Bundesrat Kaspar Villiger zur Schweizerischen Stiftung für Solidarität 5. März 1997
Bundesrat Kaspar Villiger
zur Schweizerischen Stiftung für Solidarität
5. März 1997
I.
Der Bundespräsident:
- hat heute Morgen die Schaffung der Stiftung für Solidarität
angekündigt
- und sie in einen weiten historischen Zusammenhang gestellt.
Mir obliegt es,
- noch einige zusätzliche Informationen zu geben
- und die Bedeutung der Stiftung zu vertiefen.
Das EFD
- ist zuständig für die Beziehungen des Bundes zur SNB.
Dies ist der Grund dafür
- dass ich heute hier vor Ihnen bin
- und dass die Federführung für die Schaffung der Stiftung
- im EFD angesiedelt werden sein wird.
In meiner Eigenschaft
- als Verbindungsmann des Bundesrates zur SNB
- möchte ich Herrn Dr. Hans Meyer im Namen des Bundesrates
- für seine engagierte und kreative Zusammenarbeit danken!
Das vorgeschlagenen Solidaritätswerk
- wird mit Mitteln arbeiten,
- die letztlich dem Schweizer Volk gehören.
- Das ist wichtig für die Glaubwürdigkeit des Solidaritätswerks!
Zur Glaubwürdigkeit
- gehört aber auch,
- dass dieses Solidaritätswerk
- in Parlament und Volk Akzeptanz geniesst.
Für diese Akzeptanz
- ist es wichtig,
- ob diese Mittel verhältnismässig, verkraftbar und begründbar sind.
Die Stiftung
- wird nicht dem Schweizer Volk gehörende Substanz aufbrauchen.
- Sie wird mit Erträgen arbeiten können,
- die aus der Bewirtschaftung von im Moment nicht bewirtschafteter
Substanz stammen:
- Es sind Erträge aus der Bewirtschaftung
- eines angemessenen Teils des Aufwertungsgewinnes des Währungsgoldes
der SNB.
Wie es Schweizer Art entspricht
- wird die SNB
- diesen Aufwertungsgewinn vorsichtig bewerten.
- Herr Dr. Meyer wird sich dazu äussern!
Wenn wir etwa die Hälfte
- eines vorsichtig bewerteren Aufwertungsgewinns für die Stiftung
vorsehen,
- wird daraus ein Stiftungskapital von ungefährt 7 Milliarden
entstehen,
- und das wird jährliche Leistungen von mehreren hundert Millionen
Franken erlauben.
Die genauen Werte
- werden aber noch Gegenstand
- einer vertieften Prüfung sein!
Diese Erträge
- sollen je zur Hälfte zur Linderung der Not von Menschen im Inland
- und zur andern Hälfte im Ausland verwendet werden.
Das Stiftungskapital
- bleibt also in der Substanz erhalten.
- Nur die Erträge (Verzinsung!) werden also gebraucht.
Nachdem der Aufbau
- des Stiftungskapitals einige Jahre benötigen wird,
- haben wir genügend Zeit,
- uns Gedanken zu machen über die Verwendung des zweiten Teils des
Aufwertungsgewinns.
Ich sage dies bewusst
- so ausführlich,
- denn eine Solidaritätsstiftung in dieser Grössenordnung,
- die aus ordentlichen Steuereinnahmen
- oder gar aus einer weiteren Verschuldung des Bundes
- finanziert würde,
- wäre nicht verantwortbar !
Sie würde
- unser Land überfordern
Es geht also darum,
- einen einmaligen Vermögenswert ertragreich anzulegen,
- der uns dank besonderen Umständen zugefallen ist.
Un es geht nicht darum,
- die Erfüllung von Staatsaufgaben,
- die Entschuldung der Bundesfinanzen
- oder die sozialen und wirtschaftlichen Leistungen zu gefährden.
Würden wir die Mittel
- aus der besseren Bewirtschaftung der Goldreserven
- für die Sanierung der Bundesfinanzen verwenden,
- dann könnten wir unsere Probleme nicht lösen.
Die Verwendung der sieben Milliarden,
- die etwa einem Jahresdefizit des Bundes entsprechen,
- könnte die Verschuldungsspirale nicht bremsen
- geschweige denn stoppen.
Bei der Stiftung geht es um etwas ganz anderes.
Es geht um einen grossen und wichtigen Willensakt
- jenseits der Dimension von äusserem Druck
- oder irgendwelcher Schuldanerkennung
- und mit starker Wirkung auf viele Jahre hinaus.
Ich bin jedoch zuversichtlich,
- dass Parlament und Volk sehr differenziert zu unterscheiden wissen
- zwischen einem jährlichen Haushaltsbudget
- und einer ausserordentlichen Wertanlage !
II.
Die Idee der Stiftung
- knüpft also am gegenwärtigen Problem an,
- schlägt aber einen grossen Bogen zu viel grundlegenderen Problemen !
Wir geben aber gerne zu,
- dass die Idee wohl ohne die aktuellen Umstände
- nicht geboren worden wäre.
Manchmal
- sind es schwierige Situationen,
- die zu grundlegendem Nachdenken anregen.
Im Zusammenhang
- mit der aktuellen Lage
- haben wir uns die Frage gestellt,
- ob unsere Probleme letztlich nicht viel tiefer liegen.
Warum wird die Integrität der Schweiz plötzlich angezweifelt ?
- Warum glaubt man uns nicht, obwohl wir redlich bemüht sind, unsere
Geschichte aufzuarbeiten ?
- Warum herrscht der Eindruck, die Schweiz schaue kaltherzig nur auf
Gewinn und Eigennutz ?
