasses des Flüchtlingsstroms werden wir an der
Konferenz in Genf vom 20. November 1998 die Intensivierung der Hilfe vor
Ort, eine Konzentrierung der Schutzformen und eine bessere Verteilung
der Lasten aus dem Kosovo-Konflikt fordern. Zum anderen werden wir
unsere Bemühungen, dem Dublin-Abkommen beitreten zu können, konsequent
weiterführen, wie auch weitere Rückübernahmeabkommen schliessen.

7. In Gesprächen mit Ihnen, den Parteien, Hilfswerken und Kirchen muss
es gelingen, ein Feld gemeinsamer Grundsätze zu finden, auf deren
Einhaltung sich alle verpflichten. Nachdem erste Aussprachen mit einer
Delegation der zuständigen Regierungsräte in der letzen Woche und nun
heute mit Ihnen stattgefunden hat, wird die Asylpolitik wiederum Thema
der von Wattenwyl-Gespräche am 13. November sein; anschliesend werde ich
Ende November die Hilfswerke und die Vertreter der Kirchen empfangen.
Uns politisch Verantwortlichen obliegt es, nichts desto trotz gemeinsame
tragfähige Lösungen zu erarbeiten. Wir sind dies der humanitären
Tradition unseres Landes und Tausenden von schutzbedürftigen und
verfolgten Menschen schuldig. Wir Politiker sind das auch unserem Volke
schuldig, denn es hat klar gezeigt, dass es zweierlei will: Menschen in
Not grossmütig helfen und Missbräuche effizient bekämpfen.