Schweizer Wappen

CONFOEDERATIO HELVETICA
Die Bundesbehörden der Schweizerischen Eidgenossenschaft

Homepage
Mail
Suche

Bundesrat Flavio Cotti im Namen des Bundesrates zum Eizenstat-Bericht


Stellungnahme von Bundesrat Flavio Cotti im Namen des Bundesrates zum
"Eizenstat-Bericht" vom 7. 5. 1997

Meine Damen und Herren

Heute ist der sogenannte Eizenstat-Bericht über die Finanztransaktionen des
Deutschen Reiches publiziert worden. Der Bundesrat erachtet die Studie als
weiteren Beitrag zur Klärung der Transaktionen mit Gold und anderen
Vermögenswerten während und nach dem Zweiten Weltkrieg. Sie wertet weitgehend
Quellen aus, über welche die amerikanische und andere Regierungen seit einem
halben Jahrhundert verfügen. Der Bericht ist sehr umfangreich, eine umfassende
Wertung kann heute noch nicht erfolgen, wir werden ihn nun sorgfältig prüfen.
Dies gilt insbesondere für die allgemeine Haltung der Schweizer Behörden
während des Krieges.

Der Bundesrat begrüsst die Bemühungen der Verantwortlichen der Studie um eine
objektive Darstellung der Sachverhalte. In einer ersten Uebersicht vermisst er
allerdings eine angemessene Würdigung der äusserst schwierigen Lage, in der
sich unser Land militärisch und versorgungsmässig in jener Zeit befand.

Der Kleinstaat Schweiz, meine Damen und Herren, machte während des Zweiten
Weltkrieges eine ausserordentlich schwierige Zeit durch. Man stelle sich vor:
Unser Land war von den Nazis und von den Faschisten umzingelt und bedroht. Und
zwar lückenlos. Die Schweiz hatte keine Wahl: Sie führte eine Politik der
bewaffneten Neutralität. Um zu überleben, musste sie mit allen Ländern,
einschliesslich der Achsenmächte, Handel betreiben. Diese Politik bedeutete für
die Schweiz in dieser dramatischen Zeit eine Gratwanderung, immer mit dem Ziel,
das Land und damit seine Menschen, inklusive der vielen tausenden Flüchtlinge,
die sich hier befanden, vor dem Krieg zu verschonen, Freiheit und Demokratie zu
bewahren. Vergessen wir aber nicht: Praktisch die ganze Bevölkerung war gegen
die Nazis eingestellt. Es ist bemerkenswert, dass der Eizenstat-Bericht auch
auf die grosse wirtschaftliche und politische Bedeutung der Schweiz für die
Alliierten hinweist.

Der Bericht bestätigt die durch die Schweizerische Nationalbank und
verschiedene Historiker bereits aufgearbeiteten Fakten und Zahlen zu den
Goldtransaktionen zwischen der Deutschen Reichsbank und der Schweizerischen
Nationalbank sowie mit den Zentralbanken anderer Länder.

Dagegen enthält der Bericht Belege, wonach die Schweizerische Nationalbank
während des Zweiten Weltkrieges von der Deutschen Reichsbank Goldbarren gekauft
hat, welche sogenanntes Totengold enthalten. Meine Damen und Herren, falls dies
wirklich zutrifft, sind dies zutiefst schockierende Neuheiten. Es ist für uns
fast nicht nachvollziehbar, mit welchem Zynismus und mit welcher Kaltblütigkeit
die Nazischergen Gold ihrer Opfer umschmolzen und als reguläres Zentralbankgold
weiterverkauften. Der Bericht von Unterstaatssekretär Eizenstat bestätigt, dass
die damaligen Verantwortlichen der Schweizerischen Notenbank nicht wussten,
dass in den Goldbarren auch Totengold eingeschmolzen war.

Der heute veröffentlichte Bericht hilft mit, Licht in eines der schlimmsten
Kapitel der Geschichte der Menschheit zu bringen. Dass die Schweiz die volle
Wahrheit will, hat sie immer betont. Deshalb haben wir auch die international
zusammengesetzte Expertenkommission unter der Leitung von Professor Bergier
beauftragt, die noch offenen Fragen zur Rolle der Schweiz zur Zeit des Zweiten
Weltkrieges zu klären. Die Kommission - sie hat ihre Tätigkeit bereits
aufgenommen - verfügt über freien Zugang zu allen relevanten Dokumenten. Der
Bundesrat ersucht die Kommission, den Eizenstat-Bericht in ihren Untersuchungen
miteinzubeziehen.

Der Bericht von Unterstaatssekretär Eizenstat würdigt ausdrücklich die
Schritte, welche die Schweiz in letzter Zeit unternommen hat. Er betont dabei
die führende Rolle, welche unser Land bei der Aufarbeitung dieser schwierigen
Zeit mit diesen verschiedenen eingeleiteten Massnahmen übernommen hat. Ich
weise in diesem Zusammenhang auch auf das von der Schweizerischen
Bankiervereinigung und den internationalen jüdischen Organisationen eingesetzte
Volcker-Komitee hin, welches intensive Abklärungen allenfalls noch bestehender
finanzieller Ansprüche gegenüber Schweizer Banken durchführt. Erinnern möchte
ich auch an den mit 165 Millionen Franken dotierten Spezialfonds zugunsten von
Holocaustopfern und ihrer Familien in Not. Der Bundesrat unterstützt die
Absicht der Schweizerischen Nationalbank, zusätzliche 100 Millionen Franken in
diesen Fonds einzuzahlen mit Nachdruck. Weiter haben, unabhängig vom Staat,
Privatpersonen, Kirchen und Schüler in der Schweiz bereits hunderttausende von
Franken zugunsten von Holocaustopfern gesammelt.

Um seine nationale und internationale Solidarität für die Zukunft erneut zu
beweisen, hat zudem der Bundesrat die Schaffung einer Schweizerischen Stiftung
für Solidarität in die Wege geleitet.

Der Eizenstat-Bericht beleuchtet auch die Rolle anderer Länder sowie jene der
Tripartite-Gold-Kommission. Der Bundesrat wünscht sich, dass die in den
verschiedenen Staaten tätigen Untersuchungskomissionen bei ihren Arbeiten auf
der Suche nach der Wahrheit zusammenwirken und damit zur Klärung der noch
offenen Fragen beitragen.

Der Bundesrat bekräftigt, was er immer betont hat: Wir wollen Wahrheit und
Gerechtigkeit. Die Abklärungen müssen in allen betroffenen Ländern offen und
vorbehaltlos durchgeführt werden. Die Schweiz ist dazu bereit und hat die
notwendigen Schritte dazu eingeleitet.

7.5.1997