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Berufliche Vorsorge: Vernehmlassung über die erste BVG-Revision

Medienmitteilung

Berufliche Vorsorge: Vernehmlassung über die erste BVG-Revision
Der Bundesrat hat die Vorlage für die erste Revision des Bun-desgesetzes
über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invali-den-vor-sorge (BVG)
in die Ver-nehmlassung ge-schickt. Die Vorlage gliedert sich in zwei Teile:
Einerseits wer-den konkrete Vorschläge zur Erhaltung des Leistungsniveaus
und zur Verbes-serung der Durchführung gemacht. Andererseits will der
Bundesrat mit weite-ren Vor-schlä-gen eine breite Diskussion über die
weitere Entwicklung der zwei-ten Säule führen, so insbesondere über die
Ausweitung des Vorsorgeschutzes auf Versi-cherte mit tiefen Ein-kommen und
auf Teilzeit-beschäftigte sowie über die teil-weise Teuerungsanpassung. Die
Ver-nehmlassung dauert bis zum 30. November 1998.
Rahmen und Zielsetzung
Partielle Revisionen des BVG sind seit Inkrafttreten des Gesetzes im Jahre
1985 als Reaktion auf drängende Probleme mehrfach durchgeführt worden
(Stichworte: Frei-zügigkeitsgesetz, Wohneigentums-förderung, Ausweitung der
Insolvenzdeckung). In der Bundesverfassung und im BVG selbst ist der Auftrag
an den Bundesrat veran-kert, dem Parlament rechtzeitig eine Gesetzesrevision
zu beantragen, damit die angestrebte Vorsorge (Fortführung der gewohnten
Lebenshaltung) erreicht wird.
Am 8. April 1998 hat der Bundesrat nach Kenntnisnahme des IDA FiSo
2-Be-richtes sowie verschie-dener Vorschläge des Eidgenössischen
Departe-ments des In-nern die Leitplanken für die Zukunft der
Sozialversiche-rungen und damit für das nun vorliegende Revisionsvorhaben
gesetzt.
Die konkreten Vorschläge des ersten Teils der Vernehmlassungsvorlage zielen
dar-auf ab, das bisher erreichte Niveau der Vorsorge auch in Zukunft zu
erhalten und die Durchführung der berufli-chen Vorsorge zu verbessern. Die
Vorschläge des zweiten Teils sol-len die breite Dis-kussion über die
zukünftige Entwicklung des Vorsorge-systems er-möglichen. Insbe-son-dere
soll diskutiert werden, ob und wie das Vorsor-gesystem auf Personen mit
tiefen Einkommen ausgeweitet und den Änderungen im Arbeitsverhal-ten der
Gesell-schaft sowie den veränderten ökonomischen und
fi-nanzwirtschaft-li-chen Rahmen-bedingungen angepasst werden kann. Der
Bundesrat wird nach Würdigung der Vernehmlassungsergebnisse entscheiden, ob
und wie diese Revisionspostulate weiterverfolgt werden.

1. Teil: Elemente zur Konsolidierung
Anpassung des Umwandlungssatzes und Erhaltung der Rentenhöhe
Die zu-nehmende Lebenserwartung wirkt sich auch im in der zweiten Säule
angewandten Kapitaldeckungsverfah-ren aus: Wegen der höheren Lebenserwartung
müssen die Versi-cherten länger vom ange-spar-ten Vorsor-gekapital zehren.
Das be-deutet aber, dass der Um-wandlungssatz, welcher die Rentenhöhe
bestimmt, ge-senkt werden muss. Damit bei durchschnittlich längerer
Rentenbezugsdauer das Rentenniveau dennoch erhalten bleibt, schlägt der
Bundes-rat als flankierende Massnahme die Erhöhung der
Altersgutschriftensätze vor. Finanziert werden soll sie entweder über
Beiträge der Versicherten und ihrer Arbeitgeber oder über Mittel für
Sondermassnahmen (vgl. Glossar). Insge-samt führen die beiden Vorschläge zu
keiner Lei-stungsverbesserung, sondern si-chern das erreichte Vorsorgeniveau
auch in Zukunft.
