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Telefonabhörung und V-Einsatz neu geregelt

Pressemitteilung

Telefonabhörung und V-Einsatz neu geregelt

Bundesrat verabschiedet Botschaft zur Überwachung des Post- und
Fernmeldeverkehrs und zur verdeckten Ermittlung

Der Bundesrat hat am Mittwoch die Botschaft zu den Bundesgesetzen
betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs und über die
verdeckte Ermittlung zuhanden der Eidgenössischen Räte verabschiedet.
Gleichzeitig nahm er auch Kenntnis vom Ergebnis des
Vernehmlassungsverfahrens zum Vorentwurf eines Bundesgesetzes über die
Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs sowie den Einsatz
technischer Überwachungsgeräte.
Die beiden mit dieser Botschaft vorgeschlagenen Gesetze wurden in
mehreren parlamentarischen Vorstössen gefordert. Diese gingen vor allem
auf den Bericht "Die Telefonüberwachung im Bund" zurück, den eine
Arbeitsgruppe der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates im Jahr
1992 verfasst hatte. Sie schaffen eine für Bund und Kantone einheitliche
Regelung für die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (gestützt
auf Art. 36 Abs. 1 BV) sowie für die verdeckte Ermittlung zur Bekämpfung
des Drogenhandels (gestützt auf Art. 69bis BV). Dagegen werden der
Einsatz technischer Überwachungsgeräte und die verdeckte Ermittlung bei
Straftaten, welche die Kantone verfolgen, von den Gesetzen nicht
erfasst. Die beiden Gesetzesentwürfe sind in einer gemeinsamen Botschaft
zusammengefasst, weil die geheimen Ermittlungsmassnahmen in beiden
Bereichen ähnlich sind und daher nach ähnlichen verfahrensrechtlichen
Sicherungen verlangen.

Überwachung nur mit richterlicher Bewilligung
Die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs ist wie bisher von der
richterlichen Behörde, die ein Strafverfahren leitet, anzuordnen. Sie
muss einer für den ganzen Kanton zuständigen Behörde, im Bund der
Präsidentin oder dem Präsidenten der Anklagekammer des Bundesgerichts
resp. des Militärkassationsgerichts, zur Genehmigung unterbreitet
werden. Die Kriterien sind strenger als im geltenden Recht. Bei den
meisten Vergehen soll eine Überwachung nicht mehr möglich sein. Die
Genehmigungsbehörde soll nicht nur die Rechtmässigkeit, sondern auch die
Verhältnismässigkeit des Eingriffs überprüfen und bei der Überwachung
von Drittpersonen, namentlich Berufsgeheimnisträger(inne)n, für
geeignete Schutzmassnahmen sorgen. Besonders geregelt werden auch die
sogenannte Teilnehmeridentifikation und die Auskunft über Daten, die für
die Rechnungsstellung erfasst werden. Seit der Liberalisierung des
Fernmeldeverkehrs werden mit dem Vollzug der Überwachungen nicht mehr
einfach die Post oder die Swisscom betraut; als "Drehscheibe" ist ein
spezieller Dienst für die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs
zuständig.
V-Einsatz für schwierige Fälle
Die verdeckte Ermittlung ist ein Instrument der Polizei, das den
Strafuntersuchungsbehörden für schwierige Verfahren zur Verfügung steht.
Sie dient besonders der Auf-klärung von verbotenen zweiseitigen
Geschäften, in denen die "V-Leute" den Straftätern als interessierte
Kundschaft entgegentreten. Für den Einsatz kommen in der Regel nur
ausgebildete Polizeibeamtinnen und -beamte in Frage. Der Entwurf
unterscheidet zwischen einer ersten Phase der Einsetzung und
Vorbereitung und einer zweiten Phase des Einsatzes in einem konkreten
Strafverfahren. Verdeckte Ermittlerinnen und Ermittler können mit
richterlicher Genehmigung mit einer andern Identität ausgestattet
werden. Sie werden durch geeignete Massnahmen geschützt, wenn sie im
Strafverfahren als Zeuginnen oder Zeugen mit den beschuldigten Personen
kon-frontiert werden. Sie dürfen die Zielpersonen nur angehen, um deren
bereits vorhan-denen Tatentschluss zu konkretisieren. Sie dürfen sie
jedoch nicht zu anderen oder schwereren Straftaten als den geplanten
provozieren.
Die beiden Gesetze führen grundsätzlich zu keinem personellen und
finanziellen Mehraufwand bei Bund und Kantonen, doch sind
Ermittlungshandlungen in beiden Bereichen kostspielig. Die in den
letzten Jahren gestiegenen Kosten sind auf die zunehmende Kriminalität,
die mit diesen Instrumenten bekämpft werden muss, vor allem den
illegalen Drogenhandel zurückzuführen.
Geheime Ermittlungsmassnahmen sind in der Strafverfolgung unerlässlich.
Da die betroffenen Personen nicht wie bei andern Zwangsmassnahmen
unmittelbar nach dem Eingriff Beschwerde führen können, müssen die
Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs wie auch die verdeckte
Ermittlung auf die Bekämpfung schwerer Straftaten beschränkt und in
einem rechtsstaatlich korrekten Verfahren angeordnet werden. Die
nachträgliche Mitteilung der Überwachung ermöglicht es den betroffe-nen
Personen, mit einer Beschwerde ihre Rechtsschutzinteressen zu wahren.

