Schweizer Wappen

CONFOEDERATIO HELVETICA
Die Bundesbehörden der Schweizerischen Eidgenossenschaft

Homepage
Mail
Suche

Die Schweiz restauriert eine Felsenkirche in Äthiopien

EIDGENÖSSISCHES DEPARTEMENT           Bern, 20. Januar 1999
FÜR AUSWÄRTIGE ANGELEGENHEITEN

Pressemitteilung

Die Schweiz restauriert eine Felsenkirche in Äthiopien

Am 29. Januar 1999 werden der äthiopische Kulturminister und Herr Paolo
Brogini, Schweizerischer Botschafter in Addis Abeba, die Kirche Adadi Mariam
einweihen, welche auf Initiative der Nationalen Schweizerischen
UNESCO-Kommission restauriert wurde.

Die Restauration dauerte 18 Monate. Sie erfolgte zuerst unter der Leitung
von Herrn Philipp Speiser, Architekt im Kulturgüterdienst des Kantons
Freiburg, dann durch Herrn Uwe Minuth, Ar-chitekt in Berlin. Beide konnten
auf die Unterstützung von Herrn Laurent Chablais, Ingenieur aus
Esta-vayer-le-Lac, zählen.

Adadi Mariam ist eine unterirdische, monolithische Kirche, welche vor über
500 Jahren in den Stein ge-hauen wurde. Sie befindet sich 65 km von der
Hauptstadt entfernt. Es handelt sich um einen wichtigen Pilgerort und einen
Treffpunkt für die orthodoxen Christen der Region. Am 29. Januar, Tag der
Maria, kommen die Leute zu Tausenden, um sich dort zu sammeln.

Dieses Projekt, welches mit 200'000 CHF von der Direktion für Entwicklung
und Zusammenarbeit (DEZA) getragen wurde, verbindet die Erhaltung des
Kulturerbes und die dauerhafte Entwicklung. Die lokale Bevölkerung wurde in
die Arbeit miteinbezogen. Traditionelle Handwerkmethoden wurden
wiederbelebt. Äthiopische Ingenieure konnten sich mit Restaurationstechniken
vertraut machen, welche eine alte Kon-struktion erfordert. Dank der
Erstellung einer Fussgängerbrücke, ist der Ort nun das ganze Jahr hindurch
zugänglich, sei dies für Pilger oder Touristen. Die nötige Infrastruktur zu
deren Betreuung steht und wird durch die Dorfbewohner verwaltet, welche von
der wirtschaftlichen Belebung profitieren können.

Pressedokumentation

Die Schweiz restauriert eine Felskirche in Ethiopien

Projektgeschichte
Im September 1994 warf die Nationale Schweizerische UNESCO-Kommission in der
Person des damaligen Präsidenten ihrer Kultursektion, Jean-Baptiste de Weck,
die Idee eines schweizerischen Beitrages zur internationalen Kampagne der
UNESCO zur Rettung äthiopischer Kulturdenkmäler auf. Die Auswahl fiel auf
die christliche Felsenkirche von Adadi Mariam, die neben den aus dem 12.-15.
Jh. stammenden Stelen von Tiya zu den UNESCO-Weltkulturgütern gezählt wird.

Die äthiopisch-orthodoxe Kirche
Über die Hälfte der Bevölkerung bekennt sich zum christlich-orthodoxen
Glauben äthiopischer Ausprägung. Die Religion spielt im täglichen Leben der
christlichen Äthiopier/innen noch heute eine bestimmende Rolle. Sie ist
Ausdruck eines festen Traditionsbewusstseins und damit unent-behrlicher
Bestandteil der äthiopischen Kultur.

Die Felsenkirchen Äthiopiens
Mit den Felsenkirchen Äthiopiens verbindet der interessierte Laie in erster
Linie die weltberühmten, von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärten elf
Monolithkirchen (aus einem Stück Fels gehauene Kirchen, welche auf allen
vier Seiten vom sie umgebenden Felsmassiv losgelöst sind) von Lalibela,
welche vor rund 800 Jahren entstanden sind. Die Kirchen zu Lalibela zeichnen
sich durch vollendete Formen, architektonische Meisterschaft und durch die
Pflege von Details aus. Sie sind untereinander mit einem komplizierten
Labyrinth aus Tunneln, Gängen, Grotten und Galerien ver-bunden, deren
verschlungene Pfade einzig den Priestern und Diakonen offenstehen.

Die Felsenkirche von Adadi Mariam ("Mutter Maria")
Sie befindet sich etwa 65 km südlich von Addis Abeba. Das aus dem Stein
gehauene und zur Kate-gorie der Monolithkirchen gehörende Gotteshaus und der
zugehörige Friedhof, liegen von ihrer Umgebung erhöht auf felsigem
Untergrund. Sie sind vom Anfahrtsweg aus kaum sichtbar. Das mit dichtem,
hohem Gras bewachsene Kirchendach lässt das Gebäude vollkommen mit der
Umgebung verschmelzen. Eine ebenfalls im Rahmen des schweizerischen
Projektes realisierte Fussgänger-brücke über den Flusslauf, erleichtert den
Besucherinnen und Besuchern den Zugang zur Kirche.

Die Einheimischen geben das Alter ihrer Kirche mit 991 Jahren an. Trotz
ihrer weniger ausgereiften und ursprünglicheren Bauweise gehen die
Wissenschafter heute indessen davon aus, dass Adadi Mariam nach den
Felsenkirchen von Lalibela entstanden ist. Die genaue Entstehungszeit ist
aller-dings unklar; die Angaben reichen vom 13. bis ins 16. Jahrhundert.
Eine genaue Datierung wird wie bei anderen Kirchen Äthiopiens erschwert
durch das Fehlen von Inschriften, die beschränkte Aus-sagekraft der
verfügbaren Chroniken, Unzuverlässigkeit stilistischer Kriterien und durch
die lokalen Traditionen, welche der historischen Wahrheit oft
entgegenstehen.

