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Bericht des Generalstabschefs an Bundesrat Adolf Ogi -Politischer Extremismus in der Armee

3003 Bern, 26. Januar 1999

Pressemitteilung

Bericht des Generalstabschefs an Bundesrat Adolf Ogi -
Politischer Extremismus in der Armee

Politischer Extremismus in der Armee wird zum heutigen Zeitpunkt nicht als
akutes Problem betrachtet; darin stimmen Militärjustiz, Militärverwaltung
und Truppe überein. Insbesondere könne die Existenz eines armeeeigenen,
„hausgemachten“ Extremismus klar verneint werden. Vereinzelt auftretende
Vorkommnisse sollen jedoch beobachtet und geahndet werden. Nament-lich
dürfen im Offizierskorps keine extremistischen Geisteshaltungen toleriert
werden. Das Phä-nomen soll künftig mittels soziologischen Untersuchungen
verfolgt werden. Dies sind die Schlussfolgerungen eines 90-seitigen
Berichtes über „Extremismus in der Armee“, den Gene-ralstabschef Hans-Ulrich
Scherrer Bundesrat Adolf Ogi übergeben hat.

Im Zusammenhang mit rechtsextremen Vorkommnissen in ausländischen Armeen,
insbesondere im An-schluss an das Auftauchen von Gewaltvideos in der
deutschen Bundeswehr in der ersten Hälfte 1998, hatte sich die Frage nach
ähnlichen Vorkommnissen in der Schweizer Armee gestellt. Zusätzlich
aktuali-siert wurde die Thematik durch den im April 1998 von den Medien
aufgegriffenen Fall eines Oberleut-nants, der auf dem Internet Kontakte zu
Neonazis unterhalten hatte und daraufhin von seinem Arbeitge-ber fristlos
entlassen worden war.

Nach entsprechenden Fragen der nationalrätlichen Geschäftsprüfungskommission
erteilte der Chef VBS am 8. Mai 1998 dem Generalstabschef den Auftrag, die
Fragen rund um den Extremismus in der Armee abzuklären. Generalstabschef
Hans-Ulrich Scherrer betraute in der Folge die Abteilung Informations- und
Objektsicherheit (AIOS) in Zusammenarbeit mit der Militärwissenschaftlichen
Arbeitsgruppe (MWA) des Chefs Heer mit den Untersu-chungen und der
Ausarbeitung eines Berichts. Zahlreiche Instanzen wurden miteinbezogen: Das
Oberauditorat, das Kommando Militärische Sicherheit, die Untergruppe
Personelles der Armee, der Rechtsdienst Generalstab, die Pädagogischen Rekru
tenbefragungen 1997 sowie Vertre-ter der Bundespolizei.

Definition des Extremismus

Den Autoren des Berichtes stellte sich sehr rasch die Frage nach der
Definition des Begriffs „Extremismus“. Eine einheitliche Definition liess
sich weder im In- noch im angrenzenden Ausland finden. Ausführlich wird aus
einer Standortbestimmung des Bundesrates von 1992 zu Handen des Parlamentes
zitiert: „Unter Extremismus werden politische Richtungen verstanden, die die
Werte der freiheitlichen De-mokratie und des Rechtsstaates ablehnen. Alle
Strömungen des Extremismus schüren ein Freund-Feind-Denken und sind daher
gegen den politischen Pluralismus gerichtet, wie er die demokratischen
Gesell-schaften auszeichnet. Extremisten betrachten ihren Standpunkt als den
einzig richtigen und kennen dem-zufolge keine Toleranz gegenüber
Andersdenkenden. Extremismus ist kein politischer Kampfbegriff, son-dern
eine notwendige Unterscheidung politischer Zielrichtungen im demokratischen
Rechtsstaat. (...) Nicht alle Extremisten bekennen sich notwendigerweise zur
Gewaltanwendung, aber die meisten schlie-ssen sie in der einen oder anderen
Form nicht aus oder nehmen sie in Kauf.“

Keine Urteile in den letzten acht Jahren

Gemäss Angaben des Oberauditorates sind im militärischen Bereich bis anhin
keine Urteile ergangen, denen eindeutig extremistische Sachverhalte zugrunde
lagen. Es gibt lediglich vier Urteile in einzelnen, sehr speziellen Fällen,
bei denen Extremismus bzw. Rassismus im allerweitesten Sinne eine Rolle
ge-spielt haben.

