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Bundesrat eröffnet Vernehmlassung zur Bahnreform

PRESSEMITTEILUNG

Bundesrat eröffnet Vernehmlassung zur Bahnreform

Der Bundesrat hat grünes Licht für die Eröffnung des Vernehmlassungverfahrens
zur Bahnreform gegeben. Die Vernehmlassung dauert bis Ende August 1996. Die
Bahnreform stellt den öffentlichen Verkehr auf eine neue Grundlage. Die
bestehenden strukturellen und rechtlichen Gegebenheiten entsprechen nicht mehr
den Bedürfnissen eines modernen Verkehssystems. Die Bahnreform soll den
öffentlichen Verkehr und dabei vor allem den Schienenverkehr den heutigen
Anforderungen anpassen und die Wettbewerbsposition der Bahnen verbessern. Sie
stellt das Instrumentarium zur Verfügung, um die politischen und
unternehmerischen Funktionen besser zu trennen, den unternehmerischen
Handlungsspielraum zu erweitern und Wettbewerbselemente ins Bahnsystem
einzuführen. Zudem soll mit der Bahnreform die Frage der Entschuldung der SBB
gelöst werden.

Die heute in die Vernehmlassung geschickte Vorlage bildet ein erstes
Massnahmenpaket. Ihm sollen im Sinne einer "rollenden Reform" weitere Reformen
folgen. Die Bahnreform ist Teil einer umfassenden und koordinierten
Verkehrspolitik. Der Erfolg hängt deshalb auch massgeblich von der Entwicklung
der verkehrspolitischen Rahmenbedingungen ab.

Vorgeschichte

Die Mobilitätsbedürfnisse haben in den letzten Jahren zugenommen. Die gezielte
Nutzung des Verkehrsträgers Schiene ist wegen dessen Vorteile
(Ressourcenschonung, Umweltverträglichkeit) für die weitere Verkehrsentwicklung
von grosser Bedeutung. Unter den aktuellen Rahmenbedinungen verfügt jedoch die
Strasse gegenüber der Schiene über verschiedene Vorteile (Preis, direkter
Transport von Punkt zu Punkt, einfachere Verladeoperationen etc.). Zudem
behindern heute strukturelle Probleme und Mängel SBB und konzessionierte
Transportunternehmungen (KTU) bei einer effizienten Leistungserbringung.  Die
"Groupe de réflexion über die Zukunft der SBB" lieferte 1993 einen Bericht ab,
welche die Grundzüge einer Reform der SBB und des Schienenverkehrs aufzeigte.
Der darauf aufbauende Entwurf zu einem "politischen Leitbild der SBB" wurde
mehrheitlich positiv begrüsst. Für viele gingen diese Vorschläge jedoch zu
wenig weit. Sie waren zudem zu stark auf die SBB fokussiert. Man verlangte nach
einer Gesamtstrategie für den öffentlichen Verkehr; für SBB und
konzessionierten Transportunternehmen. Diese Anliegen wurden mit der Bahnreform
konsequent aufgenommen. Am 17. Mai 1995 genehmigte der Bundesrat die
Zielsetzung der seit 1994 entwickelten Bahnreform und beauftragte das EVED eine
Gesetzesvorlage auszuarbeiten.

Ziele der Bahnreform

Die Bahnreform ist integraler Bestandteil einer koordinierten Verkehrspolitik
und steht in engem Zusammenhang mit anderen verkehrspolitischen Vorhaben, wie
z.B. der Alpeninitiative, der Vorlage "Finanzierung des öffentlichen Verkehrs",
BAHN 2000 oder dem beabsichtigten Landverkehrsabkommen mit der EU. Hauptziel
der Bahnreform ist die Steigerung der Effizienz im öffentlichen Verkehr. Das
Kosten-Nutzen-Verhältnis für die öffentliche Hand muss verbessert werden. Dazu
gilt es die politischen und unternehmerischen Verantwortlichkeiten klar zu
trennen und die unternehmerische Autonomie der Bahnen zu verstärken. Mit der
konsequenten Durchsetzung des Bestellprinzips soll die Politik in einem
liberalisierten Umfeld die Möglichkeit erhalten, gezielt gewünschte Leistungen
zu bestellen und zu einem im voraus vereinbaren Preis abzugelten.

Die Bahnreform bringt nicht die Lösung aller Probleme des öffentlichen
Verkehrs. Sie stellt jedoch das Instrumentarium zur Verfügung, um den
öffentlichen Verkehr und dabei insbesondere den Schienenverkehr den heutigen
Gegebenheiten anzupassen, Wettbewerbselemente ins Bahnsystem einzuführen und
die Effizienz bei der Leistungserbringung zu erhöhen. Im weiteren sollen die
Frage der Refinanzierung der SBB gelöst und neue Finanzierungsmodalitäten
eingeführt werden.