Adadi Mariam soll bis im 16. Jahrhundert als Kultstätte gedient haben, wurde
dann zugeschüttet und geriet in Vergessenheit. Sie wurde erst 1887
wiederentdeckt. Ihr Jahrhunderte währender "Dornröschenschlaf" hat
sicherlich zu ihrer relativ guten Erhaltung bis in die heutige Zeit
beige-tragen. Jedoch wurden erhebliche Schäden an ihrer baulichen Substanz
festgestellt. Ursachen hierfür waren pflanzlicher Bewuchs und Durchnässung.
Um den Gesamteindruck der gesamten Kirchenanlge nicht zu stören, wurden für
Aethiopien neuartige Restaurierungs- und Sicherungsmassnahmen durchgeführt.

Wie in der äthiopischen Kirchenarchitektur üblich, verfügt auch Adadi Mariam
über einen recht-eckigen Grundriss und besteht aus zwei getrennten, axial
angeordneten Innenräumen und einem äusseren umlaufenden Gang (ähnlich den
Chorgängen der Gotik), in dem sich die gewöhnlichen Gläubigen und die
Musiker aufhalten. In dem mittleren Raum, welcher in früheren Zeiten der
königlichen Familie vorbehalten war, halten sich heute die Priester auf. Im
innersten Kreis werden die heiligen Schriften aufbewahrt. Die Kirche ist
durch einen schmalen Graben vom Fels getrennt. Zum Gebäude führen drei
Treppen hinunter; zwei werden ausschliesslich von Priestern bzw. männlichen
Gläubigen benutzt, die dritte ist den Frauen vorbehalten. Adadi Mariam ist
19.5m lang, 16m breit und ca. 6m hoch und verfügt insgesamt über 10 Türen
und 24 Fenster. Die umgebende Felswand weist mehrere Zellen auf, welche der
Busse, dem Fasten oder der Andacht dienen.

Entgegen der üblichen Ausgestaltung weist Adadi Mariam einen sehr schlichten
und eher einfachen Stil auf. Keine Malereien zieren die Wände des Gebäudes.
Nachdem die Kirchen Äthiopiens allesamt mit religiösen Motiven verziert
sind, vermuten Fachleute, dass auch Adadi Mariam ur-sprünglich einmal mit
solchen dekoriert war. Die kulturhistorische Bedeutung der Kirche liegt
nicht zuletzt darin begründet, dass ihre Gestalt in den vergangenen
Jahrhunderten wohl kaum Änderun-gen erfahren hat. Einzig die aus Holz
geschaffenen Türen und Fenster sowie deren jeweilige Um-rahmung wurden in
den vergangenen Jahrzehnten erneuert.

Bedeutung der Renovierung und Konservierung von Adadi Mariam

? Für die kulturelle Identität der lokalen Bevölkerung: Die Kirche ist hier
mehr als "nur" Aus-druck der individuellen Hingabe an Gott. Sie ist zugleich
sozialer Treffpunkt, wo Nachrichten ausgetauscht, Bekanntschaften gepflegt
und Geschäfte abgeschlossen werden. Adadi Mariam wird von 25'000 bis 30'000
regelmässig wiederkehrenden Kirchgängern frequentiert. Dieselbe Quelle
geht - ohne Pilger und den Besuchern der Saint Mary's Days - von jährlich
etwa 35'000 Touristen aus, davon ca. 7'000 Ausländern.

? Für die Bevölkerung: Das schweizerische Projekt hat die lokale Bevölkerung
in die Instand-setzungsarbeiten integriert. Abgesehen von der Schaffung
temporärer Arbeitsplätze soll die Bewusstseinsbildung für die historische
Stätte gefördert werden: Schulung von einheimischen Handwerkern und
Ingenieuren im Umgang mit Baudenkmälern; Einbezug der äthiopischen
Denkmalpflege; Wiederbelebung des traditionellen Handwerks durch die vor Ort
verrichteten Arbeiten; Institutionalisierung einer selbsttragenden Struktur
zum künftigen Unterhalt der Anlage.

? Für die Entwicklung des Tourismus: Bereits heute findet sich Adadi Mariam
in allen guten Reiseführern zu Äthiopien. Der schweizerische Beitrag zur
Erhaltung dieser in der Gegend einzigartigen Kirche hat sicherlich
wesentlich dazu beigetragen, dass die Stätte Interessierten auch in Zukunft
zugänglich bleiben wird. Dabei kann erwartet werden, dass der Verkauf von
Marktprodukten und lokalem Kunsthandwerk sowie das Betreiben des Gästehauses
eine zwar bescheidene aber willkommene Einnahmequelle für die vollständig
Subsistenzwirtschaft betrei-bende Dorfbevölkerung darstellen wird.

Kulturpolitische Bedeutung des Projektes
Mit ihrem Engagement macht die Schweiz nicht zuletzt auf das reiche
Kulturerbe Äthiopiens auf-merksam. Es ist zu hoffen, dass ihr Beitrag
Signalwirkung entfalten und andere Geberländer zu ähnlichen Projekten
motivieren wird.

Eine ausführliche Dokumentation (21 Seiten) ist beim Sekretariat der
Nationalen Schweizerischen UNESCO-Kommission erhältlich (Tel. 031/ 324 10 62
oder madeleine.viviani-schaerer@eda.admin.ch).