Massnahmen zur Verbesserung der Durchführung
Verschiedene weitere Massnahmen sollen die Durchführung der beruflichen
Vor-sorge erleichtern und verbessern, insbesondere in den folgenden
Bereichen:
n Unterstellungspflicht
Die Kontrolle, ob sich der Arbeitgeber einer Vorsorgeeinrichtung
angeschlossen hat, soll vereinfacht werden. Hierzu soll die Meldung der
AHV-Ausgleichskassen in Zu-kunft direkt an die Auffangeinrichtung BVG
erfolgen. Die Verwaltungskosten, welche der Auffangeinrichtung BVG und den
AHV-Ausgleichskassen dadurch entstehen, sollen durch den Sicherheitsfonds
BVG getragen werden, soweit sie nicht auf den Verursacher abgewälzt werden
können.
n Information der Versicherten
Die Praxis zeigt, dass die einzelnen Vorsorgeeinrichtungen eine sehr
unter-schiedli-che Informationspolitik betreiben. Der Bundesrat erachtet es
als notwen-dig, dass die Versicherten ein Mindestmass an Informationen
erhalten und jährlich von den Vor-sorge-ein-richtungen über ihre persönliche
Vorsorgesituation und über die Tätigkeit der Vorsorgeeinrichtung informiert
werden.
n Verjährung
Angesichts unterschiedlicher Verjährungsbegriffe im Bereich der beruflichen
Vor-sorge wird die einheitliche Anwendung nahezu verunmöglicht. Dies hat
sich insbe-sondere gezeigt bei Abklärungen im Zusammenhang mit den
"vergessenen Gutha-ben". Die allgemeinen Vorschriften über die Verjährung
von Leistungsansprüchen der Ver-sicherten gegenüber der Vorsorgeeinrichtung
sollen daher einheitlich sowohl für die obligatorische als auch die
überobligatori-sche Vorsorge gelten. Die Frist für die Ak-tenaufbewahrung
wird dementspre-chend verlängert.
n Liquidationen
Bei Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen, denen zahlreiche Arbeitgeber
ange-schlossen sind, fallen häufig Liquidations- und
Teilliquidationsvorgänge an. Sie ge-hören zum Alltagsgeschäft und werden
bei-spielsweise durch Neuan-schlüsse und Vertragsauflösungen infolge
Wechsels der Vorsorgeeinrichtung oder Geschäfts-aufgabe verursacht. Zur
Erleichterung der aufsichtsmässi-gen Behandlung dieser Vorgänge soll das
Genehmigungsverfah-ren der Aufsichtsbe-hörde vereinfacht und beschleunigt
werden.
n Rechtsweg
Für Streitigkeiten, die sich im Zusammenhang mit Freizügigkeitseinrichtungen
erge-ben, soll ebenfalls der besondere Rechtsweg gemäss BVG gelten, der
bereits für  Streitigkeiten aus dem Vorsorgeverhältnis gilt.

2. Teil: Vorschläge zur Weiterentwicklung
Der Bundesrat hält fest, dass sich das geltende System der beruflichen
Vorsorge - das sich immer noch in seiner Aufbauphase befindet - bislang
bewährt hat. Die so-zial-partnerschaft-liche Ausgestaltung von zentralen
Elementen der beruflichen Vor-sorge (Stichworte: Finanzierung, Organisation,
Vermögensanlage) hat sich ebenfalls als sehr tragfähig erwiesen. Er ist aber
der Meinung, dass gezielte Verbesse-rungen im Bereich des Obligatoriums der
beruflichen Vorsorge nötig sind, um das Vorsor-gesy-stem den neuen
Herausforderungen weiter anzupassen.
Die Vorschläge zeigen Lösungsmöglichkeiten für diese neuen Herausforderungen
auf. Es handelt sich um Vorschläge, welche auf der einen Seite
sozialpolitisch not-wendige Leistungsverbesserungen darstellen, auf der
anderen Seite jedoch über das heutige Leistungsvolumen hinausgehen. Der
3-Säulen-Bericht des Eidg. Depar-tementes des Innern von 1995 hat
aufgezeigt, dass die Er-satzquote von 60 Prozent den Versicherten mit
kleinen Einkommen die Fortführung der gewohnten Lebenshal-tung nicht
gewährleistet, dass für tiefe Einkommen viel-mehr eine Ersatzquote von 80
Prozent angestrebt werden müsste. Der für die BVG-Vorsorge massgebende Lohn
sollte des-halb generell für diese Versicherten erhöht werden und der
Vor-sorgeschutz sollte ebenfalls Personen  um-fassen, welche nach dem
heutigen System nicht versi-chert sind.
Aus diesem Grund stellt der Bundesrat - auch verschiedenen parlamentarischen
Vorstössen folgend - frühzeitig entspre-chende Massnahmen zur Diskussion.
Die Er-arbeitung einer Botschaft allerdings macht er von den Ergebnissen der
Vernehmlas-sung abhängig.
