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Bevoelkerungswandel als Herausforderung und Chance fuer die Politik

Pressemitteilung

Bevölkerungswandel als Herausforderung und Chance für die Politik

Der Anteil der älteren Menschen wird in den nächsten Jahrzehnten in der Schweiz
stetig ansteigen, bevor erneut mit einer Stabilisierung zu rechnen ist. Dies
geht aus einem vom Bundesrat veröffentlichten Bericht "Herausforderung
Bevölkerungswandel - Perspektiven für die Schweiz" hervor. Der Bericht wurde
aufgrund von zwei parlamentarischen Vorstössen erarbeitet und bietet
Grundlagen, um die Auswirkungen des künftigen Bevölkerungswandels zu
beurteilen. Die Studie zeigt u.a. die Folgen der Bevölkerungsentwicklung für
Arbeitsmarkt, Bildungsbereich, Sozialwerke und Abstimmungsverhalten auf.

Der 150seitige Bericht "Herausforderung Bevölkerungswandel - Perspektiven für
die Schweiz" wurde vom Perspektivstab der Bundesverwaltung unter dem Vorsitz
des Bundeskanzlers erarbeitet. Der Bundesrat erfüllt damit die Postulate Rhinow
("Leitbild Schweiz") und Gadient ("Zukunftsdialog"), welche mittel- und
langfristige Visionen zur Gestaltung der schweizerischen Wirtschaft und
Gesellschaft im 21. Jahrhundert forderten. Die Untersuchung diente dem
Bundesrat bei der Vorbereitung seiner Legislaturplanung 1995-99 als Grundlage.

Der Bundesrat erachtet die Diskussion grundlegender Fragen zur Zukunft unseres
Landes als äusserst wichtig, verzichtet jedoch bewusst auf eine abschliessende
Würdigung des Dokuments. Er hält fest, dass es in einem
föderalistisch-liberalen Staatswesen nicht die Aufgabe der Regierung allein
sein kann, gesellschaftspolitische Visionen zu entwerfen. Damit fordert er alle
politisch Interessierten dazu auf, sich an der Erarbeitung eines Leitbildes für
die Schweiz zu beteiligen.

Der Bericht untersucht zentrale Aspekte der Zukunft unseres Landes. Der
gewählte Ausgangspunkt, die demographische Entwicklung, lässt am ehesten
zuverlässige Aussagen über künftige Entwicklungen in der Schweiz zu. Gemäss
diesem Grundszenario ist langfristig mit einer konstanten Bevölkerungszahl zu
rechnen: Die Bevölkerungsgrösse dürfte in 10 bis 15 Jahren mit ca. 7,5
Millionen einen Höhepunkt erreichen und anschliessend auf diesem Niveau bleiben
oder leicht zurückgehen. Das Verhältnis von Personen im erwerbstätigen Alter zu
Personen im Rentenalter wird sich in der Bevölkerung in den kommenden 40 Jahren
von heute 4:1 auf gegen 2:1 verändern. Bisher ist die demographische Alterung
der Schweiz durch die Einwanderung von ausländischen Arbeitskräften wesentlich
abgeschwächt worden. Längerfristig ist aber mit einem konstanten
Ausländeranteil zu rechnen, weshalb die Alterung der Bevölkerung nicht
aufzuhalten sein wird. Erst nach dem Jahr 2035 könnte es zu einer
Stabilisierung kommen.

Die für einzelne Politikbereiche relevanten Szenarien - sie erstrecken sich auf
die nächsten 25 Jahre - zeigen auf, dass sich der Handlungsbedarf durch den
Bevölkerungswandel sektoriell verschärfen wird. Einschneidende Auswirkungen
werden beispielsweise in den Bereichen Arbeitsmarkt, Bildungsinstitutionen und
Sozialversicherungen prognostiziert. Der demographische Wandel birgt für die
Schweiz aber auch Chancen. Mittel- und langfristig dürfte er entlastende
Wirkungen für den Arbeitsmarkt und für einzelne Zweige der sozialen Sicherheit
(Arbeitslosenversicherung, Familienzulagen, Mutterschaftsversicherung) haben.

Aus dem Bericht:

Verschiebung der Altersstruktur und Nachwuchssicherung

Die Verschiebung der Altersstruktur wirft das Problem der Nachwuchssicherung
auf. Der Strukturwandel in der Volkswirtschaft erfordert zunehmend
hochqualifizierte Arbeitskräfte. Aber diesem Qualifikationsbedarf kann je
länger desto weniger damit entsprochen werden, dass die ältere Generation der
jüngeren ihr Wissen weitergibt. Die Bildungsangebote dürften damit mittel- und
langfristig stärker in Anspruch genommen werden. Eine Tendenz, die sich
übrigens bereits abzeichnet: In den Altersgruppen bis 24 Jahre besteht eine
wachsende Neigung zu höherer und längerer Bildungszeit. Ein erhebliches
Potential an jungen und zunehmend gut qualifizierten Erwerbstätigen geht jedoch
dadurch verloren, dass Frauen nach dem 25. Lebensjahr deutlich seltener
erwerbstätig sind als Männer. Damit auch sie zum Einsatz gelangen könnten,
müssten in der Arbeitswelt familienverträgliche Massnahmen (Ausweitung
flexibler Arbeitszeitformen) getroffen werden. Massnahmen drängen sich zudem im
Bereich der beruflichen Weiterbildung auf: Die Alterung der Erwerbstätigen und
der Rückgang des Nachwuchspotentials erfordern permanente Anpassungen und
Neuqualifizierungen.