Ein flächendeckendes öffentliches Verkehrsangebot wird jedoch auch in Zukunft
mit beträchtlichen Kosten verbunden sein. Die Politik muss deshalb auch die
Frage beantworten, welches Angebot der öffentliche Verkehr zu welchem Preis
erbringen soll. Mit der Durchsetzung des Bestellprinzips sowie mit einer auf
jeweils vier Jahre festgelegten Leistungsvereinbarung Bund - SBB und einem
damit verbundenen Zahlungsrahmen erhalten Bundesrat und Parlament die nötigen
Instrumente dazu.

Die einzelnen Massnahmen

Der vorliegende Entwurf bildet ein erstes Massnahmenpaket im Rahmen einer
weiterzuführenden Reform. Die Bahnreform ist eine Rahmengesetzgebung mit
Detailregelung auf Verordnungsstufe. Durch das schrittweise Vorgehen können die
mit der Reform gemachten Erfahrungen in der Planung der nächsten Schritte
berücksichtigt werden. Zudem kann auf künftige Entwicklungen, insbesondere auch
auf internationaler Ebene, flexibler reagiert werden. Im Verlaufe dieses
Sommers werden die Vorlagen zu einer Leistungsvereinbarung und einem
Zahlungsrahmen erarbeitet. Sie sollen dem Parlament gemeinsam mit der
Bahnreform vorgelegt werden. Damit kann auch der Leistungsauftrag 1987 abgelöst
werden. Die einzelnen Massnahmen im Rahmen der Bahnreform beziehen sich sowohl
auf das Gesamtsystem des öffentlichen Verkehrs als auch auf die
Unternehmensstufe der SBB und der konzessionierten Transportunternehmungen:

Trennung der Bereiche Infrastruktur und Verkehr

Die Bahnunternehmungen sollen die bisher integrierten Bereiche Infrastruktur
und Verkehr rechnungsmässig und teilweise auch organisatorisch trennen. Damit
werden leistungshemmende innerbetriebliche Quersubventionen eliminiert und auf
der Angebotsseite die für mehr Wettbewerb notwendige Transparenz erreicht. Für
die mittleren bis kleinen und die schmalspurigen KTU ist nur die rechnerische
Trennung vorgesehen. Die grösseren KTU sollen wie die SBB die rechnerische und
organisatorische Trennung vollziehen.

Der Netzzugang

Der Netzzugang verschafft jedem Transportunternehmen das Recht, die
Infrastruktur einer Bahnunternehmung gegen Bezahlung zu benützen. Durch den
Erwerb einer sogenannten Trasse während eines bestimmten Zeitfensters (Slot)
erhält ein Schienenverkerhsanbieter das Recht, zu einer definierten Zeit eine
bestimmte Strecke zu befahren. Dieses System soll für den Güterverkehr und
Teile des Personenverkehrs eingeführt werden. Der Netzzugang bringt mehr Markt
im Schienenverkehr. Es werden neue Anreize zu einer kostengünstigen
Leistungserbringung geschaffen.

Finanzierung

Die Finanzierung von Neuinvestitionen der SBB soll im Rahmen der Revision der
Finanzhaushaltsverordnung neu geregelt werden. Diese Neuregelung soll bereits
auf den 1. Januar 1997 in Kraft gesetzt werden. Sie soll eine erste Angleichung
der Finanzierung von SBB und KTU bringen. Eine vollständige Angleichung der
Investitionsfinanzierung für die konzessionierten Transportunternehmen an die
neuen Grundsätze soll erst zu einem späteren Zeitpunkt, und in Absprache mit
den Kantonen, erfolgen.

Die Abgeltungen der Verkehrsleistungen sollen in Zukunft über das
Bestellprinzip abgewickelt werden. Zur Aufrechterhaltung eines flächendeckenden
"service public" muss die öffentliche Hand unter den heutigen Rahmenbedingungen
(keine Kostenwahrheit) gewünschte Leistungen bestellen und abgelten können.
Neben marktwirtschaftlichen Leistungen sollen nur Angebote bereitgestellt
werden, die von der öffentlichen Hand ausdrücklich bestellt werden. Die
ungedeckten Kosten dieser Angebote werden zu einem vereinbarten Preis
abgegolten. Die Verkehrsleistungen der SBB sollen in der Leistungsvereinbarung
zwischen Bund und SBB festgelegt werden.