- Warum finden wir auch in den Schlüsselfragen in der Schweiz selber
keinen Konsens mehr ?
- Warum zerstreiten wir uns, statt jene Dialogkultur zu pflegen, die
unsere Willensnation erst stark gemacht hat ?
- Woher kommt der Eindruck, dass einzelne Interessen gegenüber dem
Gemeinsinn immer mehr Ueberhand nehmen ?
Alles das sind Indizien,
- dass die Substanz unseres gemeinsamen Fundamentes
- nicht mehr jene Festigkeit aufweist,
- die nötig wäre,
- um in schwieriger Zeit die grossen Probleme gemeinsam zu lösen.
Wenn die Solidarität
- eines Landes von aussen her angezweifelt
- und von innen her vergessen wird,
- so ist das zum Schaden des Landes.
So gesehen,
- ist die Stiftung eine wichtige,
- vielleicht sogar wegweisende Investition
- in einen Wert namens Solidarität.
Eine Investition,
- in unsere humanitäre Tradition,
- in den Gemeinsinn,
- in die Glaubwürdigkeit unserer demokratischen Grundwerte,
- eine Investition auch in den inneren Zusammenhalt.
III.
Die Schweizerische Stiftung für Solidarität
- kann also Antwort geben
- auf einen ganzen Strauss von Fragen,
- mit denen unser Land von innen und aussen konfrontiert ist.
Wenn wir in Werte investieren,
- auf denen die Schweiz letztlich aufbaut
- und die der Schweiz Ansehen und Selbstbewusstsein verschafft haben
und verschaffen werden,
- so stärkt das uns alle.
Dies rechtfertigt es,
- mit der Bewirtschaftung dieses Teils der Aufwertungsgewinne
- nicht einen einmaligen Beitrag an die Bundeskasse zu leisten,
- der nach einem Jahr schon wieder versickert wäre,
- sondern eine eben eine Investition in die Zukunft zu tätigen.
IV.
Der Stiftungszweck
- steht erst in Umrissen fest !
Potentielle Empfänger der Stiftungsleistungen können sein
- Menschen, die in Not und Armut geraten sind, im Inland und im
Ausland
(für die Schweiz könnte das zum Beispiel die neue Armut sein)
- Opfer von Genoziden, Folter und anderen Menschenrechtsverletzungen
(z.B. auch Opfer des Holocaust oder deren bedürftige Nachkommen)
- Opfer von kriegerischen Auseinandersetzungen oder Katastrophen,
- möglicherweise auch Institutionen, die sich mit der Prävention der
geschilderten Notlagen befassen (Z.B. IKRK).
Die Formulierung des Stiftungszwecks
- wird noch viel subtile Arbeit brauchen,
- die in der nächsten Zeit geleistet werden muss
V.
Für das grosse Vorhaben
- müssen zuerst die rechtlichen Grundlagen
- geschaffen werden.
Deshalb
- sind Parlament und Volk gefordert.
Die geltende Verfassung
- geht von der Bindung der Währung an das Gold aus.
Es ist heute unbestritten,
- dass die Aufhebung der Einlösungs- und Golddeckungspflicht
- geboten ist.
- Sie entspricht
- weder der Verfassungswirklichkeit,
- noch der internationalen Wirtschaft- u. Währungsordnung.
Für die Demonetisierung des Goldes
- braucht es deshalb eine Verfassungsänderung,
- die wir unabhängig von der Stiftung ohnehin vornehmen müssen.
Der Bundesrat
- wollte dies ursprünglich
- im Rahmen der Verfassungsrevision tun.
Wie Sie wissen,
- möchte die WAK des Nationalrates rascher vorwärts machen.
Im Lichte der Stiftung,
- entspricht dies nun auch dem Anliegen des Bundesrates.
Wir werden nun
- mit der WAK Gespräche aufnehmen,
- um eine rasche, von der Verfassungsreform losgelöste Lösung zu
finden.
Die Stiftung selber,
- bedarf einer gesetzlichen Grundlage,
- die dem fakultativen Referendum unterliegen wird.
Gleichzeitig
- werden wir auch das Münzgesetz und das Notenbankgesetz
- anpassen müssen,
- auch das etwas,
- was ohnehin geschehen müsste.
Auch die 100 Millionen Franken,
- welche die Nationalbank in den Spezialfonds zugunsten bedürftiger
Opfer von Holocaust/Shoa einzuzahlen bereit ist,
- wird eine referendumsfähige Rechtsgrundlage brauchen.
Dieser Spezialfonds wird also
- von der Wirtschaft und der SNB gespiesen,
- und von einer vom Bundesrat gewählten Fondsleitung verwaltet.
- Der Bund stellt nur das Sekretariat zur Verfügung.
Der Fonds ist auch eine Sofortmassnahme.
Dabei können nicht nur jüdische,
- sondern auch Organisationen anderer Minderheiten
- bei der Verwendung der Mittel mitreden.
Ganz im Gegensatz dazu steht die schweizerische Stiftung.
Ihre Einrichtung ist
- selbstbestimmt und
- weitgehend losgelöst von äusseren Ansprüchen an die Schweiz.
Sie wirkt nach innen wie nach aussen
- und steht unter dem Leitgedanken “Solidarität Schweiz³.
Die Stiftung ist also in Schweizer Hand.
Stiftungszweck
- und rechtliche Grundlagen
- müssen nun ausgearbeitet
- und dem Parlament zugeleitet werden.
Die Leitung sollte wahrscheinlich sogenannt “eminent persons³,
- also Personen, die über jeden Zweifel erhaben sind,
- übertragen werden.
In diesem Sinne
- wird der Bundesrat nun die Arbeit aufnehmen !