Kontroverse Vernehmlassung
Vom Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens zum Vorentwurf eines
Bundesgesetzes über die verdeckte Ermittlung hat der Bundesrat bereits
am 14. August 1996 Kenntnis genommen.
Den Vorentwurf zu einem Bundesgesetz über die Überwachung des Post- und
Fern-meldeverkehrs sowie über den Einsatz technischer Überwachungsgeräte
schickte der Bundesrat am 2. Juni 1997 in die Vernehmlassung. Von den
insgesamt 111 Adressaten haben 61 Stellung bezogen, darunter das
Bundesgericht und 25 Kantone. Die Absicht, die Regelung der Überwachung
des Post- und Fernmeldeverkehrs zur Verfolgung und Verhinderung von
Straftaten für Bund und Kantone einheitlich zu regeln, stiess auf breite
Zustimmung. Bejaht wurde auch der Regelungsbedarf, vor allem im Hinblick
auf die Liberalisierung des Post- und Fernmeldeverkehrs.
Die konkrete Ausgestaltung rief dagegen erhebliche Kontroversen hervor,
die sich in drei grundsätzlichen Haltungen zur Telefonüberwachung
äussern: Die grösste Gruppe (vor allem Kantone und Organisationen der
Strafverfolgung, aber auch die CVP) kritisiert, dass der Entwurf die
Strafverfolgung grundlos erschwert, und verlangt ein Gesetz, das die
Hürden auf dem heutigen Niveau belässt oder teilweise sogar senkt. Eine
mittlere Gruppe erachtet die Güterabwägung zwischen
Persönlichkeitsschutz und Strafverfolgung als richtig (darunter 7
Kantone, FDP und SVP). Eine kleine Gruppe (SP, Demokratische Juristinnen
und Juristen, Anwaltsverband) lehnt den Entwurf als polizeilastig ab,
weil er exzessive Überwachungsmöglichkeiten schaffe. Der Bundesrat ist
den Forderungen der Mehrheit nach Lockerungen, soweit dies den Auftrag
der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates in Frage gestellt
hätte, grundsätzlich nicht gefolgt.

Voraussetzungen für eine Überwachung
Einen Schwerpunkt der Stellungnahmen bilden die Voraussetzungen für eine
Überwachung. Einem restriktiven Deliktskatalog stimmen nur Vereinzelte
zu; eine Mehrheit möchte wie bisher bei allen Verbrechen und Vergehen
die Überwachung anordnen können oder sie wenigstens auf eine grössere
Zahl von Vergehen ausdehnen, als der Vorentwurf vorsieht. Der Bundesrat
kommt den Forderungen zum Teil nach, indem er einen abschliessenden
Deliktskatalog für Vergehen vorschlägt.
Einschränkungen bei der Überwachung werden vor allem von Kantonen und
Strafverfolgungsbehörden bekämpft. Auf erhebliche Kritik stossen auch
die begrenzte Verwendung von Zufallsfunden, die besondere Genehmigung
bei Direktschaltungen und die Schutzmassnahmen zugunsten von
Berufsgeheimnisträger(inne)n. Diese Kritik hat der Bundesrat
berücksichtigt, soweit sie die Forderungen der
Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates nicht aushöhlt.
Weitere Streitpunkte waren die nachträgliche Mitteilung der Überwachung
und die Beschwerdemöglichkeit. Einige Vernehmlasser(innen) hätten von
der Mitteilung ganz absehen oder wenigstens die Beschwerde ausschliessen
wollen. Manche erachten den Zeitpunkt der Mitteilung - 30 Tage nach
Einstellung der Überwachung - als verfrüht. Der völlige Verzicht auf die
nachträgliche Mitteilung ist hingegen von vornherein nicht möglich, weil
dies die EMRK nicht zulässt.

22. Juni 1998

EIDGENÖSSISCHES
JUSTIZ-UND POLIZEIDEPARTEMENT
Informations- und Pressedienst

Weitere Auskünfte:

Martin Keller, Vizedirektor, Generalsekretariat EJPD, Tel. 031 324 48 20