Urteilsmeldungen an die Untergruppe Personelles der Armee

Der Untergruppe Personelles der Armee im Generalstab gehen die meisten
Informationen aus dem Be-reich des Extremismus auf dem rechtlich
abgestützten Weg über Urteilsmeldungen zu. Medienberichte über
extremistisches Handeln werden durch die Untergruppe im Rahmen des Möglichen
abgeklärt. Diese Überprüfungen sind jedoch schwierig und eine Identifikation
der Betroffenen vielfach nicht möglich. Aus Gründen des Daten- und
Persönlichkeitsschutzes sind Medienmeldungen „unscharf“ abgefasst, und aus
eben diesen Gründen sind spezifische Nachforschungen mangels gesetzlich
vorgesehener Kompetenzen für derartige Abklärungen bei anderen Amtsstellen
nicht möglich.

Bezogen auf den Rechtsextremismus sind in der Praxis keine Fälle bekannt,
bei denen Betroffene durch die Untergruppe Personelles von der
Militärdienstleistung ausgeschlossen worden sind. Von einer allfälli-gen
Zunahme derart gelagerter Ausschlussfälle kann nicht gesprochen werden.

Untersuchung in militärischen Schulen

Im Oktober 1998 wurde eine schriftliche Erhebung bei 58 militärischen
Schulen (Rekru-ten-, Unteroffi-ziers- und Offiziersschulen) durchgeführt.
Damit sollten konkrete Manifestationen des politischen Extre-mismus im
laufenden Jahr zahlenmässig erfasst werden. Eine Sonderauswertung der
Rekrutenerhebung 1997 sollte über die Verbreitung extremistischer und
fremdenfeindlicher Einstellungen unter der wehr-pflichtigen Jugend
Aufschluss geben.

Die Resultate lassen sich wie folgt zusammenfassen:
· Weder der linke noch der rechte Extremismus sind derzeit von quantitativer
Bedeutung in den militäri-schen Schulen.
· Politisch extreme Ansichten sind bei jungen Armeeangehörigen etwa im
gleichen Ausmass verbreitet wie in der Bevölkerung.
· Als links- bzw. rechtsextremistisch müssen je etwa drei Prozent der 1997
befragten Rekruten bezeich-net werden.
· Bei den vereinzelt aufgetretenen Fällen extremistischer Manifestationen in
Schulen handelt es sich mehrheitlich um solche rechtsextremer Gesinnung. Die
meisten sind Ausdruck einer diffusen, allge-meinen Fremdenfeindlichkeit.
· Die Gefahr, dass Rechtsextreme in Kaderpositionen gelangen, wird als
gering eingestuft.
· Die überwiegende Mehrheit der Schulkommandanten ist sich darin einig, dass
derzeit keine steigende Tendenz in Richtung Extremismus unter den jungen
Militärangehörigen festzustellen ist.

Alles in allem lassen die Untersuchungen den Schluss zu, dass die Milizarmee
mit ihren kurzen Dienst-zeiten und ihrem geringen Kasernierungsgrad keine
idealen Voraussetzungen abgibt für männerbündi-sche und rechtsextreme
Subkulturen. Ähnliches gilt für linksextreme Umtriebe.

Extremismus ist kein akutes Problem, muss aber beobachtet werden

Politischer Extremismus in der Armee wird zum heutigen Zeitpunkt
übereinstimmend von Militärjustiz, Militärverwaltung und Truppe nicht als
akutes Problem erachtet. Insbesondere kann die Existenz eines armeeeigenen,
„hausgemachten“ Extremismus klar verneint werden. Die von den erwähnten
Instanzen registrierten Vorfälle und Beobachtungen sind Einzelfälle. Dennoch
ist vorgesehen, dem Problem mittels soziologischer Untersuchungen (u.a. im
Rahmen der laufenden Pädagogischen Jugend- und Rekruten-befragungen)
weiterhin volle Aufmerksamkeit zu schenken und darüber auch von Zeit zu Zeit
erneut zu informieren.

Nicht unterschätzt werden darf das derzeitige Stadium latenter
Fremdenfeindlichkeit. Deren Tolerierung als scheinbare Normalität kann sehr
rasch den Nährboden für eine Entwicklung in Richtung (Rechts-)Extremismus
ebnen. Es darf deshalb kein vordergründiges Sicherheitsgefühl entstehen. Die
vereinzelt auftretenden Vorkommnisse von politischem Extremismus müssen
beobachtet und wenn notwendig ver-folgt werden.

Die einschlägigen Rechtsvorschriften sind differenziert und ausgewogen. Eine
gesetzliche Lücke muss insofern geschlossen werden, als ein Ausschluss aus
der Armee künftig auch dort möglich sein muss, wo eine extremistische
Geisteshaltung eines Armeeangehörigen zwar noch nicht die Grenze der
Strafbarkeit überschritten hat, aber einem Einsatz im vorgesehenen oder
bereits übernommenen Grad der Armee in höchstem Masse abträglich wäre.

 EIDGENÖSSISCHES DEPARTEMENT FÜR VERTEIDIGUNG,  BEVÖLKERUNGSSCHUTZ UND SPORT
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