Güterverkehr

Im Güterverkehr soll die Effizienz durch eine Liberalisierung gesteigert
werden. Mit entsprechenden Massnahmen, wie z.B. dem Netzzugang, soll das
marktorientierte Handeln der Bahnen verstärkt werden. Die Bahnen müssen bei
unveränderten Rahmenbedingungen grundsätzlich mit ihrem Angebot ohne
zusätzliche Abgeltungen am Markt bestehen können. Bei veränderten
Rahmenbedingungen ist eine Kompensation notwendig. So müsste etwa bei einer
Anhebung der LKW-Gewichtslimite auf 40 Tonnen eine leistungsabhängige
Schwerverkehrsabgabe (LSVA) zwischen zwei und drei Rappen je Fahrzeugkilometer
und Tonne erhoben werden, um die negativen Effekte auf Umfang und Erlöse des
Schienengüterverkehrs zu kompensieren. Werden keine Kompensationsmassnahmen
ergriffen, soll der Bund die Möglichkeit erhalten, zur Erreichung
verkehrspolitischer Ziele im nationalen Interesse Güterverkehrsangebote auf der
Schiene zu bestellen und abzugelten.

Verhältnis Bund - SBB

Die Aufgabenteilung zwischen Bund und SBB wird klarer definiert. Der Bund
beschränkt sich auf die politischen und finanziellen Vorgaben. Die
Verantwortung für die operative Führung der Unternehmung liegt ausschliesslich
bei den SBB. In einer Leistungsvereinbarung sollen Bundesrat und SBB für
jeweils vier Jahre die Unternehmensziele festlegen. Diese werden zusammen mit
einem Zahlungsrahmen für die SBB von den Eidg. Räten genehmigt. Falls die SBB
die vereinbarten Ziele innerhalb des Zahlungsrahmens nicht erreicht, erfolgt
die Defizitdeckung nicht mehr automatisch.

Refinanzierung der SBB

Durch die Refinanzierung sollen die SBB von finanziellen "Altlasten" befreit
werden. Die Belastung der SBB-Rechnung aus der Verzinsung von Darlehen des
Bundes hat untragbare Ausmasse angenommen. Die Refinanzierung soll auf den 1.
Januar 1998 vollzogen werden. Dazu wird einerseits der Verlustvortrag getilgt,
andererseits werden jene verzinslichen Darlehen, die der Finanzierung der
Infrastruktur dienen, in Eigenkapital und variabel verzinsliche Dahrlehen
umgewandelt. Der Bund übernimmt zu diesem Zweck auch die Darlehen und
Verpflichtungen der SBB gegenüber ihrer Pensionskasse. Tresoreriedahrlehen des
Bundes von rund 12 Mia. Franken werden in der Höhe von 8 Mia. Franken mittels
Aktiventausch in der Bilanz des Bundes in Eigenkapital umgewandelt. Die
restlichen 4 Mia. Franken werden bis auf die bestehenden, rentablen
Investitionen in variabel verzinsliche, bedingt rückzahlbare Darlehen
umgewandelt.

Die Rechtsform der SBB

Die bestehende Organisations- und Rechtsform der SBB als Anstalt ohne eigene
Rechtspersönlichkeit genügt den heutigen Anforderungen des Verkehrsmarktes
nicht mehr. Es wurden verschiedene Rechtsformen untersucht. Im Vordergrund
stehen die öffentlich-rechtliche Anstalt mit Rechtspersönlichkeit und die
spezialgesetzliche Aktiengesellschaft des öffentlichen Rechts. Der Bundesrat
hat entschieden, beide Varianten der künftigen Rechtsform der SBB in der
Vernehmlassung zur Diskussion zu stellen.

Personalrecht

Mehr unternehmerische Freiheit für die SBB verlangt auch mehr Flexibilität im
Personalbereich. Für Regiebetriebe des Bundes ist im Rahmen des geltenden,
respektive im geplanten neuen Personalrecht ein weitgehend autonomes Statut
vorgesehen. Das würde den SBB nach Ablauf der Amtsdauer 1997 - 2000  im
Personalbereich zusätzlichen Spielraum verschaffen. Die Bahnreform sieht vor,
dass in Ausnahmefällen schon zu einem früheren Zeitpunkt Personal nach
privatrechtlichen Regeln angestellt werden könnte.

Die SBB wird weiterhin eine eigene Pensionskasse führen, wobei eine spätere
Fusion mit der Pensionskasse des Bundes oder des Anschlusses an eine andere
Pensionskasse möglich bleibt.

Weiteres Vorgehen und Perspektiven

Neben den vorgeschlagenen Gesetzesänderungen sollen dem Parlament die Vorlagen
für die erste Leistungsvereinbarung und den Zahlungsramen unterbreitet werden.
Sie befinden sich in Erarbeitung. Die auszuarbeitenden Vollzugsverordnungen zur
Bahnreform sollen gleichzeitig mit den Gesetzesänderungen auf den 1.1.1998 in
Kraft gesetzt werden. Weitere Reformschritte sollen im Sinne einer "rollenden
Reform" ab 1997 folgen.

6.96                                      Eidgenössisches Verkehrs- und
                                          Energiewirtschaftsdepartement
                                          Pressedienst

Auskunftsstelle: Bundesamt für Verkehr, Stabsstelle Kommunikation, Tel.:
031/322 36 43