Soziale Sicherheit unter Druck

Demographische Entwicklung und wirtschaftliche Verhältnisse wirken sich ferner
auf die soziale Sicherheit aus. Die hauptsächlich betroffenen Zweige sind
Altersvorsorge und Gesundheitsversorgung. Während Jahrzehnten wird hier mit
einem beträchtlichen finanziellen Mehrbedarf zu rechnen sein. Die Autoren des
Berichts halten fest, dass die Frage der Finanzierung von alterungsbedingten
Mehrausgaben im Sozialversicherungsbereich heute bereits eine Weichenstellung
erfordert. Weiter ist gemäss Bericht damit zu rechnen, dass der Bereich
"soziale Sicherheit" in nächster Zukunft unter Druck gerät: Einerseits wird
befürchtet, die steigenden Ausgaben könnten die Standortattraktivität der
Schweiz gefährden, andererseits wird auf den Zusammenhang zwischen
wirtschaftlicher Rezession und Verstärkung der defizitären Staatshaushalte
hingewiesen. Die hie und da geäusserten Befürchtungen im Zusammenhang mit den
alterungsbedingten Mehrausgaben sind jedoch gemäss Bericht nur teilweise
berechtigt. Was die AHV anbelangt, hat die automatische Erhöhung der Renten in
der Vergangenheit den grössten Einfluss auf die Ausgabenzunahme gehabt. Die
höhere Lebenserwartung sowie der steigende Rentnerbestand haben vergleichsweise
weniger zum Anstieg der Gesamtausgaben der AHV beigetragen. In Zukunft wird
sich die demographische Alterung allerdings noch deutlicher auf die Ausgaben
der AHV und der beruflichen Vorsorge auswirken.

Als "Antwort" auf die alterungsbedingten Mehrausgaben im
Sozialversicherungsbereich könnten jedoch - so der Bericht - auch neue Formen
von Betreuung, Pflege und Integration Hochbetagter entwickeln werden. Mit
anderen Worten, die zunehmende Zahl von Menschen im dritten Lebensalter stellt
für die Politik zugleich eine Herausforderung und Chance dar. Die Autoren
schlagen beispielsweise vor, neue Wege zu suchen, um unnötige stationäre
Betreuung zu vermeiden, ambulante Hilfs- und Pflegedienste auszubauen und die
Selbsthilfe im Rahmen neuer Wohnformen und sozialer Netze zu fördern.

Auswirkungen auf das Stimmverhalten

Nach dem Jahr 2010 werden mehr als die Hälfte der stimm- und wahlberechtigten
Schweizer und Schweizerinnen über 50 Jahre alt sein, was auch das
Abstimmungsverhalten beinflussen wird. In zwei Themenbereichen wirkt sich die
Alterung der Gesellschaft besonders ausgeprägt aus: Bei Abstimmungen, die das
Verhältnis der Schweiz zum Ausland sowie die innere Sicherheit betreffen. In
den Beziehungen der Schweiz zum Ausland bevorzugen die heute älteren Menschen
eine rein wirtschaftliche Annäherung. Die Unterscheidung zwischen politischer
und ökonomischer Beteiligung am internationalen Geschehen verliert für jüngere
Menschen indes an Bedeutung. Diese befürworten stärker als die älteren
Generationen Forderungen nach Gleichstellung von ausländischen Mitmenschen. Im
Bereich "innere Sicherheit" bestehen in bezug auf die Werthaltungen Gegensätze.
Je älter die Leute sind, desto eher unterstützen sie Rufe nach Ruhe und
Ordnung; was darauf zurückzuführen sein könnte, dass das Sicherheitsbedürfnis
im Alter zunimmt.

Generell sind jedoch die nicht-demographischen Faktoren beim
Abstimmungsverhalten von grösserer Tragweite als die demographischen. Dieser
Tatbestand weist darauf hin, dass der Informationsvermittlung durch Medien,
Parteien und Verbände im Vorfeld von Abstimmungen eine wichtige Rolle zukommt.

Schweizerische Bundeskanzlei
Informationsdienst

Bundesamt für Statistik
Informationsdienst

1. November 1996

Für weitere Auskünfte:
Werner Haug, Bundesamt für Statistik 031/322 86 85
Werner Thut, Schweiz. Bundeskanzlei 031/322 38 90