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SolidaritätsstiftungArbeitsgruppen legen Schlussberichte vor

Solidaritätsstiftung

Arbeitsgruppen legen Schlussberichte vor
Lancierung im März,  Hearings im Sommer, Konzept im Herbst

Mit der Konkretisierung der Idee für eine Solidaritätsstiftung wurden
zwei Arbeitsgruppen unter der Leitung von Ulrich Bremi und Hermann
Fehr beauftragt. Nach breit abgestützten Konsultationen und intensiver
Konzeptarbeit liegen nun die Schlussberichte zur Finanzierung und zu
den Aktivitäten vor. Im Zentrum steht die Verankerung von
solidarischem Denken und Handeln in neuer Form. Die Stiftung will
unter anderem wachsende Armut und Gewalt vermeiden helfen, wobei sie
einen von vier Schwerpunkten bei  Kindern und Jugendlichen setzt. Sie
unterstützt langfristige Projekte, finanziert Sofortaktionen und
verleiht den Solidaritätspreis. Bei der Umsetzung arbeitet sie mit
Hilfswerken und anderen Trägerschaften zusammen. Finanziert werden die
Aktivitäten aus Erträgen heute unbewirtschafteter Goldreserven der
Nationalbank. Das Stiftungskapital wird im Wert real erhalten und
fällt bei Auflösung der Stiftung an die Nationalbank zurück.

Am 5. März hat Bundespräsident Arnold Koller die Idee für eine
Solidaritätsstiftung lanciert. Vor dem Hintergrund der
Auseinandersetzung mit der Geschichte des Zweiten Weltkriegs wurde
damit die Diskussion über die Vergangenheit durch Fragen zu Gegenwart
und Zukunft der Schweiz erweitert. Die Stiftungsidee beruht auf der
Erkenntnis, dass Grundwerte wie Gemeinsinn und Solidarität stets neu
verankert  werden müssen. 150 Jahre Frieden, Demokratie und
Föderalismus sind zudem Anlass, aus Dankbarkeit und Stolz  das
Bekenntnis der Schweiz zu ihrer humanitären Tradition zu erneuern und
mit einem zukunftsgerichteten Werk zur Vorbeugung und Lösung von
Problemen im In- und Ausland beizutragen.

Solidarität: Partnerschaft und Mitverantwortung

“Solidarität ist sowohl Handlung wie auch Haltung³, lautet der erste
Satz im Bericht zu den Aktivitäten der Stiftung. Dies bringt zum
Ausdruck, dass Solidarität Partnerschaft, Mitverantwortung und Respekt
vor der Menschenwürde umfasst. Partnerschaft ist im Sinne von
Zusammenarbeit zwischen der Stiftung, den ausführenden Organisationen
und den Empfangenden definiert. Dies im Unterschied zur Verteilung von
Almosen. Die Förderung der Fähigkeit, Verantwortung zu übernehmen, und
der Einbezug von aktiven Eigenleistungen der Betroffenen
unterstreichen den Leitgedanken der Langfristwirkung der
Stiftungsaktivitäten.

Das Gesicht der “Stiftung solidarische Schweiz³

Als Name schlägt die Arbeitsgruppe “Stiftung solidarische Schweiz³
vor. Damit wird die Bedeutung einer von der Bevölkerung mitgetragenen
Stiftung unterstrichen. Nicht Einzelhilfe oder Giesskannenprinzip
prägen das Gesicht der Stiftung, sondern die Förderung dauerhafter
Lösungen. Charakteristisch für die Stiftung ist, dass sie weniger an
aktuellen Brennpunkten in Erscheinung tritt, sondern mit langfristigen
Projekten vermeiden hilft, dass Probleme zum Brennpunkt eskalieren.
Womöglich sollen die Betroffenen im Sinne von Selbsthilfe einbezogen
werden. Zum Konzept gehört ferner, dass  die Stiftung dort Prioritäten
setzt, wo sonst niemand oder niemand mehr Unterstützung bietet, also
auch bei versteckten oder vergessenen Misständen.

Klar hervorgehoben wird, dass die Stiftung nicht Staatsaufgaben
übernimmt oder Hilfswerke konkurrenziert, weder durch eigene operative
Tätigkeit noch durch Geldsammlungen. Die von der Stiftung
ausgeschriebenen Projekte werden in Zusammenarbeit mit staatlichen und
nichtstaatlichen Organisationen realisiert. Damit wird vorhandenes
Wissen und Können anerkannt und im Interesse bestmöglicher Effizienz
genutzt.

