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Bundesrat zieht Schlussfolgerungen aus dem Bericht der Historiker Peter ug und Marc Perrenoud

EIDGENÖSSISCHES DEPARTEMENT	Bern, 26. Februar 1997
FÜR AUSWÄRTIGE ANGELEGENHEITEN

Pressemitteilung

Bundesrat zieht Schlussfolgerungen aus dem Bericht der Historiker Peter
Hug und Marc Perrenoud

Der Bundesrat hat vom Bericht der Historiker P. Hug und M. Perrenoud
"In der Schweiz liegende Vermögenswerte von Nazi-Opfern und
Entschädigungsabkommen mit Oststaaten" Kenntnis genommen und daraus
konkrete Schlussfolgerungen gezogen.

Der am 19. Dezember 1996 veröffentlichte Bericht der Historiker kommt
zum Schluss, dass die Schweiz Polen und Ungarn nachrichtenlose
Vermögenswerte im Rahmen der Entschädigungsabkommen zukommen liess,
wobei die Rechte der privaten Berechtigten ausdrücklich vorbehalten
wurden (Polen: total Fr. 480'300; Ungarn; Fr. 325'000). An andere
Staaten erfolgten dagegen keine Zahlungen.

Entsprechend den Empfehlungen des Berichts erklärt sich der Bundesrat
bereit, als Sofortmassnahme die Listen der Eigentümer von
Vermögenswerten, die im Rahmen des Vollzugs des Meldebeschlusses von
1962  in den Fonds für erblose Vermögen überwiesen und anschliessend
für humanitäre Zwecke verwendet wurden, an interessierte Regierungen
und Organisationen herauszugeben und damit die gezielte Suche nach
etwaigen Berechtigten zu ermöglichen. Polen und Ungarn, denen die
Schweiz im Rahmen der Entschädigungsabkommen die nachrichtenlosen
Vermögenswerte ihrer Staatsangehörigen zukommen liess, haben die
entsprechenden Listen bereits erhalten und angekündigt, berechtigte
Eigentümer und Erben entschädigen zu wollen.

Soweit sich heute noch Berechtigte, einschliesslich Erben, aus anderen
(hauptsächlich mittel- und osteuropäischen) Staaten eruieren lassen,
deren Vermögenswerte seinerzeit mit Rücksicht auf die Verhältnisse in
Osteuropa ohne Durchführung eines Erbenruf- und Verschollenenverfahrens
in den Fonds für erblose Vermögen überwiesen wurden, ist der Bundesrat
bereit, diese zu entschädigen.

Der Bericht bezichtigt Bundesrat Kurt Furgler, als EJPD-Vorsteher dem
Bundesrat die Rechtsbeugung beantragt zu haben, es seien trotz
fehlender Rechtsgrundlage bei allen, aufgrund des Meldebeschlusses 1962
als vakant gemeldeten Vermögen von Einlegern aus Oststaaten auf
Verschollenheitsverfahren und Erbenaufrufe zu verzichten und diese
direkt auf administrativem Weg dem Fonds "erbenlose Vermögen"
einzuverleiben.

Dieser Vorwurf trifft nicht zu. Der Bundesrat weist sie entschieden
zurück. Er bedauert, dass durch eine unsorgfältige Wortwahl und
Abklärung der Rechtslage der ungerechtfertigte Eindruck erweckt wurde,
Bundesrat Furgler habe als Vorsteher des EJPD rechtsstaatlich
fragwürdig gehandelt. Dass Dr. Peter Hug seine Aussagen später
relativiert bzw. zurückgenommen hat, vermag diesen Mangel nicht zu
heilen. Es ist festzuhalten, dass der Bundesrat auf der Grundlage des
Meldebeschlusses und der Materialien, insbesondere der in den
parlamentarischen Protokollen festgehaltenen Erklärungen, gehandelt
hat. Das Vorgehen war somit rechtsstaatlich begründet und politisch
breit abgestützt. Die Tatsache, dass im Rahmen der Entscheidfindung
auch andere rechtliche Interpretationen des Meldebeschlusses vertreten
wurden, ändert an dieser Feststellung nichts. Erklärtes Ziel von
Bundesrat und Bundesversammlung war es, die Sicherheit der Eigentümer
und Erben zu wahren sowie jeden Verdacht zu vermeiden, die Schweiz
wolle sich an den Vermögen der Opfer der Verfolgungen vor und während
des Zweiten Weltkrieges bereichern.

Aufgrund der damaligen politischen Situation waren aber faktisch die
Berechtigten in Osteuropa bis zur Wende gar nicht in der Lage, ihre
Ansprüche fristgerecht geltend zu machen. Allerdings besteht heute
seitens des Bundes rechtlich keine Verpflichtung mehr gegenüber den
damaligen Eigentümern und Erben. Mit der Übernahme der Garantie für
individuelle Ansprüche erstattet er private Guthaben zurück, die
infolge des Vollzugs des Meldebeschlusses an die erwähnten
gemeinnützigen Organisationen verteilt worden ist. Aus heutiger Sicht
erscheint eine solche Garantie zugunsten individuell Berechtigter als
angemessen und wichtig.

Der Bundesrat hat das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement
beauftragt zu prüfen, ob hierzu rechtliche Grundlagen notwendig sind
und diese gegebenenfalls auszuarbeiten. Der praktische Vollzug wird dem
Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten übertragen.

Der Bericht analysiert ebenfalls den Zusammenhang der
Entschädigungsabkommen mit dem Meldebeschluss von 1962 und dessen
Vollzug. Die Autoren machen auch dazu eine Reihe konkreter
Empfehlungen.

Der Bundesrat stellt fest, dass der Bericht einen innert sehr kurzer
Zeit ausgearbeiteten, aufschlussreichen und für die weitere Behandlung
der Problematik wertvollen Beitrag darstellt, der in bestimmten Teilen
ergänzungs- und präzisierungsbedürftig ist. Der Bundesrat lädt die von
Prof. Dr. J.-P. Bergier geleitete Expertenkommission ein, die im
Bericht behandelten Fragen, die weiterer historischer und rechtlicher
Abklärungen bedürfen, vertieft zu prüfen.