Senkung der Eintrittsschwelle und Erhöhung des koordinierten Lohnes für
Versicherte mit kleinen Ein-kommen
Eine Variante sieht vor, die Ein-trittsschwelle für das Obligatorium auf
11'940 Franken zu senken, eine andere auf 15'920 Franken. Damit würde
erreicht, dass mehr Erwerbstätige in der zweiten Säule versichert sind. Der
Bundesrat schlägt weiter vor, im Einkommensbereich bis maximal 60'000
Franken eine neue Definition des für die berufli-che Vorsorge massgebenden
Lohnes vorzunehmen. Damit wird gezielt für alle Versicherten mit kleinen
Ein-kommen der koordinierte Lohn erhöht, wodurch sie entsprechend höhere
Lei-stun-gen als nach dem heutigen System erhalten. Die Ersatzquote erhöht
sich dadurch gegenüber der geltenden Ordnung von 60 auf 75 bis 80 Prozent.
Ausweitung des Versicherungsschutzes auf Teilzeitbeschäftigte
Das BVG geht vom Normalfall der Vollzeitbeschäftigung aus; auch für
Teilzeitbe-schäftigte gilt der volle Koordinationsabzug von zur Zeit 23'880
Franken. Viele Teil-zeitbeschäftigte sind deshalb gar nicht oder nur
ungenügend in der zweiten Säule versi-chert. Mit einer Senkung des
Koordinationsabzuges in Abhängigkeit vom Beschäfti-gungsgrad wird erreicht,
dass mehr teilzeitbeschäftigte Erwerbstätige - insbeson-dere Frauen - in der
zweiten Säule versichert sind.
Anpassung der Altersrenten an die Preisentwicklung
Heute werden lediglich Invaliden- und Hinterlassenenrenten der zweiten Säule
bis zum Rücktrittsalter zwingend der Teuerung angepasst. Das Vorsorgesystem
soll künftig Leistungen bieten, die  auch nach Erreichen des
Rücktrittsalters in gewissem Um-fang der Teuerung ange-passt werden.
Allerdings liegt ein vollständiger Ausgleich der festgestellten Teuerung
nicht im Bereich der finanziellen Möglich-keiten. Der Bundesrat stellt
deshalb ein Modell zur Diskussion, das die Vorsorgeeinrichtungen
verpflichtet, bestimmte Finanzmittel bereitzustellen und damit die Teuerung
auch bei den Altersrenten selbständig auszuglei-chen.
Die Höhe dieser Finanzmittel soll in einem direkten Verhältnis zu bestimmten
Kennziffern der Pensionskassen stehen: Nämlich 10 Prozent der Jahresausgabe
für BVG-Altersrenten und al-lenfalls zusätzlich ein Prozent der
BVG-Lohnsumme der Versicherten. Dieses Modell berücksichtigt die
unter-schiedlichen Arten der Kas-sen und nimmt in Zeiten stärkerer Teuerung
den grossen Finanzierungsdruck von den Vorsor-geein-rich-tungen.
Vereinheitlichung der Begünstigtenordnung in der zweiten Säule
Der Bundesrat schlägt vor, die geltenden Regelungen der Begünstigung in der
zweiten Säule zu vereinheitlichen. Die Begünstigung soll für engere
Familienmitglie-der sowie neu für Konkubinatspartnerinnen und -partner
gelten.
Kosten der Vernehmlassungsvorlage
Die Kosten für die Vorschläge des ersten Teils belaufen sich theoretisch auf
jährlich rund 1‘200 Millionen Franken. Sie resultieren hauptsächlich aus der
flankierenden Massnahme zur Erhaltung des Leistungsniveaus bei der
vorgeschlagenen Senkung des Um-wandlungssatzes. Sie können durch Umleitung
von Mitteln für bestehende Sondermassnahmen drastisch reduziert werden.
Unter Anrechnung der schon heute ausserobligatorisch finanzierten Kosten der
zunehmenden Lebenserwartung ist noch einmal mit geringeren Mehrauslagen zu
rechnen.
Zusammen mit den im zweiten Teil zur Diskussion gestellten Vorschlägen für
eine Weiterentwick-lung der beruflichen Vorsorge, insbesondere der
Neudefinition des Koordinations-abzuges und der Teuerungsanpassung der
Altersrenten, ergeben sich jährlich Ge-samtkosten zwischen 1,1 und 2,8
Milliarden Franken. Verrechnet sind dabei nicht mehr benötigte Mittel für
Sondermassnahmen von rund 1 Milliarde Franken.