Tätigkeitsfeld mit vier Schwerpunkten

Im Mittelpunkt des Stiftungszwecks steht die menschenwürdige Zukunft
auch für jene, die unter Armut oder Gewalt leiden oder davon bedroht
sind. Das Erkennen und Verhindern wachsender Problemfelder und der
Wille zu nachhaltigen Lösungen entspricht der zukunftsgerichteten
Zielsetzung. Vier Schwerpunkte umreissen das Aktionsfeld, auf dem die
Stiftung im Sinne ihrer übergeordneten Grundsätze tätig ist:

… Prävention von wachsender Armut und Gewalt. Während zur Bekämpfung
der Folgen von Armut und Gewalt bereits zahlreiche Instrumente
bestehen, will die Stiftung in erster Linie vorbeugende Projekte
unterstützen. Das frühzeitige Erkennen und Abbauen von Spannungen,
Ausgrenzung und Isolation soll dazu beitragen, Notlagen zu vermeiden.
Ursache von Armut kann zudem auch die mangelnde Fähigkeit sein,
Informationen verstehen zu können. Dieses Phänomen kommt auch in der
Schweiz vor.
… Förderung von Zukunftsperspektiven für Kinder und junge Menschen. Es
entspricht dem zukunftsgerichteten Ziel der Stiftung, zugunsten der
künftigen Generation einen Schwerpunkt zu bilden. Dazu gehören
Projekte zugunsten von Kindern, die Opfer von Ausbeutung oder
Misshandlung sind, aber auch Massnahmen gegen Gewalt unter
Jugendlichen, Lösungen im Bereich der Jugendarbeitslosigkeit sowie
Austausch- und Ausbildungsprogramme. Zur Verbesserung der
Zukunftsperspektiven für benachteiligte junge Menschen gehört die
Förderung ihrer Fähigkeit, in der Gesellschaft Verantwortung zu
übernehmen.
… Wiederaufbau zerstörter Gemeinschaftsstrukturen, deren Funktionieren
für das Zusammenleben einer demokratischen Gesellschaft (zB nach einem
Konflikt) nötig ist. In dieser Beziehung verfügt die Schweiz über
wertvolles Wissen und Können, das sie unter Berücksichtigung
regionaler Eigenheiten weitergeben kann. Zu diesem Schwerpunkt gehören
weiter  Projekte im Zusammenhang mit der zunehmenden Verstädterung
oder mit dem Wiederaufbau von zerstörtem Kulturerbe.
… Verständigung und Versöhnung bei Spannungen und Konflikten. Im In-
und Ausland bilden Verständigungsprobleme unter verschiedenen
Bevölkerungsgruppen Anlass zu Gewalt und Ausgrenzung. Beiträge zu
Verständnis und Versöhnung haben integrierenden Charakter. Nebst der
Förderung des Dialogs und der Integration sowie dem Abbau von
Vorurteilen und Feindbildern sind auch Projekte zur Rückkehr
Vertriebener, zur Zusammenführung von Kindern mit ihren Eltern oder
zugunsten von Folteropfern oder ihrer Familien denkbar.

Ein Zweck - Drei Instrumente

Der Stiftungszweck soll mit drei Instrumenten umgesetzt werden. Das
wichtigste ist die Unterstützung von Projekten mit langfristiger
Wirkung. Daneben sollen aber auch Soforthilfe und Anerkennung
besonderer Leistungen möglich sein. Die Stiftungsmittel werden im
Rahmen des Stiftungszwecks projektbezogen eingesetzt. Dabei wird keine
Empfängergruppe im vorneherein bevorzugt oder benachteiligt. Die
Mittel sollen ausgewogen im In- und Ausland eingesetzt werden.
Stiftungsaktivitäten können sich sowohl nach innen wie nach aussen
richten. Die drei Instrumente sind:
… Projektunterstützung. Entsprechend der vom Stiftungsrat definierten
mehrjährigen Tätigkeitsprogramme werden Projekte ausgeschrieben, für
deren Umsetzung sich Hilfswerke, private Trägerschaften oder auch
staatliche Institutionen (zB Gemeinden) bewerben können.
… Sofortaktionen. Die Arbeitsgruppe schlägt vor, bis zu 10 Prozent des
Stiftungsbudgets für Sofortaktionen zu reservieren. Diese Mittel
sollen rasch und unbürokratisch eingesetzt werden können, vor allem
für Leistungen dort, wo andere Organisationen nicht oder nur
ungenügend helfen können.
… Solidaritätspreis. Mit einer Million soll der jährliche Preis für
Solidarität dotiert sein. Damit werden in- und ausländische Leistungen
anerkannt und öffentlich sichtbar gemacht werden, die dem
Stiftungszweck entsprechen. Er wird nicht an Einzelpersonen vergeben,
sondern an öffentliche oder private Organisationen.