Allerdings haben Vorsorgeeinrichtungen mit hohem Leistungsstandard gewisse
Re-vi-sionspunkte schon heute erfüllt. In diesen Fällen wird die neue
BVG-Regelung fi-nanziell nicht wirksam. So gerechnet ergeben sich geschätzte
effektive Gesamt-ko-sten, die sich zwischen 745 Millionen und 1‘530
Millionen Franken bewegen und gemäss den Vorschlägen durch
Pensionskassenbeiträge der Versicherten und der Arbeitgeber/innen finanziert
werden sollen. Umgerechnet in die theoretische Vergleichsgrösse
AHV-Lohnprozente entsprechen die genannten Kosten 0,3 bis 0,6
Prozentpunkten.
 EIDG. DEPARTEMENT DES INNERN
 Presse- und Informationsdienst
Auskünfte: Tel. 031 / 322 90 36
 Daniel Stufetti
 Chef Abt. Berufliche Vorsorge
 Bundesamt für Sozialversicherung
Beilagen:
- Glossar («Die Begriffe»)
- Vernehmlassungsbericht, Liste der Ver-nehmlassungsadressat/innen
 Die Begriffe

Massgebender Lohn / koordinierter Lohn
Dies ist der Lohn, auf dem die Beiträge für die berufliche Vorsorge erhoben
werden. Er entspricht dem AHV-pflichtigen Lohn abzüglich des
Koordinationsabzugs (siehe Stich-wort). AHV-Lohn minus Koordinationsabzug
ergibt den "koordinierten Lohn". Für die be-rufliche Vorsorge nach BVG ist
dies der massgebende Lohn. Da der gemäss BVG versicherte Lohn plafoniert
ist, beträgt der koordinierte Lohn derzeit maximal 47'760 Franken.
Eintrittsschwelle und Koordinationsabzug
Die Leistungen der BVG-Minimalvorsorge (2. Säule) werden, um zusammen mit
der AHV das Vorsorgeziel zu erreichen, mit denjenigen der ersten Säule
koordiniert (siehe Stich-wort "massgebender / koordinierter Lohn"). Dies
geschieht durch einen festen Abzug vom Bruttolohn, dem sogenannten
Koordinationsabzug. Er ent-spricht der doppelten minimalen jährlichen
AHV-Altersrente, zur Zeit also 23'880 Franken. Nur Einkommen, das über dem
Koordinationsabzug liegt, ist in der 2. Säule versi-chert. Die
Eintrittsschwelle bezeichnet in der beruflichen Vorsorge das Ein-kommen, ab
welchem jemand in der 2. Säule versichert ist. Eintrittsschwelle und
Koordinati-onsabzug fallen heute zusammen und betragen 23'880 Franken.
Ersatzquote
Sie gibt das Verhältnis zwischen dem Bruttoeinkommen im Rentenalter und dem
Bruttoeinkommen an, welches jemand vor dem Rentenalter erreicht hat.
Altersgutschrift
Die Versicherten erhalten jährlich eine Altersgutschrift, die in Pro-zenten
des versicherten Lohnes bemessen wird und durch die Lohnabzüge und die
Bei-träge der Arbeitgeber finanziert wird. Die Altersgutschriften werden
verzinst. Gutschriften und Zinsen bilden das angesparte Altersguthaben, von
welchem bei der Berechnung der späteren Altersrente ausgegangen wird.
Umwandlungssatz
Die BVG-Altersrente wird aufgrund des angesparten Altersguthabens und des
Umwandlungssatzes berechnet. Der Umwandlungssatz ist vor allem abhängig von
der durchschnittlichen Lebenserwar-tung der Altersrentner/innen. Je länger
die Versicherten im Schnitt leben, desto län-ger müssen Renten ausbezahlt
werden. Je höher die Lebenserwartung der Alters-rentner/innen, desto tiefer
liegt folglich der Umwandlungssatz.
Sondermassnahmen
Jede Vorsorgeeinrichtung hat seit dem Inkrafttreten des BVG im Jahre 1985
ein Pro-zent der koordinierten Löhne aller Versicherten, die für die
Altersleistungen Beiträge zu zahlen haben, für Sondermassnahmen
bereitzustellen. Sondermass-nahmen sind in erster Linie Ergänzungsleistungen
für die Eintrittsgeneration (Versicherte, welche 1985 das 25. Altersjahr
vollendet und das Rentenalter noch nicht erreicht hatten). Dafür nicht
verwendete Mittel der Sondermassnahmen sollen in zweiter Linie für den
Teuerungsausgleich (insbesondere auf den Alters-renten) eingesetzt werden.
Da der Finanzierungsbedarf zugunsten der Eintritts-generation abnimmt,
schlägt der Bun-desrat nun vor, das Einsatzspek-trum der Finanzierungsmittel
für die Sonder-mass-nahmen zu erweitern (Stichworte: Um-wandlungssatz,
Teuerungsanpassung).