Finanzierung: Erträge aus der Bewirtschaftung von Goldreserven

Die Arbeitsgruppe “Finanzierung und Vermögensbewirtschaftung³ schlägt
vor, die Stiftung durch die Uebertragung und Bewirtschaftung von Gold
im Wert von 7 Milliarden Franken zu finanzieren. Dabei handelt es sich
um einen Teil der Goldbestände der Nationalbank, für die Zwecke der
Geldpolitik nicht mehr benötigt werden. Das Stiftungskapital wird als
aus einem Teil der Ueberschussreserven gebildet, die durch eine
einmalige Aufwertung der Goldreserven entstehen. Damit nimmt die
Arbeitsgruppe Abstand von ebenfalls diskutierten Modellen, welche die
Finanzierung der Stiftung aus den ordentlichen Nationalbank-Erträgen
vorsahen.

Anlagepolitik: Nettoprinzip und Anlageethik

Um das Ziel “Erwirtschaftung eines jährlichen Netto-Vermögensertrags
von rund 350 Mio bei realer Werterhaltung des Kapitals³ erreichen zu
können, muss die Anlagepolitik modernsten Erkenntnissen der
Portfoliotheorie genügen. Die Arbeitsgruppe geht davon aus, dass rund
40% der Werte in Aktien anzulegen sind. Angesichts der ideellen
Zielsetzungen der Stiftung hält sie zudem Kriterien im Hinblick auf
eine verantwortungsbewusste und nachhaltige Anlagepolitik fest.
Insbesondere darf die Geldanlage dem Stiftungszweck nicht
zuwiderlaufen.

Zwei Varianten für die Bewirtschaftung

Je nachdem, ob sämtliche von der Nationalbank für die Zwecke der
Geldpolitik nicht mehr benötigten Ueberschussreserven ausgegliedert
werden oder nur Gold im Gegenwert von 7 Milliarden für die Stiftung,
präsentiert die Arbeitsgruppe zwei Modelle. Massgebend ist, die
Unabhängigkeit der Nationalbank zu wahren und Interessenkonflikte zu
vermeiden.

… Modell 1: Ausgliederung aller Ueberschussreserven und Gründung einer
Anlagegesellschaft. Werden sämtliche für die Zwecke der Geldpolitik
nicht mehr benötigten Reserven aus der Nationalbank ausgegliedert (bei
einer vorsichtigen Neubewertung der Goldreserven zu 60% des aktuellen
Marktwerts wären dies 14 Mrd.), wird die Gründung einer
Anlagegesellschaft vorgeschlagen. In diesem Fall wären zwei Portfolios
zu verwalten: jenes der Stiftung und jenes  der übrigen nicht mehr
benötigten Goldreserven. Die von Bund, Kantonen und Stiftung zu
gründende Gesellschaft würde beide Portfolios entsprechend ihrer
spezifischen Bedürfnisse verwalten. Aus Gründen der klaren Trennung
von Geldpolitik und Vermögensverwaltung bei der Nationalbank bevorzugt
die Arbeitsgruppe die Ausgliederung sämtlicher Ueberschussreserven und
die Bildung der Anlagegesellschaft.

… Modell 2: Private Vermögensverwaltung. Werden nur die für das
Stiftungskapital nötigen Goldbestände im Wert von 7 Mia aus der
Nationalbank ausgegliedert, schlägt die Arbeitsgruppe ein
vereinfachtes Modell vor. Weil in diesem Fall nur ein Portfolio zu
verwalten und nur eine Anlagepolitik zu berücksichtigen ist, kann auf
die Gründung einer speziellen Gesellschaft verzichtet werden. Das
Stiftungsvermögen würde auf Mandatsbasis einer externen
Vermögensverwaltung zur Erwirtschaftung des Realertrags übergeben,
wobei die von der Arbeitsgruppe formulierte Anlagepolitik
ebenfallsverbindlich wäre.

Werterhaltung und Heimfallsrecht

Das Stiftungskapital soll in seinem Realwert erhalten bleiben. Mit
Rücksicht auf die Stabilität des Goldpreises muss der Goldverkauf über
mehrere Jahre hinweg erfolgen. Das bedeutet, dass der Stiftung zu
Beginn nur beschränkte Mittel zur Verfügung stehen würden. Als
Möglichkeit sieht die Arbeitsgruppe deshalb vor, in der Startphase auf
einen präzis klar festgelegten Teil des Kapitals zurückzugreifen,
damit die Stiftung ihre Tätigkeit von Anfang an mit ausreichenden
Mitteln ausüben kann.

Eine Stiftung nach öffentlichem Recht kann vom Gesetzgeber bei Bedarf
aufgelöst werden. Deshalb empfiehlt die Arbeitsgruppe, auf eine
zeitliche Begrenzung zu verzichten, dafür eine Regelung zu treffen,
wonach das Kapital bei Aufhebung der Stiftung an die Nationalbank
zurückfällt. Die Solidaritätsstiftung ist steuerfrei.

EIDG. FINANZDEPARTEMENT
Presse- und Informationsdienst
31.10.1997
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